Siegen. Der Siegener Rat streitet um die beiden Verkaufsoffenen Sonntage: Ist das Ausbeutung des Personals oder Hilfe für den gebeutelten Einzelhandel?
Die Weiten der Siegerlandhalle sind doch etwas anderes als der im Vergleich ziemlich enge Ratssaal. Drei Jahre ist der Rat nicht mehr in Geisweid zusammengekommen, nach mehreren Jahren Corona-bedingter Abstinenz spielt erstmal die Saaltechnik nicht mit, mehrfach muss unterbrochen werden, bis störungsfreies Sprechen möglich ist. Denn auch die Menschen vor den Bildschirmen – gestreamt wird auch aus dem Ratsaal – sollen der Sitzung folgen können. Die Atmosphäre ist geradezu gemütlich, es wird geschwatzt und geraunt, was die Stadtverordneten nicht davon abhält, erstmal gründlich zu streiten.
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Und zwar um Verkaufsoffene Sonntage, die für Siegen zum Stadtfest und zum Geisweider Bürgerfest geplant sind. Die Positionen dazu sind eigentlich nicht neu, trotzdem Gelegenheit, sich nochmal ein paar Dinge an den Kopf zu werfen. Es gebe überall im Land unabweisbare Arbeitsleistungen an Sonntagen, macht Grünen-Fraktionschef Michael Groß den Anfang – Feuerwehr oder Polizei, das dient der Allgemeinheit, anders geht es nicht. „Anders sieht es bei Geschäften aus – Stadtfeste würden auch ohne gut funktionieren. Wir brauchen diese Öffnungszeiten nicht!“ Feste ohne geöffnete Geschäfte zu feiern, müsse möglich sein, sekundiert Silke Schneider für die Linke, „auch Verkäufer wollen mitfeiern.“ Auch wenn es nur zwei verkaufsoffene Sonntage seien: Jeder einzelne sei ein Einfallstor, dass künftig mehr davon angeboten werden solle.
„Wie kann man glauben, dass ein Sonntag den Einzelhandel retten kann?“
Der Einzelhandel sei an allen Ecken und Enden gebeutelt, hielt Michael M. Schwarzer (AfD) dagegen: Die Verkäuferinnen seien nicht Leidtragende eines verkaufsoffenen Sonntags, sondern vielmehr Nutznießende, „die brauchen ihre Arbeitsplätze.“ Er habe lange nichts Einfältigeres gehört, empörte sich daraufhin Henning Klein (Linke), „wie kann man glauben, dass ein Sonntag den Einzelhandel retten kann?“ Im Kapitalismus regle der Markt die Dinge, „wenn er’s nicht geregelt kriegt, ist das eben so.“ Wessen Lebensinhalt es sei „24/7 ums goldene Kalb zu tanzen“ – okay, „aber nicht auf dem Rücken der Beschäftigten.“ Man könne ja mal die Organisatoren des Bürgerfests fragen, ob sie die Veranstaltung ohne geöffnete Geschäfte durchführen würden, kommentierte Bürgermeister Steffen Mues trocken.
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Weil Michael Groß auch auf die Position der Kirchen verwiesen hatte, die sonntags geöffnete Geschäfte ablehnen, wurde auch über kirchliche Veranstaltungen gezankt: An der Talkirche werde dabei auch sonntags verkauft, sagte Torsten Schoew (FDP). Was Martin Heilmann (Grüne) zur Erläuterung veranlasste, dass das ehrenamtlich geschieht, „ich mache das freiwillig!“ Jede Erosion an sozialen Errungenschaften wie dem arbeitsfreien Sonntag, die man zulasse, könne man nicht mehr rückgängig machen.