Hilchenbach. Günter Pulte ist „vorsichtig optimistisch“. Allmählich könnte es wirklich was werden mit dem Hilchenbach-Heinsbergert Windpark.

Die Mühen mahlen langsam. Nein, neu sei daran nichts, bestätigt Günter Pulte, der Geschäftsführer von Rothaarwind: Der „immissionsrechtliche Vorbescheid“ für die sieben neuen Windräder in Hilchenbach, den der Kreis Siegen-Wittgenstein am Wochenende veröffentlich hat, wurde bereits am 10. Juli 2020 erteilt. Jetzt erst, mit der öffentlichen Auslegung, beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist für Betroffene. Damit der Vorbescheid überhaupt Sinn macht, wurde er bereits um zwei Jahre bis zum 10. August 2024 verlängert. Sonst wäre er nämlich schon 2022 abgelaufen.

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Wann kommt der interkommunale Windpark Hilchenbach/Kirchhundem?

2011 hat Günter Pulte mit der Planung begonnen, vier Jahre nachdem der erste Windpark mit fünf Anlagen auf der Lümke in Betrieb gegangen ist. Der jetzt veröffentlichte Vorbescheid ist ein Zwischenschritt, der Vorbehalt gilt vor allem dem noch nicht beurteilten Natur- und Artenschutz. Nächster Schritt ist der Bauantrag. „Da haben sich Verzögerungen ergeben“, berichtet Günter Pulte. Weil Dürre und Borkenkäfer inzwischen große Waldbereiche vernichtet haben, müssen neue Gutachten her. „Das ist alles im Gange.“ Bereits gestellt ist der Bauantrag beim Kreis Olpe für die zehn Anlagen auf Heinsberger Gebiet. Für die sieben Anlagen in Hilchenbach, die sich von Lützel über den Rücken des Klarstein und Buchenhain bis Helberhausen aneinanderreihen, ist der Kreis Siegen-Wittgenstein zuständig. „Die Genehmigungsbehörden bekommen jetzt Kapazitätsprobleme“, ahnt Günter Pulte. In Siegen auf dem Tisch liegt schließlich auch das Verfahren für 42 Windräder, die Westfalenwind in Wittgenstein bauen will, davon allein 17 in der Hilchenbacher Nachbargemeinde Erndtebrück. „Aber natürlich sind wir vorsichtig optimistisch.“

Windkraft ist starker Stromlieferant

15,8 Prozent des in Siegen-Wittgenstein seit Dezember 2022 verbrauchten Stroms sind im Kreisgebiet selbst erzeugt worden, davon rund 136.000 Megawattstunden oder 75 Prozent aus Windkraftanlagen. Biomasse hat einen Anteil von rund 13 Prozent (24.000 Megawattstunden) , Photovoltaik 10 Prozent (18.000 Megawattstunden).

Am sonnigen Dienstagmittag zeigte der Energiemonitor von Westenergie für Siegen-Wittgenstein eine Eigenversorgung von 17 Prozent an. In den 15 Minuten zwischen 14.15 und 14,30 Uhr wurden – bei schwachen 16 km/h Windgeschwindigkeit – 4261 Kilowattstunden Windkraft- und 6662 Kilowattstunden Photovoltaik-Strom produziert.

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Bekommen die Pläne für neue Windparks nun Rückenwind?

Theoretisch ja, nachdem sich der Wind – politisch - gedreht hat, sagt Günter Pulte. „Aber jetzt gibt es überall Engpässe.“ Die Anlagenhersteller haben Kapazitäten abgebaut, auch der bisherige Rothaarwind-Partner Enercon hat gerade 1000 Arbeitsplätze gestrichen. „Die neuen Hilchenbacher Windräder kommen nun aus Indien.“ Dorthin, wo Windenergie auch in den letzten Jahren weiter gefragt war, hat der Anlagenhersteller seine Produktion verlegt. Günter Pulte ärgert das: Erst der Ukraine-Krieg und der Stopp der russischen Gaslieferungen habe in Deutschland ein Umdenken bewirkt. „Schade, dass man erst so was braucht. Es gab ja eigentlich immer genug Gründe.“ Der Klimawandel jedenfalls ist keine neue Entdeckung.

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Nachdem der Mindestabstand von 1000 Metern zur Wohnbebauung fällt: Wird es jetzt mehr geeignete Standorte für Windräder geben?

Günter Pulte sieht für seine Anlagen keinen Anlass, mit weniger Abstand zu planen. „Wir haben bewusst Standorte mit großer Ortsferne ausgesucht.“ Näher als 1100 Meter (in Helberhausen und Oberndorf) kommt keines der in Hilchenbach geplanten Windräder an Wohnhäuser heran, in Heinsberg liegt der Abstand sogar über 2120 Meter, im Durchschnitt des gesamten Windparks zwischen zweieinhalb und drei Kilometern. Künftige Standorte wird die Bezirksregierung über den Regionalplan vorgehen; darüber hinaus sind die Städte und Gemeinden frei, mehr zu tun. Ihre bisher vergeblichen Versuche, das mit eigenen Flächennutzungsplänen zu bewerkstelligen, sind samt und sonders vor Gericht gescheitert.

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Wer wird die künftigen Windparks betreiben?

Die Rothaarwind GmbH & Co KG hat rund 90 Gesellschafter aus der Regjon; sie versteht sich als Bürgerwindpark. Die Lümke ist ganz in Bürgerhand, im interkommunalen Windpark Rothaarwind 2 werden einige Anlagen zunächst vom Investor Alterric betrieben, ein Unternehmen des Anlagenherstellers Enercon und des Energieversorgers EWE. Die Zukunft im Siegerland soll der Bürgerenergiegenossenschaft gehören, an deren Gründung sich auch Rothaarwind beteiligt. „Wir wollen so viel Wertschöpfung wie möglich vor Ort halten“, sagt Günter Pulte, „der Wind aus dem Siegerland gehört den Siegerländern.“ Der Nachbarkreis Olpe, der Windkraftplanungen lange Zeit – auch das Heinsberg-Hilchenbacher Projekt – blockiert hat, hat sogar eine eigene Projektentwicklungsgesellschaft gegründet. „Ein sehr gutes Konzept.“

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Welche Rolle spielt das große Geld?

„Sehr viele Investoren versuchen, in Siegen-Wittgenstein Fuß zu fassen“, weiß Günter Pulte – einer der Großen ist Westfalenwind mit seinen 42 Standorten in Wittgenstein. „Die rücken uns relativ nah auf die Pelle“ – im Wald von Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg bei Erndtebrück, von wo aus die Baustellen des interkommunalen Hilchenbacher Windparks erschlossen werden sollen. Verständnis hat Günter Pulte für die Waldbesitzer, denen die Pachteinnahmen die Wiederaufforstung mitfinanzieren sollen. Auch die Genossenschaft braucht sie als Verpächter. „Sie sind natürlich herzlich eingeladen, auch Mitglieder der Betreibergenossenschaft zu werden.“ Der Neuaufbau eines Windparks erfordert Kapital und Knowhow – die neue Genossenschaft habe sich beides gesichert, berichtet Günter Pulte. Kapitalgeber sind in Sicht, um die Planung wird sich die BBWind kümmern, ein Tochterunternehmen des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes. „Die Planung ist äußerst teuer und riskant“ – war sie zumindest, wie Günter Pulte aus eigener Erfahrung weiß. „Es ist gerade dabei, etwas einfacher zu werden. Aber es wird immer komplex bleiben.“

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