Hilchenbach. Eine Stunde kann es dauern, von einem Ende des Hilchenbacher Innenstädtchens zum anderen zu fahren. Schulkinder gehen derweil zu Fuß – begleitet.
Die Nerven liegen blank in Hilchenbach, zumindest bei den meisten Autofahrern: Berichtet wird von einer Stunde Fahrzeit vom Bahnhof bis zum Rathaus, auch die Fahrt vom Freibad aus in die Stadtmitte ist kaum kürzer. Schuld ist die Straßenbaustelle in der Rothenberger Straße, die jetzt in ihre letzte Phase tritt.
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So reagieren die Hilchenbacher
Die Baustellenampeln stehen aus Richtung Brachthausen vor dem Rathaus und aus Richtung Herrenwiese vor dem Abzweig Ferndorfstraße. Weil auch dort nur eine Fahrspur zur Verfügung steht, darf nun aus der Rothenberger Straße ausdrücklich nicht mehr bei Rot nach rechts in Richtung Freibad und Hadem abgebogen werden. Mit der Folge, dass sich der Kreisel in der Herrenwiese zustaut und damit auch die B 508 in beiden Richtungen blockiert wird.
Die Hupkonzerte sind laut, die Äußerungen in der örtlichen Facebook-Gruppe gereizt: „Aus- und Einfahrt des Kreisels sollte doch mit etwas Verstand freigehalten werden.“ „Einige Verkehrsteilnehmer haben es trotzdem nicht verstanden, das Hupen nicht hilfreich ist.“ „So macht der Feierabend um 14 Uhr keinen Spaß.“ „Ich frage mich, wie im Notfall ein Rettungswagen da durchkommen soll, wenn alles zu ist. Da bestellt man am besten gleich den Hubschrauber.“ „ In den Osterferien wird nichts in der Rothenberger Straße gearbeitet, nach Ostern lässt man die Kinder durchs größte Chaos zur Schule laufen und jetzt, fast pünktlich zu den Sommerferien, legt man die Baustelle näher ans Freibad. Sollen alle möglichst lange was von haben...“
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Auch Vorschläge, die Situation zu verbessern, werden gemacht: zum Beispiel, das Untere Marktfeld mit dem Gerberpark-Einkaufszentrum und dem Netto-Markt „abzuhängen“, damit der Verkehr sich nicht auch noch in die Rothenberger Straße einfädelt. Oder, die Ampel noch vor dem Herrenwiese-Kreisel aufzustellen. Schließlich der Trost: Ende Juni soll alles fertig sein, nach einer anschließenden Vollsperrung für ein Wochenende.
Busse fahren nicht mehr bis zum Schulzentrum
Weil im Stau auch die Busse stecken bleiben, ist für die Linien zum Schulzentrum schon seit Ende April Endstation auf dem Markt. Damit soll wieder ein pünktlicher Schulbeginn ermöglicht werden. Von dort laufen die Kinder über Hilchenbacher Straße und den eigens für Autos gesperrten Seminarweg die paar hundert Meter zur Schule – begleitet von Eltern und städtischem Personal. Denn die Kinder sind in der eigenen Stadt nicht orientiert. Kerstin Broh zeigt im Schulausschuss Kinderzeichnungen: Den einen fallen viele Szenen ein, als sie ihren Schulweg darstellen sollen. Die anderem malen nur ein Auto.„Ich bin die ganze Zeit mitgegangen“, berichtet Antje Krämer (CDU) im Schulausschuss, „die Kinder sind kreuz und quer gelaufen.“ Und Erwachsenen gefolgt, die die Straße einfach neben der Ampel überqueren. „Wir müssen Vorbilder sein“, meint Renate Becker (UWG), „wir sollten uns alle mal an die eigene Nase fassen.“ Dr. Tim Bernshausen (SPD) lobt den Einsatz der Schulwegbegleiter: „Große Klasse. Je konkreter es wird, desto mehr eckt man an. Aber das ist besser, als nichts zu tun.“
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Befeuert wird auf diese Weise eine andere Debatte: Die Stadt Hilchenbach bemüht sich um Fördermittel für ein „Schulisches Mobilitätsmanagement“ und legt selbst 10.600 Euro drauf, das sind 20 Prozent der Gesamtkosten von 53.000 Euro. Dafür wird ein Fachbüro die Schulen drei Jahre lang begleiten, Schulwege planen, begehen und analysieren – und vor allem Kindern beibringen, den Weg zur Schule selbstständig zurückzulegen.
Kinder sollen wenigstens ein Stück zu Fuß gehen
Der Bau- und Verkehrsausschuss hatte sich zwar mit Hol- und Bringzonen und Verkehrsregelungen auseinandergesetzt, einer städtisch geförderten Verkehrserziehung aber deutlich widersprochen – gekoppelt mit dem Hinweis, dass Eltern schon ihre Gründe hätten, ihre Kinder mit dem Auto so nahe wie möglich an die Schulgebäude zu bringen. Je mehr Autos bis an die Schule heranfahren, um so gefährlicher werde der Schulweg für die zu Fuß kommenden Kinder – und um so mehr weitere Eltern würden sich entschließen, ihre Kinder ebenfalls mit dem Auto zu bringen, stellt die städtische Mobilitätsmanagerin Kerstin Broh fest. „Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen.“
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Für den Hilchenbacher Schulberg wird derzeit überlegt, Hol- und Bringplätze auszuweisen. Die Verwaltung schlägt eine Fläche auf dem alten Friedhof vor, in der Verlängerung der gerade barrierefrei ausgebauten Bushaltestelle Rothenberger Straße - die Kinder würden dann noch über den Friedhof zur Florenburgschule oder zur Carl-Kraemer-Realschule hinauflaufen. Im Bau- und Verkehrsausschuss wurde die Auffassung vertreten, dass Eltern-Autos dann trotzdem die Jung-Stilling-Allee hinauf führen – besser wäre demnach ein Halteplatz zwischen beiden Schulen über einem vorhandenen Parkplatz. Olaf Kemper (CDU) bedauert, dass die Buswende mit integrierter Fahrspur für Elterntaxis an der Rothenberger Straße aus Kostengründen nicht gebaut wurde. „Das wäre eine Lösung gewesen.“
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Auch andere Schulwege sollen sicherer werden
2024 will die Stadt eine Hol- und Bringzone am Schulberg realisieren, 2025 soll die Gehwegsituation in Allenbach verbessert werden, 2026 an der Stahlberg-Grundschule in Müsen, dort unter anderem mit einer Schranke vor dem Schulhof. Sven Wengenroth (Linke) drängt darauf, auch für den Stift-Keppel-Weg eine Lösung zu finden. Dort treffen zu Fuß gehende Kinder und Jugendliche auf den Autoverkehr zum Stift Keppel, zur b school und zur Kita Hannes. Einen abgetrennten Gehweg gibt es nicht, nur eine Fahrbahnmarkierung. Wengenroth bringt morgens seine Tochter in die Kita. „Manchmal komme ich da nicht mal mit Schrittgeschwindigkeit durch.“
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