Siegen. Wenn Autos langsamer fahren, passieren weniger schlimme Unfälle. Aber bringt die Umstellung von 50 auf 30 km/h auch etwas für die CO2-Bilanz?

Gegen die Stimmen von AfD, AfS und FDP hat der Verkehrsausschuss dem Geschwindigkeitskonzept für die Stadt Siegen zugestimmt. Auf einer Reihe der insgesamt 1260 Straßen im Stadtgebiet wird Tempo 30 eingeführt – nach und nach, wie Benjamin Hinkel, stellvertretender Leiter der Abteilung Straße und Verkehr, versichert: Für jedes betroffene Straßenstück wird ein Anhörungsverfahren erforderlich, bei dem Beteiligte wie Polizei und Verkehrsbetriebe sich äußern können. „Das können wir nicht alles im Vorfeld abklären.“

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So wird auch noch im Detail festzulegen sein, ob Tempo 30 lediglich für den Straßenzug oder für eine größere Fläche als Tempo-30-Zone angeordnet wird; die Fahrradstraße ist eine weitere Alternative. Achim Dörner, Betriebsleiter bei den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd (VWS), plädiert für das einfache Tempolimit und gegen die Zone: „Wir möchten die Vorfahrtregelung weiter für uns nutzen.“ In der Zone 30 gilt dagegen „Rechts vor links“, der Bus müsste an jeder Einmündung abbremsen.

Hauptverkehrsachsen kommen ganz zum Schluss

Aktuell auf dem Tisch liegen drei Stufen für die Umsetzung von Tempo 30: In der ersten geht es um die Abrundung und Verlängerung bestehender 30-Gebiete, in der zweiten um die Umstellung von 50 auf 30 in Stadtstraßen. Stufe 3 betrifft die Kreis-, Landes- und Bundesstraßen, auf denen Tempo 30 heute schon zulässig ist: Hier will die Stadt Lücken zwischen bestehenden Tempo-30-Zonen schließen oder das bereits in einer Fahrtrichtung angeordnete Tempolimit auch auf die Gegenrichtung ausweiten.

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Otto-Brenner-Straße und Wenschtstraße in Geisweid, Glück-Auf-Straße und Am Eichenhang, Engsbachstraße und Stockweg, Känerbergstraße und Samuel-Frank-Straße in Weidenau, Kampenstraße, Sandstraße, Heeserstraße, Rosterstraße, Wichernstraße in Siegen sind mit längeren Abschnitten in diesen ersten drei Stufen vertreten. Die Gießereistraße wird Fahrradstraße – sie ist Teil des Umweltspur-Konzepts, das die Stadt auf der Hauptverkehrsachse zwischen Kochs Ecke in Siegen und Geisweider ZOB umsetzen will.

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Stufe 4 umfasst 30er-Regelungen auf klassifizierten Straße, wo dies bisher noch nicht zulässig ist. Siegen ist im vorigen Jahr der „Städteinitiative Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beigetreten, die für Kommunen mehr Gestaltungsfreiheit bei Tempo-Anordnungen fordert. Wenn es dann auch um die Hauptverkehrsstraßen geht, werden Umprogrammierungen der Ampelschaltungen Thema werden – und im öffentlichen Nahverkehr womöglich ein Mehrbedarf an Bussen, weil die dann künftig mehr Zeit für ihre Touren brauchen. „Das hätte Auswirkungen“, sagt Benjamin Hinkel – anders als in den Stufe-1-bis-3-Straßen, in denen der Bus erfahrungsgemäß sowieso im Schnitt kaum schneller als mit 30 km/h unterwegs ist. Weidenauer Straße und Siegstraße, Leimbachstraße, Spandauer und Frankfurter Straße, Eiserfelder Straße und Eiserntalstraße, Giersbergstraße, Bürbacher Weg und Hohler Weg stehen unter anderem mit größeren Abschnitten auf dieser letzten Liste.

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„Mit jaulendem Motor bergauf“

Wolfgang Koenen (FDP) lehnt das generelle Tempo 30 ab. Vor Schulen und in Krankenhäusern und in Wohngebieten mache die Geschwindigkeitsbeschränkung „natürlich“ Sinn. Roland Steffe (AfS) nennt das Vorhaben „völlig unsinnig“. Der schlechte Zustand der Straßen im Stadtgebiet erlaube ohnehin kaum höhere Geschwindigkeiten. Lärm- und Abgasbelästigungen („mit jaulendem Motor im zweiten Gang bergauf“) würden sogar noch zunehmen. Im Zeitalter von E-Autos werde das nicht passieren, widerspricht Martin Heilmann (Grüne). „Schade, das wir das noch nicht überall machen können“, findet Silke Schneider (Linke).

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Stefan Wied, Geschäftsführer des Zweckverbandes Personennahverkehr (ZWS), zitiert aus einer Studie. Bei einer Reduzierung des Tempos von 50 auf 30 km/h verlieren Autofahrer 30 Sekunden je Kilometer. Durch das reduzierte Tempo werden Abgase reduziert – durch die längere Fahrzeit aber auch länger produziert. Für die CO2-Bilanz, folgert Stefan Wied, mache die Umstellung somit „keinen nennenswerten Unterschied“.

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