Kreuztal. Die Städte und Gemeinden sind ab 1. Februar bei der Planung von Windkraftgebieten außen vor. Waldbesitzer können den Kindelsberg noch retten.

Die Chancen der Stadt Kreuztal, Windräder auf dem Kindelsberg zu verhindern, gehen gegen Null. Mit dem 1. Februar treten Gesetze in Kraft, die den Städten und Gemeinden und den Kreisen die Befugnisse zur Planung und Genehmigung von Windkraftzonen entziehen. Verhindern können unerwünschte Anlagen dann nur noch die Grundstückseigentümer – indem sie ihre Flächen nicht zur Verfügung stellen.

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Im Infrastrukturausschuss stellte Rechtsanwalt Thomas Tyczewski von der Anwaltskanzlei Wolter und Hoppenberg, von der sich die Stadt Kreuztal beraten lässt, das ab Februar „völlig geänderte Rechtssystem“ vor, das die neue Bundes- und die neue Landesregierung installieren. Windenergiezonen werden danach künftig nicht mehr von den Städten und Gemeinden, sondern vom Regionalrat bei der Bezirksregierung festgesetzt. Und die Genehmigungen für die einzelnen Anlagen erteilt nicht mehr die Kreisverwaltung, sondern die Bezirksregierung.

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Das war bisher: Alle in der Sackgasse

„Immer umfassender und immer schwieriger“ sei die Windkraftplanung geworden, erinnerte der Jurist. Auf der einen Seite erarbeiteten die Kommunen Flächennutzungspläne mit Windkraft-Konzentrationszonen, die bewirken sollten, dass nur dort und nirgendwo sonst im Stadtgebiet Windräder aufgestellt werden. Auf der anderen Seite verlangten Gerichte, für die Windkraft „substanziellen Raum“ zur Verfügung zu stellen – was die Kommunen in der Regel vermieden haben. „Kein einziger Flächennutzungsplan hat den Segen des Gerichts gefunden.“ In der Folge haben die meisten Kommunen ihre Planungen aufgegeben oder auf Eis gelegt. „Das alte System ist in der Sackgasse gelandet“, sagte Thomas Tyczewski, „es ging für niemanden mehr weiter.“

Das gilt jetzt: Bürger und Kommunen sollen mitverdienen

Was vor der „Zeitenwende“ im letzten Februar hingenommen wurde, wird in Zeiten abgedrehter Gasleitungen aus Russland brenzlig. „Versorgungssicherheit ist nun ein sehr starkes Argument“, sagte Thomas Tyczewski. Wenn bei Planungen künftig Artenschutz und Landschaftsbild gegen Anlagen für erneuerbare Energien abgewogen werden, sind Windräder & Co als „vorrangiger Belang“ zu bewerten.

Bauverbote in Landschaftsschutzgebieten, die bisher zunächst von Naturschutzbeiräten und -behörden aufgehoben werden mussten, gelten für Windkraftanlagen nicht mehr.

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Für Nordrhein-Westfalen ist festgelegt, dass bis 2027 1,1 Prozent, bis 2032 1,8 Prozent der Landesfläche Windenergieflächen sein sollen. Wie die auf die einzelnen Kreise verteilt werden, bestimmt der Landesentwicklungsplan und der darauf aufbauende Regionalplan.

Nach dem Borkenkäferbefall brachgefallene Waldgebiete sind für Windparks nicht mehr tabu, für Windräder in Windenergiezonen muss der 1000-Meter-Abstand zur Wohnbebauung nicht mehr eingehalten werden.

Investoren soll vorgegeben werden, einen festgelegten Prozentsatz ihrer Gesellschaftsanteile an der jeweiligen lokalen Wind-GmbH Kommunen und Bürgern anzubieten – in Mecklenburg-Vorpommern 20 Prozent. „Das ist ein Riesenvorteil für die Kommunen“, sagte Thomas Tyczewski.

Das sagt Kreuztal: Waldbesitzer zwischen den Stühlen

Grundsätzlich aber, so der Jurist, „sind die Kommunen außen vor.“ Nur bei der Aufstellung des Regionalplans könne die Stadt noch Stellung nehmen. Erfahrungsgemäß, so Jochen Schreiber (SPD), würden Kreuztaler Einwände in Arnsberg jedoch „überwiegend nicht zur Kenntnis genommen“. Wiederholt hatte die Bezirksregierung Planungen mit Windkraft-Vorrangzonen im nördlichen Stadtgebiet und damit auch rund um den Kindelsberg ins Verfahren geschickt. Auch der aktuelle Entwurf für einen neuen Regionalplan ist an der Vielzahl der Widersprüche aus den Städten und Gemeinden stecken geblieben.

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Das wird nun nicht mehr passieren. „Sie können keine Räume mehr frei halten“, machte Thomas Tyczewski den Kreuztalern klar – allenfalls noch welche hinzufügen. „Erhebliche Sorgen“ äußerte Arne Siebel (CDU) für den Wald. Die Kalamitätsflächen böten eine Chance, neue naturnahe Waldflächen zu erzeugen. Nun könnte der Ertrag aus Pachteinnahmen von Windpark-Betreibern locken. „Man wird als Waldbesitzer zwischen die Stühle gesetzt.“ Wolfgang Braukmann (SPD) machte darauf aufmerksam, dass nach dem Bundeswald- und dem Landesforstgesetz nach wie vor Genehmigungen erforderlich sind, wenn Wald „umgewandelt“ werden soll. Thomas Tyczewski berichtete allerdings, dass der Landesbetrieb Wald und Holz da nicht blockieren werde. „Die Sperren sind nicht mehr da.“

Schwarzstorch bremst Kreuztaler Planung aus

Stadtplanerin Petra Kramer erinnerte an den 2016 begonnenen Versuch einer Windkraftzonenplanung. „Es gab wenig Widerspruch.“ Allerdings zeichnete sich im Laufe der Jahre ab, dass die Planung immer wieder an geänderte Gesetze und neue Vorgaben der Gerichte angepasst werden musste. „In letzter Minute wurde dann ein Schwarzstorchhorst gefunden.“ Der bedingt einen Drei-Kilometer-Abstand zu Windrädern. „Wir wären niemals in der Lage gewesen, substanziellen Raum auszuweisen“, erklärte sie, warum das Verfahren nun wohl für immer auf Eis liegt. Denn die letzte Frist, doch noch eine kommunaler Planung in Kraft zu setzen, endet im nächsten Jahr: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir das bis dahin noch hinkriegen.“

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„Es gab immer wieder mal Anfragen“, antwortete Stadtbaurätin Christina Eckstein auf die Frage nach Interesse an Standorten in Kreuztal. Das werde sich mit den neuen rechtlichen Voraussetzungen verstärken: „Ich gehe davon aus, dass mit Anfragen zu rechnen sein wird.“

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