Siegen. Die Ratsmehrheit in Siegen will Hallenbäder in Weidenau und Eiserfeld – gegen den Gutachter-Rat. Der Kämmerer rechnet schon die Grundsteuer aus.

Das „Zentralbad“ ist politisch tot, die große Mehrheit setzt auf die Zwei-Standorte-Lösung: In Weidenau wird an die Stelle des jetzigen Hallenbades ein „Kompaktbad“ gebaut. Dafür haben sich Bauausschuss und Sport- und Bäderausschuss mit großen Mehrheiten ausgesprochen. Für das Zentralbad stimmten lediglich die Ausschussmitglieder von AfD und Volt. Die Verwaltung hatte keine Empfehlung gegeben, Stadtrat Arne Fries ließ Sympathien für Eiserfeld durchblicken: „Als Sportdezernent wäre ich für ein 50-Meter-Becken in Siegen“, sagte er, die Zwei-Standorte-Lösung wäre aber „ein noch deutlicheres Zeichen, den Sportstandort Siegen aufrecht zu erhalten.“ Mit der Aufgabe des Bades in Eiserfeld, sagte Fries dann später noch, „würde uns in Siegen etwas verloren gehen.“

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Das sagen die Gutachter

Thomas Kalman, Geschäftsführer des von der Stadt beauftragten Büros Krieger Architekten in Velbert, stellte die baulichen Alternativen vor. Marco Steinert, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Altenburg, legte die betriebswirtschaftlichen Konsequenzen vor. Thomas Kalman wählte das gerade neu eröffnete Rurbad in Düren als mögliches Muster für ein Zentralbad: „Ein sehr sportorientiertes, aber auch familiengerechtes Bad.“ Kalman wies darauf hin, dass ein neu gebautes Bad in 30 bis 35 Jahren sanierungsreif wird. In Eiserfeld, wo die Sanierung jetzt ansteht, werde das dann „möglicherweise nicht mehr“ möglich sein.

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„Wir wissen, dass die Meinung in eine andere Richtung geht“, sagte Marco Steinert. Der Unternehmensberater blieb aber bei seiner Empfehlung für ein Zentralbad. Über 30 Jahre hätte die Stadt insgesamt 20 Millionen Euro mehr für die Zwei-Standorte-Lösung aufbringen. „Aus unserer Sicht ist das zu viel.“ Schulen und Vereine würden ihren Bedarf in einem Zentralbad decken können, „die Belegung ist nicht sehr intensiv.“ Im Zentralbad sollte der Montag komplett für Schulen und Vereine reserviert werden, in der Zwei-Standorte-Lösung sollte Weidenau an einem, Eiserfeld an zwei Tagen für den öffentlichen Badebetrieb geschlossen sein, der ansonsten von 7 bis 21, an Wochenenden von 8 bis 18 Uhr vorgesehen ist. Für eine bessere Wirtschaftlichkeit empfiehlt der Gutachter eine Erhöhung der Eintrittspreise. „Da ist Luft nach oben.“ Mit einer Anhebung von 3,50 auf 4,90 Euro wäre Siegen immer noch billiger als das benachbarte Netphen (5,30 Euro).

Was spricht für die zwei Standorte?

Bei einem Zentralbad werde der Anteil der Nichtschwimmer unter den Kindern steigen, warnt Jens Uhlendorf (CDU). „Die Wartelisten für Schwimmkurse in den Vereinen betragen schon zwei Jahre.“ Auch das Kalkül, den Bedarf der Vereine mit einem Angebot ab 16 Uhr zu decken, werde nicht aufgehen: Berufstätige hätten dann noch nicht Feierabend, Kindern seien dann noch in der (Ganztags-)Schule. „Vor 18 Uhr läuft da gar nicht“, bestätigt Maik Otto, Vorsitzender des Stadtsportverbandes. „Es kostet sauviel Geld“, räumt Felix Hof (SPD) ein. Mit den langen Anfahrten aus dem Siegener Süden nach Weidenau würden aber Nutzergruppen ausgeschlossen. „Als erste werden sich das Einwohner mit geringem Einkommen überlegen. Wir müssen uns die zwei Standorte leisten.“ Stadtrat Arne Fries hält das Entfernungs-Argument nicht für ausschlaggebend: „Fragen Sie mal die Leute in Setzen.“

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Wolfgang Koenen (FDP) nennt die zwei Standorte „unabdingbar“. Die Mehrkosten müssten an anderer Stelle eingespart werden – und womöglich sei Eiserfeld auch für weniger als elf Millionen Euro zu sanieren. Eher für mehr, erwidert Stadtbaurat Henrik Schumann: „Elf Millionen sind noch optimistisch.“ Eiserfeld brauche diese Infrastruktur, sagt Ansgar Cziba (Grüne): „Wir verlegen ja auch nicht die Schulen in den Norden.“ Und: „Beim Museum war eine Million gar nichts.“ Ohne Eiserfeld hätte Siegen zudem überhaupt kein städtisches Wellness- und Sauna-Angebot mehr.

