Kreuztal. Greenfiber-Geschäftsführer Paul Gummert erklärt, warum jeder Glasfaser braucht - sogar die Waldgenossenschaft Stendenbach für ihr Waldhaus.

Am Freitag fällt die Entscheidung: Wenn sich bis dahin 30 Prozent aller Haushalte für einen Glasfaseranschluss entschieden haben, bekommt die Stadt Kreuztal – nach Bad Berleburg und Burbach – ein flächendeckendes städtisches Glasfasernetz. Sie wird dazu mit dem Lüneburger Unternehmen Greenfiber eine Netzgesellschaft gründen, in der die Stadt eine Mehrheitsbeteiligung hält.

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Selbst das Navi muss intensiv nachdenken, um das Waldhaus der Waldgenossenschaft Stendenbach zu finden. Groß, modern, gemütlich und einladend liegt der Holzbau auf einem weitläufigen Grundstück. Die Stendenbacher Waldgenossenschaft wird 1728 erstmalig urkundlich erwähnt. 137 Hektar umfasst das gemeinsam bewirtschaftete Gebiet. Fichten, Rotbuchen, Eichen, Douglasien, Weisstannen und Birken sind hier die häufigsten Baumarten. „Es geht uns um Naturschutz und die Waldpflege“, betont Arne Siebel, der derzeitige Vorsteher. „Natürlich wollen wir keinen Verlust machen, aber wir haben seit 25 Jahren keine Überschüsse mehr ausgeschüttet.“

Wozu Waldgenossen in Kreuztal Glasfaser brauchen

Von den so angesparten Geldern konnte 2018 das neue Gemeinschaftshaus gebaut werden. Bei der Planung wurde an alles gedacht. Die Photovoltaikanlage sorgt für erneuerbare Energie für den Eigenbedarf. Die moderne Brennwertheizung sorgt neben dem obligatorischen Kachelofen ressourcensparend für wohlige Wärme. Sogar eine moderne Alarmanlage und stabile Jalousien wurden installiert. Diese werden übers Internet gesteuert. Das spart weite Wege. Eigentlich ideal für Vorstandsmitglied und IT-Experte Marco Bender – doch ohne funktionierendes Netz keine Fernsteuerung. Die Lösung für die Anbindung des Waldhaus Stendenbach kommt nun – mit dem gemeinsamen Glasfaserprojekt der Stadt Kreuztal und Greenfiber für ganz Kreuztal. Jedes Haus, jede Wohnung und jeder Betrieb soll zu den gleichen Konditionen angeschlossen werden.

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Wenn das schnelle Kabel sich erst einmal den Berg zum Waldhaus hochgearbeitet hat, soll es für viel mehr als nur die Steuerung der Alarmanlage genutzt werden. „Wir halten hier immer wieder Schulungen und Seminare ab, dafür brauchen wir ein stabiles und leistungsfähiges Netz“, weiß Siebel zu berichten. Auch Schulklassen und Kindergartengruppen lernen hier die Natur von einer neuen Seite kennen. Multimediale Anwendungen können dabei hilfreich sein. Und die Fußbodenheizung hat einen gewissen Vorlauf. Die regelmäßige Übertragung von Messdaten ermöglicht zudem das Zusammenspiel von Umweltschutz und modernster Waldwirtschaft.

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Es geht nicht nur um Surfen und Streaming

Paul Gummert ist Geschäftsführer von Greenfiber.

Über viele Jahre wurde in Deutschland die schlechte digitale Infrastruktur beklagt. Tatsächlich hat die Politik erst seit kurzem die Notwendigkeit eines flächendeckenden Glasfaserausbaus erkannt. Doch selbst dort, wo die Fördermittel nun fließen, und der Markt anspringt, ist es keineswegs selbstverständlich, dass das schnelle Netz tatsächlich gebaut wird. Warum ist das so?

