Netphen. Am Hufeisenplatz eskaliert die Debatte: Händler und Immobilieneigentümer geben die Parkplätze nicht auf – und beißen bei der Stadt auf Granit.
In den 1970er Jahren ist das Netphener Einkaufszentrum auf der bis dahin grünen Wiese an der Nahtstelle von Nieder- und Obernetphen entstanden. Mitten in die Ladenzeilen wurde der zur Talstraße offene Hufeisenplatz gebaut. Der könnte begrünt und mit Außengastronomie ausgestattet werden, wurde immer wieder einmal vorgeschlagen. Der Hufeisenplatz soll Parkplatz bleiben, fordern Geschäftsleute und Hausbesitzer. Jetzt, wo der neue Rahmenplan für die Stadtmitte entsteht, eskaliert die Auseinandersetzung.
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Das sagen die Eigentümer: Petz-Rewe spricht von „fatalem Planungsfehler“
Der Petz-Rewe-Supermarkt könne nur als „Magnet“ funktionieren, „wenn Potenzial zur Anziehung an einen Magneten vorhanden ist“, legt der Rechtsanwalt von Petz-Rewe Geschäftsführerin Maike Sanktjohanser dar. Soll heißen: Rewe braucht die umliegenden Geschäfte genauso, wie die kleinen Läden Rewe brauchen. Denen die Parkplätze wegzunehmen, wäre „ein fataler Planungsfehler“. Ebenerdige Parkplätze seien „überlebenswichtig für den Erhalt von Betrieben und des zentralen Versorgungsbereichs“. Und schließlich: „Unsere Mandantschaft“, also Petz-Rewe, „sieht die Bedeutung ihres Betriebes in unmittelbarer Abhängigkeit von den benachbarten Handelsbetrieben einschließlich der aus Sicht unserer Mandantschaft äußerst wichtigen Parkplätze auf dem Hufeisenparkplatz.“
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Bevor das heutige Globus-Warenhaus mit dreigeschossigem Parkdeck 1999 eröffnet wurde, gab es am Neumarkt einen zur Rewe-Gruppe gehörenden Kontra-Markt. Der wurde in fünf einzelne Läden – die größten sind Takko und Tedi – aufgeteilt. Eigentümer ist die Siegener HMG Grundbesitz GmbH. „Die Parkplätze sind für die Ladenlokale wichtig“, sagt Dennis Harttmann im Gespräch mit dieser Zeitung, „die Leute parken lieber ebenerdig, als ins Parkhaus zu fahren.“
„Rewe lebt von uns wie wir von Rewe“, sagt Peter Jung, einer der Eigentümer der Häuer am Hufeisenplatz. „Die gehören zusammen, damit die Leute in die Innenstadt fahren“, bestätigt Gregor Kölsch, der ebenfalls Wohnungen und Ladenlokal am Neumarkt besitzt. Schon der Verkauf des Schotterparkplatzes, so Lothar Trost, Bevollmächtigter einer Miteigentümerin, „war ein Fehler.“ Dort steht jetzt das Quartier Talstraße mit Wohnungen und Arztpraxen.
Ladenlokale nur schwer vermietbar
„Die erste Frage geht nach den Parkplätzen“, berichtet Peter Jung über Gespräche mit Geschäftsleuten, die sich für ein Ladenlokal interessieren. Derzeit stehen nicht nur ein ehemaliges Schuh- und ein ehemaliges Hörgeräte-Geschäft leer, sondern eigentlich auch der ehemalige Aldi-Markt, von dem nur 100 Quadratmeter von einem Einzelhändler als Ladenlokal genutzt werden. Dahinter sind Regalboxen, die als Keller- und Lagerraumersatz vermietet werden. „Wenn nichts anderes kommt, machen wir das dann auch.“ Das ist dann das „Trading Down“, vor dem der Petz-Rewe-Anwalt auch ausdrücklich warnt.
Lothar Trost ist verärgert über die aktuelle Diskussion über den Rahmenplan und die von der Stadt ausgerichteten Workshops: „Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Sie nur solchen Mitbürgern die Teilnahme gestatten, die Ihren Umgestaltungsplänen zustimmen“, schreibt der Rechtsanwalt im Ruhestand an die Stadt – was Beigeordneter Andreas Fresen zurückweist: „Sie hätten ja an den Workshops teilnehmen können.“ Zurückgewiesen worden sei einer der Eigentümer, weil er sich nicht vorher angemeldet habe.
