Siegerland. Mistwetter, Inflation, Preissteigerung – und überhaupt. Aber keine Sorge: Pfingsten auf dem Giller wird super. Was sich für das Publikum ändert:
Geld spielt bei Kultur Pur im Jahr 2023 eine wohl noch entscheidendere Rolle als bei den Ausgaben zuvor. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause machen sich nun die wirtschaftlichen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine bemerkbar. Inflation und steigende Energiekosten machen auch vor Kultur Pur nicht Halt: Für die Infrastruktur – Zelte, Technik, Strom, Wasser – muss die Veranstaltergemeinschaft um das Kreiskulturbüro rund 15 bis 20 Prozent mehr Geld ausgeben. „Das ist deutlich, das tut auch richtig weh“, sagt Festivalleiter Jens von Heyden. Trotz allen Hürden und Stolpersteinen: Nummer 31 lässt sich gut an.
Der Stellenwert von Kultur Pur für Siegen-Wittgenstein: Das gibt’s so nirgendwo sonst
Nach 30 Jahren ist Kultur Pur Tradition. Das Festival ist etabliert, Pfingsten gehts für die Massen auf den Giller. Kultur Pur ist in Siegen-Wittgenstein „unser Festival“. Vielleicht macht’s die familienfreundliche Mischung aus bekannten Namen des Rock und Pop, Hochkaräter und Nachwuchs, Mainstream und Avantgarde, heimische Bands und Kleinkunst. All das in dauerhaft ziemlich hoher Qualität und vor der Kulisse eines der schönsten Orte des Siegerlands, wie Kyrillos Kaioglidis zuständiger Hilchenbacher Bürgermeister sagt. Atmosphäre und Natur, Nachhaltigkeit und Kooperation – Landrat Andreas Müller lobt das Verbindende, Grenzübergreifende des Festivals, das insbesondere – aber nicht nur – die beiden Altkreise, ihre Kommunen und Institutionen einander in der erfolgreichen Zusammenarbeit näherbringe. „Kultur Pur steht längst im kollektiven Gedächtnis der Region“, sagt Müller und Patrick Zöller vom Kulturbüro bestätigt: Der Sommer beginnt für viele Menschen im Kreis erst richtig, wenn sie bei den Zelten auf der Ginsberger Heide waren.
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Auch jenseits der Region hat sich Kultur Pur einen Ruf erarbeitet: Dass da ein Festival mitten im Nirgendwo stattfindet, das es in dieser Form, mit dieser Atmosphäre, so nirgendwo sonst gibt. Während es in der Kultur landauf, landab bröckelt, sagt Arne Fries, für Kultur zuständiger Beigeordneter der Universitätsstadt Siegen, sei es umso toller, „dass es hier so gut klappt. Die Region lebt davon, dass es auch solche herausragenden Angebote gibt.“ Und sich alle Beteiligten, die sich selbst als eine Art große Familie betrachten, dafür gegenseitig unterstützen. Eine logistische Meisterleistung sei es jedes Jahr wieder, sagt Festivalleiter von Heyden. Ganz besonders, wenn pünktlich zum Zeltaufbau ein zweitägiger Wolkenbruch die Heide in einen Matschpool verwandelt. Wenn die Zelte dann stehen: „Ein erhebendes Gefühl.“
Warum Kultur Pur etwas Besonderes ist: Natur, Kultur – und kostenlos
Ein Mammutprojekt in dieser Form, Jahr für Jahr – keine Selbstverständlichkeit, findet Andreas Müller. Ganz besonders nicht, da weite Teile des Programms nichts kosten – zumindest das Publikum nicht. Das Festival, formuliert Müller, habe „bisher allen Versuchungen nach kommerzieller Ausdehnung erfolgreich widerstehen“ können. Was auch und gerade für die IG Metall ein Grund ist, hier nach wie vor Mitgliedsbeiträge zu investieren. Denn jährlich Zehntausende unabhängig von der Größe ihres Geldbeutels kostenlos in die Natur zu transportieren und ihnen ein ebenso kostenloses Kulturprogramm vom Feinsten zu bieten – „das nehmen wir vielleicht inzwischen als selbstverständlich hin“, sagt Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter der Industriegewerkschaft in Siegen. Welche Strahlkraft das aber habe, zeige sich oft erst an den Reaktionen von Menschen, die nicht aus der Region kommen.