Die Alternativen

Zwei-Standorte-Lösung: Neubau eines Kompaktbades in Weidenau mit einem Sportbecken und einem Kombibecken mit Sprunganlage und Hubboden. Das Sportbecken hat sechs, das Kombibecken vier 25-Meter-Bahnen, hinzu kommen Lehrschwimm-, Nichtschwimmer- und Eltern-Kind-Becken. Eiserfeld (fünf 25-Meter-Bahnen) wird saniert. Investition: 62 Millionen Euro, jährliche Kosten 4,0 Millionen Euro

Zentralbad: Neubau eines Zentralbades in Weidenau mit einem Sportbecken mit acht teilbaren 50-Meter-Bahnen, Lehrschwimm-, Nichtschwimmer- und Eltern-Kind-Becken. Eiserfeld wird geschlossen. Investition: 58 Millionen Euro, jährliche Kosten: 3,4 Millionen Euro.

Was spricht für das Zentralbad?

Jacob Kammann (Volt) findet, dass die Stadt die um jährlich 600.000 Euro günstigere Variante wählen sollte: „Das Geld können wir für andere Projekte nutzen.“ Luca Weber (Volt) warnt: Bei der zwei Standorte-Lösung werde das Bad in Eiserfeld in 30 Jahren neu gebaut werden müssen, weil das „Kompaktbad“ Weidenau allein nicht ausreichen werde. Darauf Stadtrat Arne Fries: „Und was ist dann in 60 Jahren in Weidenau?“ „Hätte Volt hier mal genauso viel Aktivität wie beim Oben-Ohne-Baden gezeigt“, erwidert Jens Uhlendorf (CDU). Michael Schwarzer (AfD) empfiehlt, den Gutachtern zu folgen. „Wünschen würde meine Fraktion sich am liebsten sogar vier Bäder.“

Wie ist das mit dem 50-Meter-Becken?

Das 50-Meter-Becken in der Zentralbad-Lösung ist teilbar, aber dann auch nur „ineffizient“ von vier Gruppen nutzbar, sagt Marco Steinert – mit acht Gruppen, die in rechnerisch 16 25-Meter-Becken Platz fänden, „funktioniert das nicht“. Was für Sportschwimmer attraktiv ist, ist im Schulunterricht aufwändig, weil unübersichtlich: „Fragen Sie mal einen Lehrer.“ Kurzum: „Es ist keine Aufgabe der kommunalen Grundversorgung.“ Die 50-Meter-Bahn würde ein „Aushängeschild“, findet Roland Steffe (AfS) – zumal das nächsterreichbare Angebot im Dillenburger Aquarena dauerhaft geschlossen sei. „Eine 50-Meter-Bahn braucht in dieser Stadt kein Mensch“, sagt Jens Uhlendorf (CDU).

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Wer soll das bezahlen?

„Das ist die größte Investition, die Siegen je getätigt hat“, stellt Kämmerer Wolfgang Cavelius fest und verweist darauf, dass der Siegener Haushalt ohnehin schon mit zehn Millionen Euro jährlich in den roten Zahlen ist, die beschlossene Abschaffung der Kita-Elternbeiträge ein weiteres Loch in die Kasse reißt und die steigenden Zinsen die Kredite der Stadt verteuern.

Wiederholt wird der Kämmerer gefragt, warum der Betrieb von zwei Bädern oder gar nur einem Bad teurer ist als der jetzige Betrieb von drei Bädern. „Das ist der Sanierungsstau nicht abgebildet.“ 2,1 Millionen Euro sind in diesem Jahr für Weidenau, Eiserfeld und Löhrtor veranschlagt. Dass das mindestens eine Million Euro mehr wird, liegt nicht nur an steigenden Energiekosten, sondern vor allem an den Finanzierungskosten: Darlehen müssen bedient, der Wertverlust der neuen Investitionen muss Jahr für Jahr abgeschrieben werden.

Er werde dem Rat den erforderlichen Finanzierungsvorschlag vorlegen, kündigt Wolfgang Cavelius an: für die Zwei-Standorte-Lösung 60 Punkte mehr bei der Grundsteuer, von heute aus führte das dann zu einem Hebesatz von 645 Prozent. „Das Erste, was wir hätten sparen können, sind die Kosten für diese Gutachten“, sagt Frank Weber (CDU), „wir wussten alle, was dabei rauskommt.“ „Rein finanziell können wir uns gar kein Hallenbad leisten“, sagt Henning Klein (Linke), „und auch kein Museum.“

Wann ist der Neubau in Weidenau fertig?

„Vielleicht 2025, wenn man sich beeilt“, könne Baubeginn sein, sagt Thomas Kalman. Das bedeutet auch, dass die Stadt außer ins Löhrtorbad selbst dann erste Beträge in Eiserfeld investieren müsste, wenn es zum Zentralbad käme, folgert Roland Steffe (AfS). Denn das Zentralbad würde „frühestens 2029“ in Betrieb gehen. 2029, widerspricht Peter Meyer, Leiter der städtischen Gebäudewirtschaft, „kann nicht unser Ziel sein.“ Einen anderen Termin nennt er aber auch nicht. Bis 2028 müssten in Eiserfeld zumindest die Lüftung und der Umkleidebereich saniert werden.

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