Burbach. Christoph Ewers lässt sein forstliches Herz stärker schlagen: Neuer Vizepräsident des Deutschen Forstwirtschaftsrats spricht nun mit Cem Özdemir
Vor ein paar Tagen erst war er bei Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Gesprochen haben sie über die Änderung des Bundeswaldgesetzes, das mit den „Leitzielen für gute forstliche Praxis“ den Rahmen für Förderprogramme vorgibt – und damit nicht ganz unbedeutend für die Budgets der Waldbesitzer ist. „Für mich geht es jetzt öfter nach Berlin“, sagt Burbachs Bürgermeister Christoph Ewers.
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Forstwissenschaftler wurde 2003 Bürgermeister
Als neuer Vizepräsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates ist er so etwas wie Lobbyist in Sachen Wald geworden – nebenbei, aber durchaus nicht ohne Zusammenhang mit seiner kommunalen Aufgabe: Schließlich ist Burbach mit rund 650 Hektar nach der Stadt Siegen der zweitgrößte kommunale Waldbesitzer im Kreisgebiet. Und Özdemir, sagt er, sei „sehr offen für nachhaltige Forstwirtschaft.“ Im ebenfalls von den Grünen geführten Umweltministerium sei das schon „ein Stück weit schwieriger“.
Sein „forstliches Herz“, wie er es nennt, hat Christoph Ewers sowieso nie verloren: Der studierte Forstwissenschaftler hat in den Forstämtern Minden, Siegen-Süd und Siegen sowie im NRW-Umweltministerium gearbeitet, bevor er 2003 zum Burbacher Bürgermeister gewählt wurde. Dort holte ihn sein erster Beruf spätestens 2018 wieder ein, als private und kommunale Waldbesitzer auf die Suche nach Förstern gehen mussten – die staatliche Forstverwaltung durfte diese Aufgabe aus Gründen des EU-Wettbewerbsrechts nicht mehr ohne weiteres wahrnehmen. In Burbach gründeten Gemeinde und Waldgenossen einen Forstzweckverband, dessen Vorsteher Christoph Ewers wurde. 2020 wählte ihn der Kommunalwald NRW, Zusammenschluss der 141 Gemeinden und Gemeindeverbände mit Waldbesitz, zu seinem Vorsitzenden.
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Wirtschaft statt Wildnis
Den Forstwirtschaftsrat bezeichnet Christoph Ewers als „forstpolitisches Sprachrohr der gesamten Branche“, den Erhalt und die Förderung des Waldes als gemeinsames Ziel: „Da sind wir uns alle einig“ – die Organisationen der Waldbesitzer, die Landesverwaltungen, die Wissenschaft. die Landwirtschaftskammern, die Baumschulen, die Forstbetriebe, die Gewerkschaft, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Insgesamt 73 Mitgliedsorganisationen, die rund zwei Millionen Waldbesitzer vertreten, listet der Forstwirtschaftsrat auf. Natürlich seien da nicht immer alle einer Meinung, sagt Christoph Ewers. Konsens aber ist das Eintreten für eine „nachhaltige Bewirtschaftung“ – mit der aber nicht, wie von Umweltpolitik und Naturschutzverbänden vertreten, die Stilllegung von Flächen und ihre Entwicklung zu „Wildnis“-Gebieten gemeint ist.
