Siegen. Siegener Senioren sollen von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren. Mit allen Fragen und Problemen können sie sich an „Grüne Alte“ wenden

Ohne Digitalisierung, ohne Internet und Smartphone funktioniert immer weniger; die Gesellschaft wird immer digitaler. Wer da nicht mithält, droht abgehängt zu werden. In besonderem Maße betrifft das ältere Menschen – nicht weil sie nicht wollen, sondern vielfach, weil sie als (große) Zielgruppe nicht bedacht werden. Hier will das Projekt „Grüne Alte“ ansetzen: Seniorinnen und Senioren fit machen fürs Digitale Zeitalter; ihnen bei allen Problemen rund ums Handy helfen, und seien sie noch so banal.

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Denn für viele Ältere gebe es in Sachen Internet große Hemmschwellen, sie würden sich oft aus Angst vor einer Blamage gar nicht trauen zu fragen, sagt Helmut Sova. Er ist Sprecher des Arbeitsforums, aus dem das Projekt Grüne Alte in Siegen entstanden ist. Eigentlich, erläutert er, handelt es sich dabei um eine Parteigliederung der Grünen, gewissermaßen als Gegenentwurf zur Grünen Jugend, um älteren Mitgliedern Einfluss zu sichern. Darum soll es in Siegen ausdrücklich nicht gehen: Zwar ist das Projekt bei den Grünen angedockt, viele der Ehrenamtlichen seien aber gar nicht in der Partei.

Ohne Internet können Senioren weniger am gesellschaftlichen Leben teilhaben

Zentrale Frage: „Wir können wir Senioren dabei helfen, an den Vorteilen der Digitalisierung teilzuhaben?“ Denn die gibt es zweifellos, auch und gerade für alte Menschen: Immer weniger Bankschalter, immer mehr Telemedizin, Supermarkt-Lieferdienste oder Bürgerservice, die zunehmend online funktionieren – und Lebensqualität erheblich steigern können. „Senioren müssen sich in der digitalen Welt bewegen und selbst agieren, sonst können sie weniger autark leben und weniger am gesellschaftlichen Leben teilhaben.“ Sova erzählt von seiner hochbetagten Mutter in Bayern, die er gern per Tablet daran hätte teilhaben lassen, wie ihre Urenkelin aufwächst. „Daran hätte sie sicher Spaß gehabt“, meint Sova. Die Bedienung des Geräts indes, für Jüngere völlig selbstverständlich, ist genau das für viele Ältere nicht. „Man drückt auch mal was falsch“, sagt Sova. „Hätte meine Mutter eine Sorgegemeinschaft gehabt, hätten die ihr helfen können.“

Projektteam „Grüne Alte“ in Siegen (von links): Susanne Bald, Helmut Sova, Marianne Knappstein, Dennis Kirschsieper und Bernd Mäckeler.
Projektteam „Grüne Alte“ in Siegen (von links): Susanne Bald, Helmut Sova, Marianne Knappstein, Dennis Kirschsieper und Bernd Mäckeler. © Hendrik Schulz

Solche Sorgegemeinschaften (englisch „Caring Community“) sollen nun auch in Siegen entstehen, mit Unterstützung der Uni Siegen. Prof. Claudia Müller, Lehrstuhl IT für die Alternde Gesellschaft, hat mit ihrem Team bereits in der Schweiz ein ähnliches Projekt betreut. Aus der Bevölkerung heraus, so das Ziel, sollen sich Gemeinschaften bilden, die sich gegenseitig bei Problemen helfen – in Siegen: Die, die sich mit Internet und Co auskennen, unterstützen die, die damit noch unsicher sind, bauen Basiswissen auf und Barrieren ab. Die Forschenden tragen zur Vernetzung bei, unterstützen durch Praxiserfahrung – und betreiben bei der Gelegenheit weiter Feldforschung, sagt Dennis Kirschsieper, Sozialwissenschaftler an Prof. Müllers Lehrstuhl.

„Man muss auch mal jemanden fragen können: ‘Ich habe das Internet kaputtgemacht’“

„Grüne Alte“ will diese Gemeinschaften anschieben, als erste Anlaufstelle dienen, Probleme „einsammeln“ und dann Experten genau für diese Probleme finden. Ganz unkompliziert und niedrigschwellig soll das sein, betont Susanne Bald, Kriminalpolizistin und neben Helmut Sova Sprecherin des Arbeitsforums: „Man muss auch mal irgendwo hingehen können und sagen: Ich habe das Internet kaputtgemacht.“ So etwas gebe es bislang kaum, sagt die Ehrenamtliche Marianne Knappstein, die kein Grünen-Mitglied ist, den großen Bedarf bei Älteren sieht: „Der Bedarf ist schon lange erkannt, es wird aber nicht umgesetzt.“ Ein allgemeiner Kurs helfe nicht, „wenn ich ein ganz individuelles Problem habe.“ Gerade im Bereich Gesundheit sei es für eine Person allein unfassbar kompliziert ohne Hilfe – einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit stellen, zum Beispiel.

Bernd Mäckeler, ebenfalls Gründungsmitglied, erklärt das Vorgehen: Samstag, 25. Februar, fällt der Startschuss für das Projekt in der Geschäftsstelle der Grünen an der Löhrstraße 12 in Siegen. Von 10 bis 14 Uhr sind die Ehrenamtlichen vor Ort und sammeln Probleme ein, Susanne Bald ist zudem unter der „Hotline“ zu erreichen: 0271/38750666. Rund 20 Personen aller Altersgruppen stellen sich für den Anfang im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Verfügung, mit ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrer Ausrüstung. „Wir wissen ja gar nicht, welche Probleme kommen“, sagt Mäckeler. „Wir können als ‘analoge Vermittler’ nicht alles lösen. Aber wir haben eine Idee, wer es lösen kann.“ Zum Netzwerk gehören unter anderem neben der Uni der Paritätische Wohlfahrtsverband, AlterAktiv, die Frauenhilfe.

„Grüne Alte“: Erfahren, wo den Siegener Senioren in Sachen Internet der Schuh drückt

Sie möchten das Rad nicht neu erfinden, betont Mäckeler, und auch nicht protzen, wer’s zuerst gemacht hat – „wenn’s in einem Jahr der Kreis macht ist doch super.“ Es gehe ihnen mit den Aktionen in der Geschäftsstelle und am Telefon, die regelmäßig stattfinden sollen, darum, Bedarfe und Defizite zu ermitteln, zu erfahren, wo den Menschen der Schuh drückt. „Erstmal ins Gespräch kommen: Wo klemmt’s?“, sagt Mäckeler. Das können am Anfang auch ganz andere Anliegen sein, vermutet Susanne Bald, Einsamkeit oder Mangelversorgung zum Beispiel – und auch solche Menschen werden sie nicht wegschicken und ein offenes Ohr haben. „Es geht auch um Zuspruch.“ Kernthema indes soll Digitalisierung sein.

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Weitere Ehrenamtliche, Menschen die anderen rund um Digitalisierung helfen können, sind ebenfalls gern gesehen: und via www.gruene-siegen-wittgenstein.de/gruene-alte/.