Netphen. Jüdisch oder nicht? Aus der gerade so benannten Ruth-Faber-Sekundarschule soll die Anita-Ruth-Faber-Sekundarschule werden.
Der Widerspruch wird doch gehört: Ein halbes Jahr nach der Benennung der Ruth-Faber-Sekundarschule befasst sich der Schulausschuss am Mittwoch, 8. Februar, auf Antrag von CDU, SPD, Grünen und FDP noch einmal mit dem Namen. Gefordert wird nun der Name „Anita-Ruth-Faber-Sekundarschule“.
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Zu ihrem zehnjährigen Bestehen hatte die Sekundarschule einen Wettbewerb für einen Schulnamen ausgerufen. Die Entscheidung fiel für eine Erinnerung an das 14-jährige jüdische Mädchen, das schon oft Thema im Unterricht war – die Schule pflegt die Stolpersteine für die im Konzentrationslager ermordete Familie, hat sich an einer Ausstellung im Heimatmuseum beteiligt und auch am 27. Januar Blumen am Gedenkstein auf dem Petersplatz niedergelegt. Überrascht hatte dann allerdings die Entscheidung für eine „Ruth-Faber-Sekundarschule“ – das Mädchen war als Anita Faber bekannt, und an Anita gerichtet waren auch die Einträge der Schulfreundinnen in ihr Poesiealbum, bevor sie 1938 die Netphener Volksschule verlassen und in ein israelitisches Kinderheim nach Köln übersiedeln musste.
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Kein jüdischer Rufname: „Anita“ sollte sein wie alle anderen
Die Vornamen „Anita Ruth“ werden am 7. Juli 1927 vom Netphener Standesbeamten beurkundet, 1939 kommt „Sara“ hinzu, diesen Vornamen hat das nationalsozialistische Regime allen Jüdinnen aufgezwungen. „Die Entscheidung für einen definitiv nichtjüdischen künftigen Rufnamen ist zeittypisch“, sagte der früher in Siegen tätige Historiker Dr. Ulrich Opfermann: „Anita“ sollte deutlich machen, dass sie ein Mädchen wie alle anderen ist. Mit der Reduzierung auf „Ruth“, so Opfermann in einem Facebook-Kommentar, werde der Name „zionistisch eingefärbt“.
Fast alle Schulen brauchen mehr Platz
Investitionen in Höhe von mehr als neun Millionen Euro hält der neue Schulentwicklungsplan für die Schulen in Netphen – bis auf Deuz – erforderlich. „Hohen Handlungsbedarf“ sehen die Gutachter für das Gymnasiums, das zeitweilig auch fünfzügige Jahrgänge haben wird – der Erweiterungsbau wird vorbereitet. Platz braucht die Grundschule Netphen, wobei keine Aussage zu einer Zusammenlegung der Standorte gemacht wird. In Dreis-Tiefenbach fehlen Inklusions- und Betreuungsräume.
Die Grundschule Hainchen hätte genug Schüler für zwei Klassen je Jahrgang. Der Platz reicht, wenn sie auf insgesamt sechs Klassen „gedeckelt“ wird. „Ohne hohe Dringlichkeit“ wird eine Erweiterung auch der künftig mindestens dreizügigen Sekundarschule empfohlen.
Auf dem 2012 verlegten Stolperstein in der Lahnstraße ist die Reihenfolge der Vornamen vertauscht: „Ruth Anita“ steht darauf. Denselben Fehler beging – und berichtigte – das Aktive Museum Südwestfalen in seinem „Aktiven Gedenkbuch“. Der Netphener Joe Mertens, engagiert in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes-Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), bemühte sich zunächst vergebens, die Schule davon abzubringen, den womöglich jüdischer klingenden Vornamen zu verwenden. Auch Bürgermeister Paul Wagener winkte ab: „Eine Diskussion über zwei Vornamen (sollte) … nicht das freudige Ereignis der Würdigung überschatten.“
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Rat soll das letzte Wort haben
Die Bezirksregierung hat den neuen Schulnamen zum 1. Oktober 2022 genehmigt. Ihr hatte die Netphener Verwaltung mitgeteilt, Schule und Schulausschuss hätten dem Schulnamen zugestimmt. Das bestreiten die vier Fraktionen nun: Der Schulausschuss habe am 7. September Unterstützung „vorbehaltlich des Votums der Schulkonferenz“ erklärt, die am selben Tag tagte. Tatsächlich, so die Fraktionen in ihrem Antrag, sei, weil nichts anderes geregelt sei, der Rat für den Schulnamen zuständig. Dem könne der Schulausschuss eine Empfehlung geben. Die Entscheidung würde dann am Donnerstag, 16. Februar, fallen. „Ausweislich der Geburtsurkunde der zu ehrenden Person (als Anlage anbei ) ist der korrekte Name ‘Anita Ruth Faber’’“.
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