Betont wird das Wort „Wirtschaft“: Der Klimawandel, sagt Christoph Ewers, stellt die Waldbesitzer vor schwere Probleme, aktuell Dürreschäden und Borkenkäferbefall. „Für Waldbesitzer ist es kaum noch möglich, Wald mit Gewinn zu bewirtschaften.“ Dass sie auch deshalb ihren Beitrag zu klimagerechter Waldbewirtschaftung nicht mehr kostenlos leisten wollen, liegt auf der Hand. Inzwischen gibt es eine erste Förderrichtlinie. Waldbesitzer, die nach vorgegebenen Kriterien arbeiten und tatsächlich auch zumindest fünf Prozent ihrer Fläche nicht mehr bewirtschaften, bekommen bis zu 100 Euro Förderung je Hektar. „Da ist ein Einstieg geschaffen worden.“
Mit Holz auch beim Bauen sparsam umgehen
In den Wäldern in Deutschland muss Holz wachsen und geerntet werden können. Keine Alternative sei es wohl, „Holz aus Brasilien zu importieren, um hier das Bauen mit Holz zu fördern“, stellt Christoph Ewers fest. „Man wird aber weiter wissenschaftlich forschen müssen, wie man holzsparender bauen kann.“ Nicht mehr leisten können wird sich die Gesellschaft, geschlagenes Holz einfach direkt zu verbrennen. Dafür, und auch für die Herstellung von Pellets oder anderen Heizmitteln, werde allenfalls Rest- und Abfallholz in Frage kommen und ansonsten Holz in seinem letzten Nutzungsschritt, nachdem es im Idealfall mehrfach verbaut worden ist.
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„Was von Brüssel kommt, macht uns Sorgen“, berichtet Christoph Ewers. Dass Artenschutz und Biodiversität durch Flächenstilllegungen erreicht würden, „glauben wir nicht“. Eher könne mit einer Vielfalt von Baumarten Artenschutz erreicht werden. Der Forstwirtschaftsrat versuche auch deshalb, die Bundesregierung zu überzeugen, für eine Eigenständigkeit der deutschen Forstpolitik einzutreten. „Wir wollen nicht, dass uns zu viele Vorschriften gemacht werden.“ Was der Bürgermeister nicht als Forderung nach einem Freibrief für profitgeleitetes Wirtschaften verstanden wissen will, keinesfalls von der Seite der Städte und Gemeinden: „Wir wissen, dass wir eine andere Verantwortung haben als der Privatwald.“
Konflikte: Wild und Wind
Das Wild, das den Wald auffrisst, ist ein Konfliktthema. Um so stärker, je mehr Wild und je weniger Wald es gibt. Christoph Ewers sieht das entspannt. „Wir können Waldwirtschaft nicht ohne Jägerschaft betreiben.“ Konflikte entstünden vor Ort durch Interessengegensätze von Jagdpächtern und Waldbesitzern.
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Spannungen sieht der Burbacher Bürgermeister aber in der Frage von Windrädern auf Waldflächen. „Das wird noch erhebliche Diskussionen auslösen“ – vor allem mit den Naturschutzorganisationen. „Lange Zeit gab es auch bei den kommunalen Waldbesitzern keine Einigkeit.“ Die seien aber mittlerweile alle zu dem Schluss gekommen, dass die Windräder auf den brach gefallenen Flächen Sinn machen – weil sie die Energiewende unterstützen und Einnahmen bringen. „Auch in der Bevölkerung erfahren wir den Stimmungswandel.“ Christoph Ewers nennt beispielhaft die Windradplanung für Gilsbach. „Das Thema hat vor Jahren noch ein ganzes Dorfgemeinschaftshaus gefüllt.“ Jetzt, wo der Genehmigungsantrag gestellt ist, habe sich nur eine einzige Person den offengelegten Plan angesehen.
Im Wald lieber Windräder als Photovoltaik
„Wenn man Wald unter Windräder pflanzt, kann man die erst mal 30 Jahre lang betreiben.“ Und dann, wenn die Bäume entsprechend hoch gewachsen sind, entscheiden, ob die Anlagen am Ende ihrer Lebenszeit wieder abgebaut oder „repowert“ werden. Bei Freiflächen-Photovoltaik sei das anders, sagt Christoph Ewers. Wenn die Module auf Waldflächen aufgestellt würden, „kann darunter kein Wald wachsen“. In Burbach gebe es, auch in Industriegebieten, noch viele Dach- und Freiflächen, auf denen die Kollektoren eher aufgestellt werden könnten.
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