Erheblichen Anteil am Gelingen eines Festivals, das nie auf den kommerziellen Erfolg ausgerichtet war, haben neben den Haupt- und Mitveranstaltern der öffentlichen Hand in der Tat Sponsoren; Unternehmen mit Gewinnorientierung, die sich aber finanziell für Kultur Pur in einer Weise engagieren, die über Profitinteressen hinausgeht. Sparkassen und Krombacher Brauerei sind seit der allerersten Stunde dabei und kündigen schon jetzt an, auch bei Ausgabe 32 wieder bereit zu stehen. Das Autohaus Lauer und Süwer transportiert seit 25 Jahren die Stars in statusgemäßen Fahrzeugen auf den Giller, blieb nach einer der ersten Marketingaktionen nach der Gründung dabei. KAF Falkenhahn wollte sich eigentlich einmalig zum Firmenjubiläum beteiligen – und blieb ebenfalls an Bord. Um die in diesem Jahr gestiegenen Kosten in vertretbaren Dimensionen zu halten, griffen manche Sponsoren auch noch tiefer in die Tasche, sagt Jens von Heyden. Geld kommt überdies auch weiter von IHK, NRW-Kulturministerium, 1. FCKV. Daneben hilft: Verhandlungsgeschick, jahrzehntelange Zusammenarbeit, gute Netzwerke.
Der Vorverkauf für Kultur Pur läuft super – das ist längst nicht überall so
Fünf Veranstaltungen sind ausverkauft, rund 80 Prozent aller Karten sind weg und wenn sie ehrlich sind: Gerechnet hatten sie damit nicht. Andere Festivals hätten da ganz andere Zahlen, sagt Jens von Heyden. Gerade die Vorfreude auf das Familienerlebnis, das Kinderprogramm, bekomme man überall hautnah mit, sagt Dörthe Müller, Geschäftsführerin des Gebrüder-Busch-Kreises.
Neu ist eine größere, nun überdachte Außenbühne – das Wetter soll hervorragend werden, dafür braucht es Sonnenschutz – und immer neu ist die „kleine Kunst vor den großen Zelten“, wie Patrick Zöller formuliert, zuständig fürs Familienprogramm von Samstag bis Montag. 16 Produktionen, 49 Vorstellungen, von Tanzen in der kleinsten Disco der Welt bis zu einem zwei Meter hohen Luftballonmotorrad: Zur Tradition gehört, dass es hier zu sehen gibt, was man so noch nie gesehen hat.
Essen und Trinken bei Kultur Pur: Die Preise bleiben stabil – erstmals Kartenzahlung
Kultur Pur funktioniert erstmals weitgehend bargeldlos. An den meisten Verpflegungsständen könne man nun mit Girocard (und Handy) bezahlen, sagt Sparkassen-Vertreter Günter Zimmermann. Damit werde ein langgehegter Wunsch vieler Festivalbesucher erfüllt.
Und tiefer in die Tasche greifen müssen sie dafür auch nicht. Jan Klappert, seit sechs Ausgaben Kultur-Pur-Chefgastronom, berichtet: „Wir haben es geschafft, preisstabil zu bleiben.“ Und trage damit dazu bei, das Festival familienfreundlich zu halten. Denn auch die Gastronomie habe erheblich mit der Preisentwicklung zu kämpfen, sei es Warenbeschaffung, Energie oder Personal. 16 Händler werde es geben, sagt Klappert, international, national, regional: Grill, Crepes, Eis, Pommes, Kaffee und Kuchen, israelisches Streetfood, hawaiianische Bowls, Flammlachs,...
Verkehr: Nachhaltig mit Sonderbussen zu Kultur Pur – oder mit dem E-Bike
Sonderbusse binden alle Kommunen des Kreises ans Festivalgelände an, Tickets gelten als Fahrkarte. Kostenlose Shuttle-Busse fahren vom ebenfalls kostenlosen P&R-Parkplatz der SMS in Dahlbruch. Vor Ort gibt es zwei Fahrradparkplätze, einer dauerhaft bewacht und mit Service-Station von Hirad in Hilchenbach für gängige Reparaturen und zum Aufladen von E-Bikes. Mit Blick darauf und auf bereits etablierte Pfand- und Müllvermeidungssysteme sagt Jens von Heyden: „Wir sind nicht klimaneutral – aber weit vorne.“
Tickets, Programm, Fahrpläne, Infos: kulturpur-festival.de.