Siegen/Freudenberg. Der Kreis Siegen-Wittgenstein reagiert verärgert auf die Klage der Naturschutzverbände: Ihre Forderung hätte üble Folgen für den Zeitplan.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hält die vom Naturschutzverband BUND Nordrhein-Westfalen mit Unterstützung des NABU-Kreisverbandes erhobene Klage gegen die erteilte wasserrechtliche Genehmigung zur vorübergehenden Verrohrung des unterhalb der Autobahn-Talbrücke Büschergrund verlaufenden Gewässer Wending für nicht zielführend. „Die Genehmigung ist auf Antrag der Autobahn GmbH des Bundes von der Unteren Wasserbehörde des Kreises nach ordnungsgemäßer Durchführung eines dafür vom Gesetzgeber vorgesehenen Plangenehmigungsverfahren mit Zustimmung des Beirates bei der Unteren Naturschutzbehörde erteilt worden,“ macht Arno Wied, Dezernent für Bauen und Umwelt, gegenüber dieser Zeitung deutlich.

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Arno Wied kritisiert, dass „die Klage der Naturschutzverbände nicht von naturschutzfachlich belastbaren Argumenten getragen ist, sondern auf rein verfahrensrechtlichen Kritikpunkten aufbaut, die angeblich einer von allen beteiligten Dienststellen angestrebten effizienten Verfahrensführung und Entscheidungsfindung zum dringend erforderlichen Neubau der Talbrücke Büschergrund entgegenstehen.“

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Fernstraßenbundesamt ist am Zuge

Der Kreis als Genehmigungsbehörde halte die erteilte Genehmigung für nicht rechtswidrig, weil sie zunächst einmal nur eine – neben vielen anderen abzuarbeitenden Themen – Grundlage für eine Entscheidung des Fernstraßenbundesamtes sei. Diese sei eigentlich noch für dieses Jahr erwartet worden, um damit eine Klärung herbeizuführen, ob alle Zulassungsvoraussetzungen für den Ersatzneubau der Talbrücke Büschergrund vorliegen und auf ein im Regelfall bei Neubaumaßnahmen notwendiges Planfeststellungsverfahren für die Gesamtmaßnahme verzichtet werden kann.

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Nach den verfahrensrechtlichen Grundsätzen ist dies dann möglich, wenn alle sonstigen Voraussetzungen und Genehmigungen vorliegen und auf eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden kann. Bei dem Entfall des Planfeststellungsverfahrens darf auf ein zeit- und kostenintensives Verfahren verzichtet werden, um dringend erforderliche Bauvorhaben durchführen zu können, bevor – wie bei der Rahmedetalbrücke – Sperrungen drohen, die zu weitaus größeren Belastungen für Mensch und Umwelt führen können.

Gefahr: Verkehr auf Brücke muss eingeschränkt werden

„Das wollen die Naturschutzverbände mit der beim Verwaltungsgericht eingereichten Klage verhindern“, erklärt Umweltdezernent Arno Wied und befürchtet: „Diese Klage kann zu absolut nicht erwünschten Verzögerungen beim Neubau führen und die Verkehrssituation in der Region nachteilig beeinflussen.“ Denn: Bis über die Klage in dem zeitraubenden Verfahren beim Verwaltungsgericht in Arnsberg entschieden werde, müsse das Fernstraßenbundesamt mit seiner Entscheidung eventuell warten, was dazu führen könnte, dass der Baubeginn für die neue Brücke weiter nach hinten verschoben werden muss. Das erhöhte die Gefahr, dass der Verkehr auf der vorhandenen Brücke eingeschränkt werden muss.

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Statische Prüfungen und Nachberechnungen nach den maßgeblichen Richtlinien hätten ergeben, dass ein zeitnaher Ersatzneubau der Talbrücke erforderlich und alternativlos ist. Die festgesetzte Restnutzungsdauer des Brückenbauwerkes endet nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen spätestens im Jahr 2033. Die für den Ersatzneubau der Talbrücke Büschergrund unabweisbar notwendigen Eingriffe in Natur und Landschaft seien überwiegend vor allem baubedingt, nur von vorübergehender Dauer, betont der Kreis.

Zunächst geht es um Baustraßen

In erster Linie fänden Eingriffe durch die Herrichtung der notwendigen Baustraßen statt, für die das bestehende Netz von Wirtschaftswegen genutzt und ausgebaut werden soll, durch Baustelleneinrichtungs-, Lager-, Montage- und Kranaufstellflächen und notwendige Arbeitsplateaus. Dabei sei der temporäre Eingriff in das durch den Landschaftsplan Freudenberg festgesetzte Naturschutzgebiet (NSG) „Wending- und Peimbachtal“ unabhängig von der gewählten Breite des Brückenbauwerkes, da der Sprengabbruch des alten Bauwerkes und die Errichtung der neuen Pfeiler im Unterbau der Brücke in gleicher Art und Weise durchgeführt werden müssen. Dauerhafte Eingriffe – nicht im NSG, aber im ebenfalls durch den Landschaftsplan festgesetzten Landschaftsschutzgebiet Freudenberg (LSG) – ergeben sich im Bereich der Widerlager, der Autobahnböschungen, der Pfeilerstandorte und in den sogenannten Verziehungsbereichen.

