Siegen. Der Streit innerhalb der AfD wird im Rat auf offener Bühne ausgetragen. Ob die AfS-Abspaltung das übersteht, wird nun rechtlich geprüft.

Wenn Bürgermeister Steffen Mues im Rat einen Tagesordnungspunkt aufruft und der Ruf „Vorlage!“ zurückschallt, dann meint das: Das Thema ist in den Ausschüssen behandelt, niemand will mehr darüber sprechen, alle wollen sofort der Beschlussempfehlung der Verwaltung folgen. Mit Anträgen, die Fraktionen im Rat stellen, macht man solchen kurzen Prozess gemeinhin nicht: Zumindest soll die Fraktion die Möglichkeit bekommen, ihren Antrag zu begründen – abgesehen davon gibt es außer dem Antrag ja gar keine Beschlussempfehlung, die einfach abzunicken wäre. Als es jetzt um den Zwist zwischen AfD und AfS ging, war das aber ganz anders.

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Große Mehrheit für Überprüfung der AfS-Fraktionsbildung

Auf der Tagesordnung stand der Antrag der Volt-Fraktion, die Rechtmäßigkeit der AfS-Fraktion zu prüfen. Roland Steffe war ursprünglich für die AfD in den Rat gewählt worden, Barbara Dylong gerade über die AfD-Liste nachgerückt, nachdem Klaus Zöller sein Mandat zurückgegeben hatte. Beide formierten sich zur neuen Fraktion „Alternative für Siegen“. Die unterscheide sich aber politisch nicht von der AfD, zumal beide Stadtverordnete nach wie vor führende Positionen im AfD-Kreisverband bekleiden, so Volt. Sollte die AfS Bestand haben, würde nach dem für die Berechnung der Ausschusssitze angewendeten Hare-Niemeyer-Verfahren jeweils ein Sitz zwischen AfS und der gleich starken Volt-Fraktion ausgelost. Diese Auslosung nahm der Rat noch in derselben Sitzung vor: Vier Sitze fielen an Volt, sieben – darunter der wichtige Hauptausschuss – an die AfS.

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„Vorlage“ rief jemand, und Bürgermeister Steffen Mues ließ abstimmen: Bei zwei Gegenstimmen der AfS votierte die große Mehrheit für die beantragte Überprüfung, 16 Stadtverordnete enthielten sich der Stimme. „Wir wollten uns zu Wort melden“, protestierte Roland Steffe (AfS). Dann hätte er das deutlich tun sollen, erwiderte der Bürgermeister: „Ich übersehe niemanden.“

AfD: Ausschluss Roland Steffes „konsequenter und notwendiger Schritt“

AfD-Fraktionschef Michael Schwarzer signalisiert in seinem vorbereiteten – und nicht gehaltenen – Redebeitrag die Unterstützung des Volt-Antrags „in vollem Umfang“. Die AfD-Fraktion stehe für „wertkonservative, liberale und zukunftsorientierte Politik“, „jegliche Formen von Extremismus, Xenophobie, Rassismus oder Antisemitismus lehnen wir entschieden ab.“ Wer diese Grundsätze nicht mittrage, werde „von uns politisch bekämpft“. „Der Ausschluss Roland Steffes aus unserer Fraktion war für uns daher nichts weiter als ein konsequenter und notwendiger Schritt. (...) Aus den gleichen Gründen hätten wir uns äußerst schwer getan, die für den ausgeschiedenen Klaus Zöller nachrückende Barbara Dylong in die Fraktion aufzunehmen.“ Es sei „klarer Rechtsmissbrauch“, Politik für eine Partei machen zu wollen, die bereits durch eine Fraktion vertreten sei. Sie müssten die AfD verlassen. Ein „entsprechendes Verfahren“ im Landesvorstand der AfD NRW sei „noch anhängig“.

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Dass eine Partei die Aktivität von Mitgliedern in konkurrierenden Fraktionen überhaupt duldet, ist allerdings ungewöhnlich. SPD und CDU, die in der Regel in Siegen-Wittgensteiner Räten am häufigsten von Fraktionsaus- und übertritten betroffen sind, setzen den Parteiausschluss der jeweiligen Mitglieder durch, sofern diese nicht, wie bisher in den meisten Fällen, von sich aus ihre Mitgliedschaft kündigen.

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AfS wirft Volt „Wichtigtuerei“ vor: Drei Mal so teuer

Barbara Dylong (AfS) wirft Volt in einem ebenfalls vorbereiteten – und nicht gehaltenen – Redebeitrag „Wichtigtuerei“ hervor. Den Hinweis, dass sie und Steffe dem Kreisvorstand der AfD, Steffe auch der AfD-Kreistagsfraktion angehören, weist sie zurück: „Von hohen Parteiämtern sind wir weit entfernt.“ Der Volt-Fraktion hält sie vor, selbst jährlich 65.000 bis 70.000 Euro Kosten für Aufwandsentschädigungen, den Einsatz sachkundiger Bürger und Fraktionsarbeit zu verursachen: „...mehr als das Dreifache der AfS-Fraktion“ – der allerdings der Einsatz sachkundiger Bürger in den Ausschüssen bisher verwehrt war.

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