Paul Gummert: Auch Fördermittel können die grundsätzlichen Regeln des Marktes nicht beseitigen. In den meisten Ausbauprojekten muss eine bestimmte Quote erreicht werden. Die liegt je nach Gebiet zwischen dreißig und vierzig Prozent der Haushalte, die sich für einen eigenen Glasfaseranschluss entscheiden müssen. Sonst ist die Errichtung der teuren Infrastruktur wirtschaftlich nicht darstellbar. Gerade ältere Hauseigentümer sind vom Nutzen der Glasfasertechnik nicht immer überzeugt. Wenn die derzeitige heimische Kupferleitung für die heutigen Anforderungen ausreicht, wird die Umstellung auf das schnelle, sichere und stabile Netz kritisch gesehen.

Können Sie solche Aussagen nachvollziehen?

Glasfaser ermöglicht Angebote und Anwendungen, die wir jetzt noch gar nicht kennen. Schnelles Surfen und ruckelfreies Streaming ist ja nicht das Ende.

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Stadtkämmerer Michael Kass (links) und Greenfiber-Geschäftsführer Paul Gummert vor dem Infomobil auf dem Roten Platz in der Kreuztaler Stadtmitte.
Stadtkämmerer Michael Kass (links) und Greenfiber-Geschäftsführer Paul Gummert vor dem Infomobil auf dem Roten Platz in der Kreuztaler Stadtmitte. © Stadt Kreuztal | Stadt Kreuztal

Einbau ist in einem Tag geschafft

Was kann denn aus Ihrer Sicht gegen einen Glasfaseranschluss sprechen?

Grundsätzlich gar nichts. Die Glasfaserleitung ist den veralteten Kupferleitung in allen Belangen weit überlegen. Das Netz ist 100fach schneller, deutlich sicherer und zudem sehr stabil. Dass das bisherige Kupfernetz mancherorts durch Bündelung, dem so genannten Vectoring, noch ein paar Jahre am Leben gehalten werden soll, ist aus Sicht der Betreiber dieser Netze verständlich. Die Kupferleitungen wurden zunächst als Telefonkabel verlegt, also für die Übertragung von Sprache. In den letzten Jahrzehnten kam dann auch noch das Fernsehsignal hinzu. Natürlich zieht die Entscheidung für einen Glasfaseranschluss bauliche Maßnahmen nach sich. Der Aufwand für diese Umstellung ist jedoch viel geringer, als vielfach angenommen wird. Zudem wird er von Fachfirmen vorgenommen. Das geschieht innerhalb eines Tages. Und im eigenen Haus ändert sich zumeist kaum etwas.

Was passiert, wenn in einer Kommune oder in einem Ausbaugebiet die Quote nicht erreicht wird?

Nichts. Das heißt, es wird nicht gebaut. Das Projekt ist beendet, die Chance vertan. Kommunen, die diese Chance verstreichen lassen, müssen auf spätere Förderprogramme warten. Vor allem die ländlichen Regionen profitieren von einer digitalen Infrastruktur. So konnte in einem unserer Ausbaugebiete gerade der kommunale Dorfladen erhalten bleiben, obwohl sich kaum noch Freiwillige gefunden haben. Inzwischen kann der Laden auch ganz ohne Personal mit digitalen Bezahlmethoden betrieben werden. Ohne Glasfaser bleiben solche Initiativen und Möglichkeiten undenkbar.

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Anschluss wird in Zukunft teuer werden

Für wen lohnt sich ein Glasfaseranschluss und für wen ist die Umstellung nicht sinnvoll?

Ein Glasfaseranschluss lohnt sich zunächst für alle, die jetzt eine hochleistungsfähige Datenleitung nutzen wollen. Zudem lohnt er sich für alle, die ihre Immobilie dauerhaft modern halten wollen. Das Glasfaser im Haus bedeutet – ganz unabhängig von der heutigen Nutzung – eine enorme Wertsteigerung. Wer sich gegen den kostenlosen Anschluss entscheidet, wird in spätestens fünf oder zehn Jahren nachziehen müssen. Bis dahin sind aber alle Förderprogramme ausgelaufen. Die Kosten müssen privat getragen werden. Derzeit kostet der laufende Meter für Tiefbauarbeiten mindestens einhundert Euro. Die Tendenz ist stark steigend. Hinzu kommen die Arbeiten am Haus und die Installation im Haus. 3000 Euro sind daher für einen Hausanschluss eher niedrig gerechnet.

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