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Bezirksregierung stimmt „Befreiung“ von Landschaftsplan Freudenberg zu

Unabweisbar notwendig sei auch die vorübergehende Auffüllung des Talraumes und eine damit einhergehende Verrohrung des Gewässers Wending auf einer Länge von rund 90 Metern, die in dem jetzt von den Naturschutzverbänden beklagten wasserrechtlichen Verfahren genehmigt worden ist. Zuvor war für die Gesamtmaßnahme vom Kreis mit Bestätigung durch die Höhere Naturschutzbehörde bei der Bezirksregierung Arnsberg bereits eine Befreiung von den Verboten des Landschaftsplanes Freudenberg erteilt worden.

Grundlage hierfür war auch ein Landschaftspflegerischer Begleitplan, der über mehrere Jahre hinweg mit sehr intensiven Beteiligungs- und Abstimmungsformaten, auch unter Mitwirkung der Unteren und der Höheren Naturschutzbehörden und unter Einbindung der jetzt klagenden Naturschutzverbände von der Autobahn GmbH erarbeitet worden sei. Ebenso seien von der Autobahn GmbH die in solchen Verfahren üblichen gutachterlichen Kartierungen und Beiträge (z.B. faunistische Kartierung, Artenschutzfachbeitrag) vorgelegt worden. Es sei dargelegt worden, wie der Eingriff durch geeignete Maßnahmen so weit wie möglich begrenzt, ausgeglichen oder kompensiert werden kann. Die in diesem Planungsprozess von den Naturschutzverbänden vorgetragenen Wünsche und Anforderungen sind dabei umfänglich berücksichtigt worden.

Kreis: Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich

Aus naturschutzfachlicher und rechtlicher Sicht der Unteren Naturschutzbehörde und der Unteren Wasserbehörde bestünden deswegen keine Hinderungsgründe, die von der Autobahn GmbH beantragten Genehmigungen und Befreiungen zu erteilen und damit einen möglichst zeitnahen Neubau des gefährdeten Brückenbauwerkes zu ermöglichen. Ein ganz wesentlicher Aspekt sei dabei auch, dass eine abgeschlossene und veröffentlichte Einzelfallprüfung nach den Regelungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zu dem Ergebnis kommt, dass im hier vorliegenden Fall zunächst davon auszugehen ist, dass keine vollumfängliche UVP notwendig ist.

Umso deutlicher wird nach Auffassung des Kreises erkennbar, dass es den Naturschutzverbänden bei ihrer Klage im Grundsatz um eher formalrechtliche Fragen geht, in deren Beurteilung sie zu einem Ergebnis kommen, dass ihrer Auffassung nach für die Gesamtmaßnahme die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und eines Planfeststellungsverfahrens nötig sind. Dieser Forderung nachzukommen, würde eine umfassende und ergänzende Bearbeitung aller in den letzten rund fünf Jahren erarbeiteten Planungsunterlagen erfordern. „Mit dem zeitlichen Aufwand, der dafür und für die formale Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens erforderlich ist, wäre eine zeitliche Verzögerung um mindestens drei Jahre verbunden, ohne dass dadurch eine substanzielle Veränderung des Ersatzneubaus oder des damit verbundenen Eingriffs an sich zu erwarten wäre“, meint der Kreis.

Landrat: Klage kann Brücken-Neubau wesentlich verzögern

Landrat Andreas Müller zeigt für die Klage der Naturschutzverbände wenig Verständnis: „Angesichts der bisherigen Vorarbeiten und unter Berücksichtigung der immer wieder vorgetragenen Forderung nach einer Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Baumaßnahmen dieser Art, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass die Naturschutzverbände mit ihrer Klage das Verfahren und damit eventuell auch den Neubau maßgeblich verzögern. Dies kann nicht im Sinne des Landschafts-, Natur- und Artenschutz sein und zu erheblichen negativen Auswirkungen – auch für die Bevölkerung und die Verkehre in der Region – führen.“

Gegen das Votum des Naturschutzbeirates

Mit der Klage missachteten die Naturschutzverbände nach Auffassung der Kreisverwaltung auch die vom Kreistag und vom Naturschutzbeirat getroffenen Entscheidungen zugunsten des Ersatzbaus. Die Vorsitzende des Beirates, die Siegener Professorin Dr. Klaudia Witte, war mit ihrem Antrag, der Beirat möge die Zustimmung zur wasserrechtlichen Genehmigung ablehnen, im Beirat gescheitert und gehört jetzt zu denen, die das Klageverfahren vorantreiben. „Damit stellt sie sich gegen das Votum des Beirates, dem sie selbst vorsitzt“, sagt Umweltdezernent Arno Wied.

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