Hilchenbach. Uwe Limper sieht die Trends: Das Fahrrad der Zukunft hat ein Akku – und keine Stange. Sein Radladen wird immer größer.

Eigentlich hatte Uwe Limper nur einen Ausgleich für den Feierabend gesucht, als er, der gelernte Kfz-Mechaniker, aus dem Bauhof ins Büro, in die Ordnungsbehörde, versetzt wurde. Am 1. Juli 2018 eröffnete er einen kleinen Fahrradladen in der Bruchstraße – sein Kollege Albert Kaufmann, der sein Geschäft inzwischen aufgegeben hat, hatte ihm Mut gemacht. In der Bruchstraße wurde es bald zu eng, trotz zusätzlichem Ausstellungsraum in der Gerbergasse, wo gerade das Café Herzstück entsteht. „Hirad“, der Hilchenbacher Radladen, zog ins Oberdeck des Gerberparks und wechselte auch dort noch einmal. Jetzt hat er 650 Quadratmeter in bester Lage: Uwe Limper hat sich im ehemaligen, seit zehn Jahren leer stehenden Schlecker-Markt eingerichtet.

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So wächst das Team

Allein ist er schon lange nicht mehr. Ehefrau Brigitte, bei der Stadt im Bauamt beschäftigt, erledigt die Büroarbeit. Tochter Iris, gelernte Kauffrau, hat einen festen Job hier, ihr Partner Rouven Wendt jobbt in der Werkstatt mit. Tochter Claudia ist eigentlich Zahnärztin, „ist aber immer für uns da“, freut sich der Vater. Partner Nico Hilbig kommt aus der ersten Generation des Dirt-Bike-Parks am Mühlenweg und weiß in Sachen Downhill besonders gut Bescheid. „Etwas Besseres kann gar nicht passieren“, sagt Uwe Limper, als er sein Familien-Team vorstellt. Er selbst geht jetzt in Altersteilzeit, dann ist er nur noch halb bei der Stadt, und der Fahrradladen kann auch mittwochs aufmachen. Das war sonst der Werkstatttag. „Dienstags komme ich manchmal noch nicht einmal dazu, einen Platten zu flicken.“ Fahrradfahren hat Hochkonjunktur.

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Das brauchen Radfahrer

In den nun fast fünf Jahren hat das Team jede Menge dazugelernt, Seminare und Fortbildungen absolviert. „Fahrrad ist nicht wirklich schwierig“, sagt Uwe Limper, der Auto gelernt hat und das Rennrad als Sportgerät im Jahr um die 5000 Kilometer weit tritt, zwar immer noch. Aber eigentlich stimmt das nicht: Bei den E-Bikes fordern Bordcomputer, Akkus und Drive-Unit Aufmerksamkeit. In der Werkstatt steht ein Computer, um Fehlerspeicher auszulesen. Vor allem aber: Die Kundschaft braucht Zuwendung. „Das Wichtigste ist, dass die Leute sich auf dem Rad wohl fühlen.“ Das richtige Sitzen ist dafür eine Voraussetzung. Und die richtige Einstellung, bei der Gewicht und Größe von Fahrerin und Fahrer eine Rolle spielen: Vom Luftdruck im Reifen über die Einstellung von Schaltung, Federung und Lenkerhöhe bis zur Wahl des Sattels gibt es viele Variablen, die Radfahren angenehm machen können. „Dann erleben die Leute erst mal, was ihr Fahrrad kann.“

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Das ist die Fahrrad-Auswahl

Das „Fully“ ist der Hit, das Mountain-Bike, das vorn und hinten gefedert ist. Wenn es wirklich das ist, was der Kunde will. Uwe Limper kann auch ein Mountain-Bike mit einer Federsattelstütze versehen. Hat denselben Effekt, kostet aber nicht ein paar Monate Lieferzeit. „In Wirklichkeit wollen die meisten ein Gravelbike.“ Das ist ein Rennrad mit Mountain-Bike-Qualitäten. Die Vielfalt ist riesig – und Uwe Limpers handwerkliche Phantasie ebenfalls: „Das habe ich gerade auf Cross upgegradet“, zeigt er auf ein Trekkingrad, das er dem Mountain-Bike ein Stück nähergebracht hat. 60 Prozent Mountain-Bikes und je 20 Prozent Fullys oder Trekkingräder – so verteilt sich der Verkauf in Hilchenbach. Man sollte einfach sagen, was man mit dem Fahrrad machen will. Zur Arbeit jedenfalls fährt sich’s mit Schutzblech sauberer. Merkt man spätestens nach der ersten Tour durch den Matsch. Zum Nachrüsten ist es zum Glück nie zu spät. Lastenfahrräder kommen übrigens jetzt ganz neu ins Sortiment.

