Siegen-Wittgenstein. In vielen Familien reicht das Geld hinten und vorne nicht, gerade Kinder müssen verzichten. Dabei gibt es einen Hilfetopf, den kaum jemand kennt.

Familien mit geringem Einkommen können für kulturelle und soziale Aktivitäten ihrer Kinder Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) des Landes Nordrhein-Westfalen in Anspruch nehmen. Tatsächlich wird diese Option aber auch in Siegen-Wittgenstein weit seltener genutzt, als es möglich wäre. Ob und wie sich das ausbauen ließe, war Thema im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz des Kreises. Klar wurde dabei: Ganz einfach ist es nicht.

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Das Thema stand auf Antrag der Grünen auf der Tagesordnung. Die Fraktion verwies auf eine Entscheidung des Ausschusses aus dem vergangenen September, der zufolge dem Gremium gegenüber ein jährlicher Bericht über die Inanspruchnahme der BuT-Leistungen abzugeben sei. Außerdem erkundigten sich die Grünen nach dem Stand einer von der Kreisverwaltung angekündigten Kampagne, um mittels Information und Öffentlichkeitsarbeit das BuT bekannter zu machen und seine Nutzung zu steigern.

Siegen: Von Armut betroffenen Kindern stehen BuT-Mittel zu – doch viele wissen es nicht

In Aussicht gestellt wurden unter anderem eine Kooperation mit dem Kreissportbund und eine Broschüre in so genannter einfacher Sprache sowie eine weitere in Ukrainisch. Zufrieden, das machte Bernd Mäckeler (Grüne) in einem mehrminütigen Wortbeitrag klar, ist die Fraktion mit dem Sachstand nicht: Die Leistungen würden immer noch zu selten in Anspruch genommen, was in der Konsequenz bedeute, dass bedürftige Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu Angeboten bekämen, die für ihr soziales und kulturelles Erleben wichtige Impulse geben könnten. Beispielsweise steht Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien, sofern sie unter 18 Jahre alt sind, ein Budget von monatlich 15 Euro für Vereinsmitgliedschaften oder die Teilnahme an Kultur- und Freizeitangeboten zur Verfügung. Auch Musikunterricht gehört dazu.

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Im Jahr 2022 sind in Siegen-Wittgenstein laut Bericht in 777 Fällen Leistungen von insgesamt rund 106.000 Euro erbracht worden. Gegenüber dem Vorjahr (574 Fälle und rund 84.000 Euro) ist die Steigerung signifikant. Das liegt aber auch am pandemiebedingten Knick in 2021. Aussagekräftiger ist von daher der Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 mit 770 Fällen und etwas mehr als 74.000 Euro an Leistungen. Die Fallzahl stieg in dieser Betrachtung zwar lediglich um 0,9 Prozent, die Ausgaben aber um mehr als 30 Prozent. Dies beruhe, wie die Verwaltung in ihren Ausführungen anmerkt, unter anderem auf Neuregelungen des „Starke-Familien-Gesetzes“ ab Juli 2019.

Siegen: Nur wenige arme Familien nutzen das BuT – weil nur wenige es kennen

Der Hauptpunkt, dessentwegen der Ausschuss sich wiederholt mit dem Thema befasst, ist aber, dass (Stand September 2022) nur 18,5 Prozent der Menschen, die Anspruch auf BuT-Leistungen haben, überhaupt auf diese zugreifen. Warum das so ist, wurde im Ausschuss nicht erschöpfend geklärt. Familien, die die Mittel in Anspruch nehmen möchten, müssen dafür Anträge stellen. Die Einführung einer Art „Scheckkarte“, deren Vorlage bei einem Verein oder sonstigen Anbieter eine Teilnahme ermöglicht, hatte der Kreis im September verworfen, weil schon der Besitz einer solchen Karte die Herkunft aus einem finanziell schlechtgestellten Haushalt sichtbar machen würde – und dies könne mit Scham oder Stigmatisierung verbunden sein und deshalb die Inanspruchnahme drosseln statt fördern, so die damalige Begründung.

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Die eher niedrigen Nutzungsquoten würden nahelegen, dass die Möglichkeiten zu wenig Berechtigten bekannt seien, so die Argumentation der Grünen. Gerade mit Blick auf die vielen Geflüchteten aus der Ukraine seien hier Lösungen gefragt. Die Kreisverwaltung wies darauf hin, dass im Mai 2022 insgesamt 6000 Broschüren des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in ukrainischer Sprache beschafft und an alle Kitas und Schulen im Kreisgebiet versendet worden seien. Zudem gebe es die Broschüre auf Deutsch in „einfacher Sprache“. Im Februar 2023 seien darüber hinaus weitere Broschüren in arabischer, russischer, türkischer und tigrinischer Sprache an Schulen und Kitas verteilt worden. „Aber wir hatten keinen großen Rücklauf“, beschreibt Michael Schäfer, Leiter des Amts für Beschäftigungsförderung, die Resonanz.

Siegen: „Kreative Ideen“ sollen Unterstützung für arme Kinder bekannter machen

„Da muss man kreativer werden, als einfach nur Flyer irgendwo auszulegen“, hielt Bernd Mäckeler dagegen. Katrin Fey (Linke) äußerte sich ähnlich: Es brauche wohl „andere Möglichkeiten, um das Bildungs- und Teilhabepaket bekannter zu machen“.

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