Büschergrund. Seit 2017 läuft die Planung für den Neubau der Talbrücke Büschergrund. Irgendwann wird sie einfach zusammenfallen. Aber es gibt Widerspruch.

Sie soll noch bis 2033 halten. Marco Gräb, Leiter der Netphener Außenstelle von Autobahn Westfalen, beschreibt den heute nicht mehr zugelassenen „spannungsrissgefährdeten Spannstahl“, der in der 1971 eröffneten A-45-Talbrücke Büschergrund verbaut wurde: „Bei Korrosion kann es zu plötzlichem Versagen kommen. Das kündigt sich nicht an.“ Soll wohl heißen: Die Brücke stürzt dann einfach ein. „Aber Sie müssen keine Angst haben drüberzufahren.“ 2016 wurde die Brücke noch einmal verstärkt. Seit 2017 wird an den Planungen für den Neubau gearbeitet.

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Das ist der Konflikt: Kampf um Naturschutzgebiet

Einer der vielen Akteure, die dabei mitreden, ist der Naturschutzbeirat für den Kreis Siegen-Wittgenstein. Von ihm wird erwartet, dass er die Autobahn GmbH von naturschutzrechtlichen Festsetzungen befreit: Das gesamte Baugebiet steht unter Landschaftsschutz, dazu liegt es im Naturschutzgebiet Wending- und Peimbachtal. Bereits im November hat Beiratsvorsitzende Prof. Dr. Klaudia Witte die gewünschte „Befreiung“ abgelehnt. Arno Wied, Umweltdezernent des Kreises, nennt die „Situation ausgesprochen schwierig und unglücklich“. Bereits in seiner März-Sitzung wird der Kreistag dem Votum des Beirates widersprechen, entscheiden muss dann die bei der Bezirksregierung angesiedelte „Höhere Naturschutzbehörde. Wied hat keinen Zweifel, dass der Naturschutz den Neubau der Talbrücke nicht ausbremst: „Sie bekommen das doch in der öffentlichen Diskussion mit.“ Und nennt das Stichwort Rahmedetalbrücke.

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Mit Wildkamera gesehen: Wildkatze und Fledermaus

Die Talbrücke Büschergrund ist 387 Meter lang, liegt – wie die bereits gesprengte Talbrücke Rinsdorf – 70 Meter über der Talsohle und steht auf acht, nach dem Neubau auf nur noch vier Pfeilern. Für Schwertransporte ist sie längst gesperrt, für Lkw besteht ein Überholverbot. Von den 23 neu zu errichtenden A-45-Talbrücken im Bereich der Niederlassung Netphen zwischen Landesgrenze und Lüdenscheid (vor Rahmede) sind vier in Bau, Büschergrund wird die fünfte. Die beiden Fahrtrichtungs-Brücken werden nacheinander gesprengt, insgesamt fünf Jahre wird die Bauzeit betragen. Zur Büschergrunder Seite hin wird eine Lärmschutzwand mit eingeplant.

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Bäume müssen an den Hängen der Talbrücke müssen nicht mehr gefällt werden – das hat der Borkenkäfer bereits erledigt. Angelegt werden müssen Arbeitsplattformen für Kräne und Material sowie Baustraßen – dafür werden vorhandene Forstwege auf vier bis sechs Meter Breite aufgeweitet und direkt an die A 45 angebunden, so dass kein zusätzlicher Schwerverkehr über Stadtstraßen geführt wird. Mit 20 Wildkameras wurde nachvollzogen, auf welche Tierarten vor dem und beim Bau zu achten ist: „Von der Meise über die Fledermaus bis zur Wildkatze war alles dabei“, sagt David Lemberg von Autobahn Westfalen.

Erste Ersatzpflanzung schon 2013

1000 Quadratmeter Naturschutzgebiet und 600 Quadratmeter Biotopflächen werden durch den Bau geschädigt. Der Wendingbach wird abgefischt, auf 90 Metern verrohrt und mit drei Metern Erde überdeckt – darüber liegt das vier Meter dicke Fallbett, auf dem die Trümmer der gesprengten Brücke gesammelt werden. David Lemberg nennt weitere Maßnahmen, die den Eingriff in die Natur begrenzen oder ausgleichen sollen: von der bereits 2013 erfolgten Pflanzung eines Laubwalds in Weidenau bis zur geplanten „Vergrämung“ von Fledermaus, Haselmaus und Wanderfalke zu neuen Wochenstuben und Brutplätzen.

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Der Autobahn-Umweltplaner erinnert daran, dass sich auf der Baustelle der Talbrücke binnen 30 Jahren ein Naturschutzgebiet neu entwickeln konnte. „In den 1960er Jahren waren die Auflagen für Natur und Umwelt nicht so streng wie heute.“ Seine Prognose: 15 Jahre nach dem Ersatzbau wird sich im Wending- und Peimbachtal wieder ein intaktes Naturschutzgebiet befinden. Weitere Naturschutzmaßnahmen würden möglich, wenn auch auf dem Rest der Strecke zwischen Freudenberg und Olpe sechsspurig ausgebaut wird: „Da brauchen wir noch viel mehr Ausgleich.“

Autobahnbrücke Büschergrund: Sie ruht auf acht Pfeilern, der Neubau braucht nur vier.
Autobahnbrücke Büschergrund: Sie ruht auf acht Pfeilern, der Neubau braucht nur vier. © Hendrik Schulz | Hendrik Schulz

Das sagt der Naturschutz: Keine „unwesentliche Bedeutung“

„Da wird ein Naturschutzgebiet über Jahre zerstört“, sagt Prof. Dr. Klaudia Witte, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben fordert. Dann aber wird sich ein förmliches Planfeststellungsverfahren anschließen, das länger dauert als der jetzt gewählte Weg: Die Autobahn GmbH sammelt selbst alle benötigten Zustimmungen ein und einigt sich mit den beteiligten Grundstückseigentümern, bevor sie ihr Vorhaben von „unwesentlicher Bedeutung“ dem Fernstraßenamt zur Genehmigung vorlegt. So geht die Autobahn GmbH auch bei der Rahmedebrücke vor.

„Standstreifen“ wird zur dritten Spur

Mit dem Kunstgriff eines besonders breiten „Standstreifens“, der später einmal aus einer vierspurigen eine sechsspurige Autobahn machen wird. Dahinter steht der enge Zeitplan: Die länger dauernden Planfeststellungsverfahren werden für die weiteren Brücken mit dem späteren Baubeginn angewendet.

Neue Brücke soll 100 Jahre halten

„Die Natur wird mit Sicherheit anders aussehen als jetzt“, sagt Prof. Dr. Klaudia Witte. Schon deshalb, weil die Vielfalt von Arten in den 50 Jahren seit dem ersten Brückenbau stetig abgenommen hat. Die Tötung von Individuen, beispielsweise der Haselmaus, und die Vernichtung von Populationen werde „billigend in Kauf genommen“, heißt es in der Stellungnahme der Beiratsvorsitzenden. Der Boden werde durch Schwerlastfahrzeuge dauerhaft verdichtet, „dies ist vor allem für die ehemaligen Feuchtbiotope katastrophal“. Dieter Tröps (Heimatbund) fragte nach der Nachhaltigkeit des Neubaus – ob der in 50 Jahren erneut baufällig werde. Die neue Brücke werde „eigentlich für 100 Jahre“ gebaut, antwortete Marco Gräb. Falls sie so lange gebraucht werde: „Ich kann nicht voraussagen, wie Mobilität dann überhaupt aussieht.“

Kommentar: Naturschutz und Brückenbau: Längst entschieden

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