In der Werkstatt: Rouven Wendt, Uwe Limper.
In der Werkstatt: Rouven Wendt, Uwe Limper. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Zwei Entscheidungen stehen immer an: Stange oder nicht? Motor oder nicht? Die Sache mit der Stange ist schnell geklärt, die Tiefeinsteiger gewinnen. „Die Tendenz geht von der Stange weg“, sagt Uwe Limper, und auch seine Frau Brigitte findet die „Familienfahrräder" gut. Und die E-Bike haben das Rennen auch schon gemacht. Noch zehn Prozent beträgt der Anteil der „Bio-Bikes“ am Verkauf, schätzt Uwe Limper. Der Elektromotor gleicht Leistungsunterschiede aus. Nun kann das Paar zum Kaffeetrinken zum Rhein-Weser-Turm radeln, „und man kommt gut gelaunt zurück. Das war früher nicht so.“ LED-Lampen im Lenker kann man auch haben. Uwe Limper zeigt auf ein sportlich dekoriertes Rad: „Das habe ich vielfach an junge Leute verkauft." Das Auge fährt halt auch mit.

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Wie viel man hinblättern muss

Rennradfahrer sieht Uwe Limper seltener. „Die haben ihre eigenen Schrauber.“ Typisch ist der Kunde im mittleren Alter zwischen 25 und 55. Der sich entweder die Anschaffung eines im Schnitt 3000 bis 5000 Euro teuren E-Bikes leisten kann. Oder der – wie inzwischen 80 Prozent der Kunden – einen Leasing-Vertrag abschließt, drei Jahre lang monatlich zum Beispiel 65 Euro hinblättert und das Rad danach für 18 Prozent des Verkaufspreises übernimmt oder eben wieder zurückgibt. Dann kommen die älteren Einsteiger, die erst mit dem Radfahren beginnen. Und die Jungen, die zum Beispiel auf die Dirt-Bike-Piste wollen. „Das erste Rad sollte ein ganz einfaches sein“, rät Uwe Limper, so für 200, 300 Euro. „Die kriegen auch mal von mir was umsonst repariert.“

Was Hirad noch für Ideen hat

Helme hat der Hilchenbacher Radladen im Sortiment, Sportbekleidung nicht. Ein Sportladen, sagt Uwe Limper deshalb, „wäre für uns und den Gerberpark gut.“ Wie man sich gegenseitig ergänzen kann, hat er eher zufällig bei seinem Autohändler in Erndtebrück gelernt: Dort sind Fahrräder aus Hilchenbach in der Ausstellung – die passen gut zu den Fahrradträgern, die da auf der Anhängerkupplung sitzen. Einen Pannenservice hat Uwe Limper auch, dann fährt er mit dem Transporter und Werkzeug raus. „Meist geht es um einen Plattfuß, den können wir auf der Straße reparieren.“ Die Kunden erinnern sich später an ihn – inzwischen kommen sie auch aus Bad Laasphe, Lennestadt und Netphen nach Hilchenbach.

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Dass man nur bei Sonnenschein Fahrrad fährt, ist zwar Geschichte. Trotzdem gibt es eine Konjunktur für den Fahrradkauf, die im Januar beginnt und im Frühjahr ihren Höhepunkt findet. Eher mau ist dann der November nach der langen Schönwettersaison, bevor sich im Dezember das Weihnachtsgeschäft bemerkbar macht. „Das muss man wie der Eisdielenbesitzer aushalten.“ Mit dem Unterschied, dass der einfach für ein paar Monate zu macht, während der Fahrradladen, wie jetzt im Dezember, den Black Friday zum „Black Monat“ erweitert.

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