Vormwald. Im Siebelnhof laufen die Fäden für das Greenfiber-Glasfasernetz Siegen-Wittgenstein zusammen. Hinter den Kulissen eines Geschäfts, das aufregt:

Das ehemalige Restaurant hat sich in ein technisches Büro verwandelt. Bis zu zehn Mitarbeitende haben hier ihre Bildschirme, arbeiten sich virtuell durch das Kreisgebiet, suchen Wege für Kabel, Glasfaserkabel. „Der Sie­belnhof ist jetzt die Planungszentrale für das Kreisgebiet“, erklärt Hinrich Bernzen. 4185 Adressen in Siegen-Wittgenstein bekommen ihren Hausanschluss von Greenfiber; das Unternehmen aus Lüneburg hat dafür den Auftrag vom Kreis Siegen-Wittgenstein bekommen.

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So werden 4185 Adressen bedient

Fünf „Cluster“ hat Greenfiber gebildet: Eins für Burbach, Neunkirchen und Wilnsdorf, eins für Freudenberg und Siegen, eins für Hilchenbach, Kreuztal und Erndtebrück, eins für Netphen und Bad Laasphe und eins für Bad Berleburg. „Wir sind in jedem Cluster aktiv“, sagt Greenfiber-Sprecher Hinrich Bernzen. Im vorigen Mai hat der Ausbau begonnen, „wir sind mit dem Baufortschritt zufrieden.“

An jedem Bildschirm wird an einem Cluster gearbeitet. Wo das Kabel hinmuss, ist in der Zentrale geplant worden. Hier geht’s ums Detail. Straßen, Wege, Bäche, die unterquert werden müssen, nicht zu unterschätzen die Bäche, die man gar nicht sieht, weil sie schon im Rohr liegen. Für jede Kreuzung braucht es Genehmigungen, von Straßen NRW, der Stadt, der Wasserbehörde… „Das sind Hunderte“, sagt Hinrich Bernzen. Feldwege sind da die einfachere Alternative.

Neben Ausführungsplanern und Genehmigungsplanern gehören auch Vermesser zum Team von Projektleiter Steffen Strott, die am Ende dokumentieren, dass die Tiefbaufirmen die Leitungen richtig platziert haben: Leerrohre, in die das Kabel mit Druckluft eingeblasen wird. 60 Zentimeter unter der Fahrbahndecke. Vom „Trenching“, bei dem die Fahrbahn nur 20 Zentimeter tief abgefräst wird, hält Greenfiber nichts. Hinrich Bernzen: „Sobald auf der Fahrbahn was passiert, ist das Kabel kaputt.“ Zum Schluss kommen die Techniker, die die Abzweige zu den Hausanschlüssen herstellen, am liebsten mit nur zwei Löchern in den Boden bei Start und Ziel, zwischen denen die Leitung mit einer „Erdrakete“ durchgeschossen wird. „Wie ein waagerechter Presslufthammer.“

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Mustafa Raad kommt herein. Er ist einer von zwei Projektmanagern, der dafür sorgt, dass die Glasfaserbauer auch wirklich arbeiten können. Denn um tatsächlich die 4185 Hausanschlüsse legen zu können, die mit Bundesmitteln bezahlt werden, braucht Greenfiber von jedem einzelnen die Grundstückseigentümererklärung. Die wiederum bekommt das Unternehmen nicht, indem es an den Haustüren klingelt. Nur die Städte und Gemeinden können die Haushalte persönlich anschreiben und informieren; das Unternehmen darf sich nur pauschal mit Wurfsendungen an die anonymen „Bewohner des Hauses xx-Straße 000“ wenden. „Wir vermuten, dass die Informationen nicht überall ankommen“, sagt Mustafa Raad, „die Bedingungen sind eigentlich einmalig.“ Irgendwann gibt’s den Hausanschluss dann nur noch gegen Baukostenzuschuss. „Und wenn das Projekt abgeschlossen ist, ist es vorbei“, sagt Hinrich Bernzen. 2025 ist die angestrebte Ziellinie.

Fragen und Antworten

Wer bekommt in Siegen-Wittgenstein den Glasfaserhausanschluss umsonst?

Von Greenfiber jeder, der eine der 4185 staatlich gefördertem Adressen hat oder in Bad Berleburg, Burbach oder Kreuztal wohnt. Und jeder, bei dem ein anderes Unternehmen auf eigene Rechnung baut. Zum Beispiel Westconnect/Eon oder Glasfaser Plus/Telekom, allerdings in keiner Kommune flächendeckend.

Muss man bei dem Unternehmen, das den Glasfaseranschluss legt, auch einen Internetvertrag abschließen?

