Kreuztal. Das Container-Terminal Südwestfalen nimmt wieder Fahrt auf. Das könnte bald schon wieder vorbei sein, erfuhren die Gäste von der SPD.

Um 4 Uhr ist der Güterzug mit den leeren Containern am Kreuztaler Güterbahnhof angekommen. Jetzt wird er auf die beiden Gleise des Containerterminals Südwestfalen rangiert. Die beiden Reach-Stacker, so etwas wie überdimensionale Gabelstapler, stehen bereit. Einer holt den vollen Container vom Lkw herunter, der andere lädt den leeren Container vom Zug auf. Die Lastzüge stehen draußen Schlange, einer nach dem anderen wird an diesem Montag abgefertigt. Wie jeden Montag. So genanntes „Kalamitätsholz“ geht von hier auf die weite Reise. Stämme von Bäumen, die Borkenkäfer und Dürre nicht überlebt haben. Wilhelmshaven ist das Ziel, von dort geht es weiter mit dem Schiff Richtung China.

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Entwicklungen: Auslastung wieder bei 40 Prozent

Seit 31. Januar geht das so, berichtet Christian Betchen den Bundestags und Landtagsabgeordneten der SPD, die hier ihre sommerliche Südwestfalentour beginnen. Vorher wurde das Holz mit Lastzügen zu den Häfen in Köln, Neuss oder Duisburg gebracht. Bis sich das mit der Sperrung der Rahmedetalbrücke erledigt hatte. Christian Betchen, Geschäftsführer der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein, vertritt einen der beiden Gesellschafter der Südwestfalen Container-Terminal GmbH (SWCT). Der andere ist die Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr, die durch Heiko Heupel vertreten wird.

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Im Mai 2019 ist das Terminal in Kreuztal ans Netz gegangen. Die wachsende Zahl von Unternehmen, die keinen eigenen Gleisanschluss mehr hat, soll hier die Verbindung zur Schiene bekommen. Bis zu 80 Kilometer weit sind die Lkw gefahren, die in Kreuztal Container aufnehmen und abgeben. Am Anfang fuhr drei Mal in der Woche ein Güterzug nach Verona, „Schlüsselkunde“ war die Spedition Gruber mit Zentrale in Südtirol und Niederlassung in Kreuztal. Dann kam Corona und eine fast einjährige Betriebsruhe.

Der eine Reach-Stacker (hinten) holt den vollen Container vom Lkw, der andere lädt den leeren Container auf.
Der eine Reach-Stacker (hinten) holt den vollen Container vom Lkw, der andere lädt den leeren Container auf. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Hackschnitzel nach Stendal, Krombacher nach Berlin

Es sind nicht nur Baumstämme. Jeden Dienstag werden Hackschnitzel aus dem Sauerland verladen, der Zug geht ins Zellstoffwerk nach Stendal. Mittwochs und freitags werden jeweils bis zu 14 Container mit Getränken aus der Krombacher Brauerei auf die Reise geschickt, Einzelwaggons nach Berlin, Bremen und Hamburg, die an andere im benachbarten Kreuztaler Güterbahnhof zusammengestellte Züge angehängt werden. Schließlich Betonfertigteile für Parkhäuser, die aus Tschechien angeliefert werden. Bedient wurde damit unter anderem das neue Amazon-Verteilzentrum in Wenden.

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Allmählich nimmt der Betrieb wieder Fahrt auf, gegenüber dem Vorjahr verdoppelt sich die Zahl der umgeschlagenen Ladeeinheiten, zum Jahresende rechnet Kreuztal mit einer Auslastung von 40 Prozent. Luft wäre für bis zu 45.000 Container oder Sattelauflieger im Jahr, jeden Tag und jede Nacht kann in Kreuztal jeweils ein kompletter Zug beladen werden. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Christian Betchen, der auch über eine Anfrage für neue grenzüberschreitende Transporte nach Südeuropa berichtet.

Herausforderungen

1. Die Infrastruktur: Das „Siegerland-Y“

Das große Thema ist das „Siegerland-Y“. Wie ein „Y“ verzweigt sich die aus Hagen kommende Ruhr-Sieg-Strecke in Siegen: ein Ast geht über Gießen Richtung Frankfurt weiter, der andere die Sieg entlang nach Köln. Zwischen Hagen und Kreuztal müssen elf Tunnel so aufgeweitet werden, dass auch Sattelaufleger der üblichen Größe durchpassen – weil sie das nicht tun, machen gerade leichtere Güter den Transport in niedrigeren Ladeeinheiten weniger wirtschaftlich. Und auf der Siegstrecke fehlt halt in zwei Anschnitten das zweite Gleis. Christian Betchen nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesverkehrsminister die Schienen im Mittelrheintal gar nicht mehr über Siegen, sondern über eine Westerwald-Taunus-Achse entlasten will. „Das ist was komplett Neues.“

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Dass der Ausbau der Siegstrecke demnach für die Bahn keine Priorität hat, findet Luiza Licina-Bode „sehr ernüchternd“. Wobei die Siegen-Wittgensteiner SPD-Bundestagsabgeordnete es nicht versäumt, auch die von CDU und Grünen geführte Landesregierung ins Spiel zu bringen. Ohne ordentliche Straßenanbindung werde das Bahn-Terminal seine Wirkung nicht entfalten. „Hingucken“ müsse man auf den Umgang mit der weiteren Planung für die Route 57, die Ortsumgehungskette von Kreuztal nach Schameder: „Wir müssen darauf achten, dass die Region nicht abgehängt wird.“ Heiko Heupel bestätigt: „Der Kombinierte Verkehr kann die Verkehrswende nur bringen, wenn auch die Straßen vernünftig ausgebaut werden.“

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2. Die Krise: Container, Waggons, Strom

Das andere große Thema teilt das Kreuztaler Terminal mit dem Rest Europas: Knapp geworden sind die Container, knapp geworden sich auch die Waggons. „Wir warten massiv lang“, berichtet Christian Betchen. Was auch daran liegt, dass Waggonbau in Serbien, Polen, Tschechien und Rumänien stattfindet. Und in der Ukraine. Und dass es das Stahlwerk nicht mehr gibt, in dem Radsätze gefertigt werden. Es stand in der ukrainischen Stadt Mariupol. Heiko Heupel fürchtet, dass die Wirtschaftskrise sich doppelt auf das Verkehrsunternehmen niederschlägt. Zum einen durch nachlassende Nachfrage, zum anderen durch explodierende Strompreise. „Schienenverkehr könnte dann nicht mehr wettbewerbsfähig sein.“

Heiko Heupel und Christian Betchen mit Nezahat Baradari, Karl-Ludwig Völkel, Luiza Licina-Bode, Christin-Marie Stamm und Inge Blask (von links).
Heiko Heupel und Christian Betchen mit Nezahat Baradari, Karl-Ludwig Völkel, Luiza Licina-Bode, Christin-Marie Stamm und Inge Blask (von links). © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Bis 18 Uhr wird der Holz-Zug mit seinen 44 Containern beladen sein, noch am Abend wird er Kreuztal in Richtung Norden verlassen, noch in dieser Woche wird das Schiff Richtung China ablegen. Noch funktioniert diese Art von Globalisierung. „Sie kommt an ihre Grenzen“, ahnt Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari.

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