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Ohne Parkplätze: Hafer investiert nicht, Müller zieht ab
Hanna Hafer vertritt die Netphener Hafer Backwaren GmbH, die im Einkaufszentrum einen Shop mit Cafébetrieb betreibt. „Wir möchten den Laden im Frühjahr gern komplett erneuern – aber nur, wenn der Hufeisenparkplatz bleibt.“ Das Geschäft hat Stoßzeiten: vormittags und mittags, wenn Beschäftigte aus der Umgebung sich mit Frühstück und Snacks versorgen, und abends, wenn die Pendler aus der Stadt zurückkommen. Zeit haben sie alle nicht: „Wichtig ist, dass man gut parken kann.“ So wie in Dreis-Tiefenbach und Deuz, Wilnsdorf und Kreuztal, Siegen, Geisweid und Buschhütten, wo Hafer weitere Filialen in Einkaufszentren betreibt. Tagsüber, sagt Hanna Hafer, ist wenig Leben in der Stadt – und mit Gastronomie entsprechend wenig zu verdienen.
Wenn überhaupt, essen die Leute im Laden und nicht an einem der beiden Tische draußen, berichtet Thorsten Kreps, der die Erndtebrücker Metzgerei Müller vertritt, die auch in Kreuztal, Siegen und Bad Berleburg Filialen hat. „Unser Hauptgeschäft machen wir bis 13.30 Uhr.“ Die meisten holen ihr Essen ab, „die wenigsten setzen sich mal für eine halbe Stunde.“ Schon die Sperrung der Durchfahrt durch die Talstraße habe dem Geschäft geschadet. „Die Leute gehen zu dem Bäcker, bei dem sie parken können.“ Würde der Hufeisenparkplatz aufgegeben, „wird das für uns das Aus in Netphen sein.“
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Das sagt die Stadt Netphen: Mehrheit will autofreien Platz
„Ein sehr große Mehrheit“ der Teilnehmenden am Rahmenplan-Prozess sei für einen autofreien Hufeisenplatz, sagt Beigeordneter Andreas Fresen. Gewonnen würde Platz für Außengastronomie, die mehr Publikum in die Stadt ziehen würde. „Wir haben auch schon Nachfragen aus der Gastronomie.“ Für Autos sei das Parkhaus die bessere Alternative. Dagegen entstünden auf dem Hufeisenplatz mitunter brisante Verkehrssituationen. 38 Mal sei die Polizei seit 2018 dorthin zu Unfällen ausgerückt, „und ständig werden die Pollern umgefahren.“
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Der Streit ums Recht: 209 Stellplätze von Hausbesitzern bezahlt
Ende der 1970er Jahre haben die Bauherren des neuen Einkaufszentrums Stellplätze „abgelöst“: 4500 DM haben sie für jeden Parkplatz bezahlt, den sie sonst hätten anlegen müssen. „Auf Dauer“, so die damalige Vereinbarung mit der Gemeinde Netphen, dürften auch Garagen auf Gemeindegrundstück aufgestellt werden.
Insgesamt 209 Stellplätze wurden auf diese Weise bezahlt, deren Verbleib Immobilieneigentümer Peter Jung nachzuvollziehen versucht. 57 davon, schrieb der Anwalt der Eigentümergemeinschaft im vorigen Jahr an die Stadt, fehlten bereits jetzt – wobei das dritte Parkdeck des Rewe-Kaufhauses nicht akzeptiert wird. Es gehe um ebenerdige Parkplätze. Peter Jung verweist darauf, dass auch die Stadt selbst einen Stellplatznachweis schuldig sei: Schon vor der Erweiterung des Rathauses um 2000 herum hätten 48 Stellplätze für die Verwaltung gefehlt, ein bereits beim ersten Rathaus-Anbau in den 1970er Jahren geplanter Parkplatz am Heimatmuseum sei nie gebaut worden. Im Zusammenhang mit der letzten Innenstadt-Umgestaltung mit Rathausneubau und Rathausplatz war es zum Schwur gekommen: Damals einigten sich Stadt und Eigentümer auf die Ausweisung von Ersatzparkplätzen auf dem Schotterparkplatz, auf den auch die Garagen gestellt wurden. Außerdem verzichtete die Stadt auf den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses an der Ecke Talstraße/Amtsstraße. Mittlerweile ist der Schotterparkplatz dem „Quartier Talstraße“gewichen, die Garagen stehen nun hinter dem Rathaus.
Diesmal will die Stadt nicht nachgeben. „Wir haben ein Rechtsgutachten“, sagt Beigeordneter Andreas Fresen, „wir können und dürfen das überplanen.“ Mit dem Geldbetrag hätten dei Eigentümer ihre Verpflichtung abgelöst, einen Stellplatz zu bauen, nicht aber den Bau eines Stellplatzes durch die Stadt bezahlt
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