Siegen. Immer noch gehört Mut dazu, über die eigene psychische Erkrankung zu sprechen. Beim Festival in Siegen wird das Tabu weggeräumt.

Zuerst wurden bei ihr im jugendlichen Alter Depressionen diagnostiziert, mit 21 wurde dann auch noch die Borderline-Persönlichkeitsstörung festgestellt. Tami weiß, dass sie bei weitem nicht die einzige junge Erwachsene ist, die von psychischen Erkrankungen betroffen ist. Sie weiß aber auch, dass sie zu den wenigen Menschen zählt, die über ihren Zustand sprechen und ihn so gut wie möglich einsehen.

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Krankheiten nicht unterschätzen

Wobei Sprechen für die heute 26-Jährige nur eine Form ihrer selbst gewählten Therapie ist. Sie bloggt seit anderthalb Jahren in den sozialen Medien (Instagram: borderli0n) zum Thema psychische Erkrankungen und hat auch einige Bilder angefertigt, die ihr vielbewegtes Inneres zum Ausdruck bringen sollen. Mit ihren Kunstwerken im Gepäck kam sie aus Leipzig bis nach Siegen, um diese beim ersten Mental Health Festival in NRW auszustellen. Sie erzählt gemeinsam mit Dutzenden anderen Betroffenen ihre eigene Geschichte, um all denen ein wenig Mut zu machen, die sich aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierungen nicht trauen, über ihre Krankheit zu sprechen oder diese anzuerkennen. „Es tut mir gut, wenn ich mit anderen über meine Lage spreche. Ich wünschte, dass sich jeder etwas mehr verstanden fühlen kann und niemand mehr Krankheiten unterschätzt", berichtete Tami, deren Bilder für viel Gesprächsstoff beim Festival sorgten.

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Erkrankte fordern zum Gespräch auf

Den Besuchern in und um die Siegener BlueBox wurde ein buntes und facettenreiches Programm geboten. Von stressfreien Mitmach-Aktionen wie Yoga und Grafitti, über Infostände der ortsansässigen Anlaufstellen für verschiedene Erkrankungen bis hin zu Vorträgen und Gesangseinlagen wurde für junge und alte Teilnehmer ein Sammelsurium der anderen Art geboten. „Bei manchen Themen sollte die Aufklärung niemals enden. Mit einem möglichst niederschwelligem Angebot ist ein guter Anfang gemacht", appellierte Serena Dombrow von 'La Vie', die suchterkrankte Menschen durch den Alltag begleiten und sie unterstützen. Nebenan reihten sich weitere Stände zu verschiedenen Thematiken wie Essstörung oder Betreutes Wohnen an.

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Das gute Wetter erlaubte den Organisatoren, einen großen Teil der Angebote an der frischen Luft abzuhalten. Sie luden die Besucher unter einer kleinen Freiluftbühne zum Austausch und Tanz ein. „Die Leute sollen wissen, dass psychische Erkrankungen kein Tabuthema mehr sind. Die Gesellschaft muss geschlossen offener werden, denn Vorurteile sind nicht mehr zeitgemäß", forderte Steffi (alias „erfolgreich_durchgeknallt“), die das Mental Health Festival ins Leben gerufen hat. Sie selbst hat Kurzvideos zum Thema "Frag einen Betroffenen" gezeigt und zum Diskurs zwischen Besuchern und Erkrankten aufgerufen.

Das bleibt: Kunst in der Blue Box

Die Bands "MAZ'N" und "TIL" sorgten für musikalischen Input. Weitere eingeladene Moderatoren wie Anna Weimer, die den Podcast "Mit dem Herzen voraus" betreibt, oder Reiner Stephan, der einige Geschichten aus seinem Arbeitsalltag als Genesungsbegleiter erzählt hat, haben den Besuchern die Vielfalt von psychischen Erkrankungen nähergebracht.

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Abgerundet wurde das Programm des Festivals mit dem Theaterstück "Die üblichen Verdächtigen" sowie von zehn Poetry-Slammern, die selbstverfasste Texte vorlasen. Auf den Wänden an der BlueBox findet man ab sofort Malereien zum Thema Mental Health. „Das Grafitti zeigt das innerliche Bild eines psychisch Erkrankten. Kunst kann darstellen, was viele Worte nicht schaffen", berichtete einer der Künstler.

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