Hilchenbach. Die Tabus für die Planung sind weg. Jetzt kommen Standorte ins Spiel, an die die Stadt Hilchenbach vorher nie gedacht hat.

Der Wald, der fürs ganze Menschenleben reichen sollte, ist weg. „Wir mussten überlegen, was wir tun“, sagt Rainer Wagener, der Vorsteher der Waldgenossenschaft Oechelhausen. Da, wo Dürre und Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet haben, ist viel Platz für neue Bäume. Sicher, sagt der Waldvorsteher, der auch an diesem Nachmittag zum Pflanzen rausgeht. An drei Standorten aber, alle unterhalb der B 62 im Bereich der Applauskurve gelegen, sollen Windräder aufgestellt werden. Zum einen ein Ersatz für entgangenes Einkommen aus der Holzwirtschaft, zum anderen aber auch eine Notwendigkeit im Zeichen der Gas-Krise: „Wir müssen doch alle Energie erzeugen.“ Der Investor, mit dem die Waldgenossenschaft einen Vertrag abgeschlossen hat, rechne damit, dass die Rotoren sich in fünf Jahren drehen können.

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Stadt wollte konzentrieren

„Es zieht tatsächlich mal wieder neuer Wind auf“, sagte Baudezernent Michael Kleber im Stadtentwicklungsausschuss, als er über die sich verändernden Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien berichtete: 2024 soll der neue Landesentwicklungsplan stehen, der vorgeben wird, welche Region wie viel Fläche zur Erzeugung erneuerbarer Energien bereitstellen muss. Die Bezirksregierung wird die Flächen im Regionalplan ausweisen – wieder einmal, diesmal aber wohl durchsetzbar. Anders als bei den letzen beiden Anläufen 2017 und 2021 werden die Städte und Gemeinden wenig dazu zu sagen haben, und auch die Kreisverwaltung soll außen bleiben. Die Windräder werden künftig direkt von der Bezirksregierung genehmigt. Die Vorgabe von mindestens 1500 Metern Abstand zwischen Windrad und Wohnbebauung entfällt, Windräder dürfen künftig auch auf Waldflächen gebaut werden.

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Beim bereits seit über zehn Jahren geplanten Rothaarwind-Projekt für sieben neue Anlagen neben dem vorhandenen Lümke-Windpark wird es nicht bleiben. „Man kann erwarten, dass darüber hinaus neue Sachen kommen. Ich hoffe, dass wir gewisse Schnittmengen zu unseren eigenen Vorstellungen wiederfinden“, sagte Michael Kleber.

Photovoltaik auf auf dem Marktplatz

Die Stadt Hilchenbach wird ihre Gestaltungssatzung für die Innenstadt ändern und damit Photovoltaikanlagen auch auf den Häusern am Marktplatz ermöglichen. Das hat der Rat auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossen.

„Wir haben auch die große Dachfläche des Rathauses“, sagte André Jung (CDU), und Baudezernent Michael Kleber verwies auf das gegenüberliegende Wohn- und Geschäftshaus am Beginn der Unterzeche. „Möglichkeiten gäbe es da schon.“ „Die größte Hürde“, so der Baudezernent weiter, „ist das Denkmalrecht.“ Das Gesetz allerdings wurde zum 1. Juni geändert; seitdem haben die Städte und Gemeinden größere Entscheidungsspielräume. Auf der Südseite des Marktes mit den denkmalgeschützten Fachwerkhäusern dürften die Erlaubnisse allerdings schwerer zu bekommen sei als auf der Nordseite.

Letztlich, so Ernst Heinrich Hofmann (FDP), sei ein Solarmodul „nicht anders zu bewerten als eine graue Betonpfanne“. Michael Stötzel (SPD) sprach für generelles „Umdenken“ aus. Ernst Heinrich Hofmann (FDP): „Das gilt dann aber auch für jedes Windrad. “

In den letzten Jahren hatte Hilchenbach sich durchaus einfallsreich bemüht, dass Interesse von Investoren auf die nordöstliche Stadtgrenze zu konzentrieren. Vier Windkraft-Konzentrationszonen (Wollberg/Buchenhain, Klarstein, Elberndorfer Winterseite und Lümke) wurden 2017 ausgewählt und durch die Definition von „Ausschlusskriterien“ alternativlos gemacht: Mit dem Verweis auf den Altbergbau wurde – mit Unterstützung der Archäologie des Landschaftsverbandes – der Bereich nördlich von Müsen zur Windkraft-Tabuzone erklärt, auch ganz im Sinne der Stadt Kreuztal, die kein Interesse an einem bis zum Kindelsberg reichenden Kreuztal-Hilchenbacher Windparkgebiet hatte. Das „Tabu“ überstand auch den neuen Anlauf 2021, als das Gebiet von der Bezirksregierung erneut vorgeschlagen wurde – auch dieser Regionalplan-Entwurf liegt inzwischen wegen der Vielzahl der Einsprüche auf Eis.

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Es gibt kein Tabu mehr

Oechelhausens Ortsvorsteher Matthias Schmidt erkundigte sich nach einem anderen Hilchenbacher „Tabu“-Kriterium: den Mindestabstand von 200 Metern zu klassifizierten Straßen und Bahnstrecken, der die Oechelhausener Pläne vereiteln würde. Baudezernent Michael Kleber beruhigte: „Es gibt keine kommunale Planung mehr.“ Das Verfahren für die Vorrangzonen wurde 2019 eingestellt, die vorhandene Vorrangzone auf der Lümke ist wegen des Wasserschutzgebietes für die Breitenbachtalsperre und der zu geringen Größe nichtig. Damit ist das ganze Stadtgebiet wieder für den Aufbau von Windrädern freigegeben. Wobei, wie Michael Kleber einräumt, die jetzt von Oechelhausen gewählten drei Einzelstandorte bei der früheren städtischen Planung „nie in der engeren Betrachtung“ gewesen seien. Wahrscheinlich, weil die Mindestgröße eines Windparks mit drei Anlagen nicht erreicht wurde – noch so ein Hilchenbacher Tabu-Kriterium, das gerade Geschichte wird.

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