Netphen. Aufregung im Rathaus: Wie kommt ein Satz ins Protokoll – und wieder aus? Und was tun mit einem Protokoll, das nicht unterschrieben wird?

Alfred Oehm macht im Stadtentwicklungsausschuss das Fass auf, das die Beteiligten so gern verschlossen gehalten hätten. Um es vorwegzunehmen: Es geht jetzt um sehr kleines Klein-Klein, das aber immerhin die Kommunalaufsicht, eine Anwaltskanzlei und verschiedene direkt Betroffene über Tage beschäftigt hat – und am Ende dieser Geschichte wird widerlegt, dass es zu irgendeiner Art von neuer Harmonie in der Netphener Kommunalpolitik gekommen wäre.

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Wie jemand ein Fass aufmacht

Zu dem Routine-Tagesordnungspunkt „Niederschrift“ sagt in der Regel niemand etwas, allenfalls wird einmal der Nachtrag eines für wichtig gehaltenen Wortbeitrags angemahnt. Das Protokoll, was an diesem Montag vorgelegt wurde, hatte aber eine Besonderheit. Statt der Unterschrift des Ausschussvorsitzenden hing ein Vermerk des Bürgermeisters an. Darin erklärt Paul Wagener, dass ein Satz im Protokoll dazu geführt habe, dass Sebastian Zimmermann (CDU) nicht unterschrieben habe: „Ausschussvorsitzender Zimmermann ließ, ohne dem Bürgermeister das Wort zu erteilen, abstimmen.“

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Es ging um den Freizeitpark an jenem 6. Februar. Die Verwaltung hatte mögliche Varianten für eine neue Nutzung des Eisstadion-Geländes vorstellen wollen. Die UWG-Fraktion wollte das nicht – warum das Thema hier und nicht im Betriebsausschuss sei, fragte Ignaz Vitt (UWG) dann nach. Und dann folgte das, was in dem beanstandeten Satz steht, der in der ursprünglichen Protokollfassung nicht gestanden habe. „Eine Unverschämtheit“, sagt Alfred Oehm, sachkundiger Bürger der CDU-Fraktion – der Bürgermeister habe ja gar nicht um das Wort gebeten. „Glatt gelogen“, kontert Ignaz Vitt (UWG).

Wie der Streit um einen Satz eskaliert

„Der Satz ist inhaltlich falsch“, sagt Sebastian Zimmermann, der auch CDU-Fraktionsvorsitzender ist, im Gespräch mit dieser Zeitung. Ob er ursprünglich auch nicht drin stand, sondern erst am Ende des Weges durch die Instanzen über Fachbereichsleiter, Beigeordneten und Bürgermeister, in die Rohfassung des Protokolls hineingeschrieben wurde? Seit Mittwoch liegt die schriftliche Erklärung der Protokollantin gegenüber dem Bürgermeister vor, der Satz sei „ohne Ihre Anweisung“ protokolliert worden.

Die Auseinandersetzung zieht Kreise. Was tun mit einem Protokoll, das nicht unterschrieben wird? Das fragt der Bürgermeister die Kommunalaufsicht bei der Kreisverwaltung und schließlich auch eine Anwaltskanzlei – zumal der Streit um den einen Satz auch im Rathaus Nerven zu kosten scheint. Eine Bedienstete hätte sich „massiv unter Druck gesetzt“ gefühlt. Und eine andere, noch neu im Rathaus und gerade am Ende der Probezeit, mache sich Sorgen um die eigene berufliche Zukunft, wenn nach der nächsten Kommunalwahl ein anderer Bürgermeister ihr Chef werde. Kurzum: Die Belegschaft wünscht, aus diesem eskalierenden Streit zwischen Bürgermeister und CDU-Fraktionschef herausgehalten zu werden. Die Kommunalaufsicht im übrigen anscheinend auch: Die Antwort auf sein Schreiben bekommt der Netphener Bürgermeister nur mündlich – Spuren werden nun nicht mehr hinterlassen.

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Warum der Bürgermeister reden muss

Bürgermeister Paul Wagener wirft schließlich die Frage auf, ob der Ausschussvorsitzende nicht sogar die Pflicht habe, das Sitzungsprotokoll zu unterschreiben. Das, so der schließlich hingezogene Rechtsanwalt in seinem Beratungsschreiben mutmaßlich achselzuckend, „erschließt sich aus dem Gesetz nicht“. Wie überhaupt aus den Regelwerken nicht hervorgehe, wie Meinungsverschiedenheiten über Protokolle zu regeln seien. Interessant wird das Schreiben aber erst danach, als es um den Inhalt des beanstandeten Satzes geht. Dass es nämlich ziemlich egal sei, ob der Bürgermeister sich zu Wort melde oder nicht: Denn der Bürgermeister sei nach NRW-Gemeindeordnung verpflichtet, sich zu äußern, wenn ein Rats- oder Ausschussmitglied das verlange. Der Ausschussvorsitzende dürfe „demgemäß verpflichtet gewesen sein, den Bürgermeister selbst dann zur Stellungnahme aufzufordern, wenn dieser sich nicht von sich aus für einen Redebeitrag gemeldet hätte“. Eine Auffassung, die nun allerdings auch umstritten ist – und in Netphen in dem Maße unbekannt, wie auch sonst Aufforderungen zu Stellungnahmen ungehört bleiben.

Ein anderes Ritual jeder Gremiensitzung ist, dass zu Beginn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der Verwaltung mit dem Protokoll beauftragt wird. Und dann danken Bürgermeister oder Ausschussvorsitzende(r) für seine/ihre Bereitschaft. Dabei macht diesen Job niemand freiwillig. Seit dem 6. Februar erst recht nicht. Die Sache mit dem Freizeitpark ist übrigens – wie längst berichtet – planmäßig über die Bühne gegangen.

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