Hilchenbach. Rundum sorglos feiern: Wenn keine Achilles-Sehne genäht werden muss oder heißes Frittenfett über die Füße geflossen ist, feiern Mediziner mit.
In the middle of nowhere? Der Eintrag von Bob Geldof ins Kultur-Pur-Gästebuch 2006 hat es sogar auf Merchandise-T-Shirts und außen aufs Zelt gebracht. Aber wie ist das eigentlich, wenn so weit draußen Erste Hilfe gebraucht wird – also für Notfälle, die nicht mit einem Pflaster auf das aufgeschlagene Knie zu behandeln sind und wo auch die Tube Fenistil gegen den Insektenstich nicht hilft? „Wir sind in zwei Minuten am DRK-Zelt“, sagt Dr. Uwe Howe. Der Allgemeinmediziner aus Dreis-Tiefenbach koordiniert den Einsatz der Festivalärzte. Herzinfakt? Schlaganfall? „Es kommt auf die Erstversorgung an“, sagt Howe, „wir können hier alles machen.“ Auch Narkosen legen. Die längere Anfahrtszeit der Rettungswagen auf den Giller ist kein Hindernis. „Es wird nicht gewartet“, betont sein Kollege Dr. Klaus Siegeris. Eine gerissene Achillessehne wurde hier sogar schon einmal an Ort und Stelle genäht.
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Anette Meier ist für das Kreuztaler DRK mit ihrem Team vor Ort, gemeinsam mit dem Hilchenbacher DRK gewährleisten sie die Sanitätsbereitschaft. Schon am Dienstag haben sie ihre Zelte aufgebaut, „dann parkt hier wenigstens keiner mehr.“ Hier ist auch der Arbeitsplatz der Festivalärzte. Acht Namen zählt Dr. Howe auf, die in wechselnder Besetzung dabei sind: Dr. Karla Sabisch als Dienstälteste, Dr. Peter Tremmel, Dr. Reiner Scholler, Dr. Torsten Kiehl, Dr. Fabian Adam. Mit 13 Jahren Kultur Pur sehen sich Dr. Klaus und Dr. Martina Siegeris schon „ein bisschen beim alten Eisen“. Und auch Dr. Uwe Howe bringt es, sagt er, „auf locker zehn Jahre“.
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Ehrenamtlicher Einsatz – auch für schwere Fälle
Alle haben auch Notarzt-Erfahrung. Alle sind irgendwann mal angesprochen worden, von Kollegen, von jemandem aus dem KulturPur-Team - die haben schließlich auch Hausärzte. „Gottseidank haben wir auch Nachwuchs“, sagt Dr. Uwe Howe. Sie machen das gern, „ich war sofort Feuer und Flamme“, sagt Dr. Howe. Sie alle sind ehrenamtlich im Einsatz, ihre Arbeitsmaterialien bringen sie aus den eigenen Praxen mit, die Medikamente auch, vom Antibiotikum bis zum Asthma-Spray. Sauerstoff und Defibrillator stehen ebenfalls bereit.
Die Festivalärzte mischen sich ins Publikum. „Wir sind bereit, im Notfall einzuspringen“, erklärt Dr. Martina Siegeris. Sofort zur Stelle ist ein Arzt, wenn eine Zuschauerin oder ein Zuschauer kollabiert und umfällt. Wobei „die kleinen Wehwehchen“ (Dr. Howe) schon von den Sanitäterinnen und Sanitätern allein versorgt werden. Und was sind die größeren Vorfälle, zu denen die Ärzte gerufen werden? Den Verdacht auf Herzinfarkt und den Schlaganfall gab es schon, zwei Mal musste bisher der Rettungshubschrauber kommen.
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„Die Leute können sich hier ganz sicher fühlen“
In Erinnerung ist Dr. Martina Siegeris Pfingsten 2014, als ein Unwetter über das Siegerland zog und die verbliebenen Gäste im kleinen Zelttheater ausharren mussten. „Da wurde in Windeseile im kleinen Zelt ein Stützpunkt aufgebaut.“ Jemandem floss heißes Frittenfett über die Füße, ein Kind erlitt Verbrennungen - aber Einsätze wegen übermäßigen Alkoholkonsums? „Überhaupt nicht“, sagt Dr. Klaus Siegeris, „das hier ist ein nettes, freundliches kulturelles Festival.“ Mit einem „absolut pflegeleichten Publikum“, ergänzt Dr. Uwe Howe. Da kommt dann auch schon mal ein Patient, der sich auf dem Weg zum Giller Blasen in die Füße gelaufen hat. Und jetzt, bei diesem schönen Pfingstwetter? „Da sind eher Bienen und Wespen das Problem“, ahnt Dr. Martina Siegeris. Und Sonnenbrände – vor denen sich eigentlich jeder selbst schützen kann.
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Die Anforderungen an die Notfallversorgung werden auf dem Giller übererfüllt, sagt Anette Meier. „Wir stehen sehr deutlich im Hintergrund“, betont Dr. Klaus Siegeris. Aber sie sind eben da und auf dem Sprung, „auch wenn die Leute von uns nichts mitkriegen“. Sollen sie auch gar nicht, findet Dr. Howe: „Ein Festival ist ein gutes Festival, wenn wir gar nicht in Erscheinung treten.“ Aber: „Die Leute können sich hier ganz sicher fühlen“, sagt Dr. Martina Siegeris. Und das ist wohl die wichtigste Botschaft der Festivalärzte.
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