Wer den staatlich geförderten Anschuss bekommt, muss das nicht. Greenfiber bietet dort einen kostenlosen Vertrag für das erste Jahr an. In Bad Berleburg, Burbach und Kreuztal, wo es eine kommunale Netzgesellschaft geben wird, sind die Haushalte für das erste Jahr an Greenfiber gebunden. Die Telekom schließt nur in Verbindung mit einem Vertrag an, Eon verzichtet in einzelnen Stadtteilen – zum Beispiel in Hilchenbach da, wo das Unternehmen mit der Telekom konkurriert.

So werden die anderen versorgt

Siegen-Wittgenstein besteht natürlich nicht nur aus den 4185 Adressen, die bisher weniger als 30 Mbit Bandbreite pro Sekunde hatten, und den 60 Schulen und 120 Gewerbegebieten, die den Glasfaseranschluss auf Staatskosten bekommen. Hinrich Bernzen kommt gerade aus dem Gespräch mit einer Stadtverwaltung, die noch zwei Dörfer versorgt bekommen möchte – die sind gerade durch alle Raster gefallen. Wieder ein paar Adressen, die nicht von der Staatsförderung erfasst wurden, aber auch für keinen anderen Anbieter mehr interessant waren.

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„Wir sehen gerade sehr exemplarisch, warum das Konzept, das wir mitgebracht haben, sehr sinnvoll ist“, sagt Hinrich Bernzen: in einer Stadt einfach nicht nur die vom Staat bezahlten, sondern alle Adressen anschließen. Und das mit einer Gesellschaft finanzieren, in der die Kommune die Mehrheit hält. Bad Berleburg, Burbach und Kreuztal werden die Städte und Gemeinden sein, in der kein Haushalt ohne Anschluss bleiben muss. „Glasfaser ist wie Wasser“, sagt Hinrich Bernzen – und die Wasserleitung gehört schließlich auch den Stadtwerken und nicht einer Privatfirma. Noch sei die Tür auch für die anderen acht Kommunen nicht zugefallen: „Wir sind weiter bereit, gemeinschaftlich flächendeckende Konzepte zu erarbeiten.“ In Großbritannien bekomme inzwischen keine Baugenehmigung mehr, wer nicht direkt den Glasfaseranschluss miteinplant.

Und so kann’s auch gehen

Zu den Kommunen, die sich anders entschieden haben, gehört die Stadt Hilchenbach – wohl auch, um den eigenen Kapitaleinsatz zu sparen. Kreuztal steckt gerade 1,6 Millionen Euro in die eigene Glasfasernetzgesellschaft, die Gemeinde Burbach beziffert den Investitionsbedarf auf 12,7 Millionen Euro, von denen sie 74,9 Prozent finanzieren wird. In Hilchenbach entwickelt sich inzwischen ein vielfältiges Miteinander mehrerer Anbieter, das nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Kommunalpolitik für Verwirrung sorgt: In einer umfangreichen Pressemitteilung stellt die Verwaltung gerade klar, wer wo zu welchen Konditionen baut – und eine Bürgerinitiative, wo nicht: „Pro Glasfaser – Breitband für Hel­berhausen“ berichtet, dass „fehlgesteuerte“ Telekom-Werbung im Stadtteil verteilt wurde; das bundeseigene Unternehmen hat aber nur Alt-Hilchenbach, Hadem und Dahlbruch im Angebot.

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Solche Konkurrenz werde dazu führen, dass sich für die letzten Adressen überhaupt kein Anbieter mehr finde, sagt Greenfiber-Mann Hinrich Bernzen voraus, der auch die Entwicklung in Netphen beobachtet. Dort hat sich die Stadt mit Glasfaser Direkt verbunden; nach dem Rückzug eines amerikanischen Finanzinvestors hat das Unternehmen gerade Insolvenz beantragt. „Wenn das Windhundverfahren eröffnet ist, wird es Bereiche geben, die hinten runter fallen. Das hätten die Kommunen voraussehen können.“

Möglich geworden sei das durch die Förderprogramme des Staates, die immer dort gegriffen haben, wo vorher „Marktversagen“ nachgewiesen wurde – also kein Unternehmen auf eigene Rechnung bauen wollte. Dieselben Orte, in denen jetzt die Konkurrenten um die Wette Glasfaser in die Straßen graben. Was auch dazu führt, dass Straßen mehrfach aufgerissen werden, weil die Konkurrenten oft nicht – obwohl sie es technisch könnten – dieselben Leitungen benutzen wollen (oder dürfen). „Auf einmal ist sehr viel Geld auf dem Markt“, stellt Hinrich Bernzen fest. Und vergleicht das mit dem Wilden Westen. Im friedlichen Vormwald.

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