Siegen. Das Gericht hat den Streit um die Buslinien in Siegen entschieden: Keiner der Konkurrenten bekommt die Konzessionen. Wie es nun weitergeht.

Die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) bekommen endgültig keine Konzessionen für die 67 Buslinien in Siegen, Kreuztal, Hilchenbach, Freudenberg und Netphen. Das Verwaltungsgericht Arnsberg hatte die bis Dezember 2028 erteilten Genehmigungen bereits 2018 aufgehoben. Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS), Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) und ihr damaliger Mitbewerber, der Busverkehr Siegen-Wittgenstein-Olpe, hatten daraufhin beim Oberverwaltungsgericht (OVG) beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Das hat das OVG nun abgelehnt. Die Genehmigungen für das „Linienbündel Mitte“ bleiben endgültig unwirksam.

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Was bedeutet das?

Praktisch erst einmal nichts. „Der Ball liegt jetzt beim ZWS und der Politik“, sagt VWS-Prokurist Stephan Boch. „Der Status hat sich für uns nicht geändert.“ Die Busse im Kernraum Siegen sind schon seit 2019 nur mit „einstweiligen Erlaubnissen“ unterwegs, die von der Bezirksregierung jeweils für ein halbes Jahr erteilt werden. Seitdem weicht auch die „Eigenwirtschaftlichkeit“ auf, die der Kreis Siegen-Wittgenstein mit dem Linienbündel sichern wollte: Die Fahrgeldeinnahmen sollten ausreichen, um den Betrieb zu finanzieren, sodass keine Zuschüsse aus dem Kreishaushalt nötig werden.

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Bereits Ende 2020 und im ganzen Jahr 2021 war das außer Kraft gesetzt: Die Busse fuhren im „öffentlichen Dienstleistungsauftrag“, das Defizit wurde mit dem Corona-Rettungsschirm ausgeglichen. Seit 2022 gilt ein „Höchsttarif“: Festgelegt ist, wie viel die Verkehrsunternehmen durch den Fahrkartenverkauf erwirtschaften müssen – den Rest legt der Kreis drauf. Im Herbst 2021 war von 7,5 Millionen Euro die Rede. Dabei muss es nicht bleiben. Durch die drei Monate mit dem Neun-Euro-Ticket seien die Einnahmen „noch mal dramatisch eingebrochen“, sagt Stephan Boch.

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Wie geht es weiter?

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat ohnehin begonnen, den öffentlichen Nahverkehr neu zu sortieren, nachdem der Nahverkehrsplan von 2018 die Verkehrsunternehmen in die roten Zahlen getrieben hat. Gearbeitet wird an einem neuen Nahverkehrsplan, der wahrscheinlich den Einsatz der Linienbusse im Taktverkehr auf die Hauptstrecken konzentrieren wird und neue, am Bedarf orientierte Lösungen („On demand“) für die ländlichen Gebiete finden wird. Entschieden werden muss auch, ob der Kreis wieder ein eigenes Verkehrsunternehmen gründet – die VWS hat er 2005 verkauft –, sich an einem Unternehmen beteiligt oder die Linien EU-weit ausschreibt. Eine Rolle spielt dabei, dass der Kreis künftig von vornherein zahlen muss, was er bestellt – „eigenwirtschaftlich“ wird sich kein Unternehmen mehr darauf einlassen. Neu ist nun, dass der Kreis zumindest im Kernraum damit nicht mehr bis 2028 warten muss.

Drei Konkurrenten

144 Buslinien in fünf Linienbündeln in Siegen-Wittgenstein und Olpe standen 2017 zur Vergabe an. Für alle ging der Zuschlag an die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS). Der Busverkehr Ruhr-Sieg, der bis dahin Linien in Olpe, Wittgenstein und im südlichen Siegerland betrieb, blieb außen vor. Im Linienbündel Mitte trat der Busverkehr Siegen-Wittgenstein-Olpe (BSO) neu auf.

Die Bezirksregierung fand, das Angebot der VWS sei um 30 Prozent besser als das des BSO. Der widersprach: Die VWS erhalte die Genehmigungen für ein Angebot, das sie gar nicht gemacht hätten.

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Wie kam es zu dem Rechtsstreit?

Am Linienbündel Mitte, in dem in zehn Jahren 7,5 Millionen Kilometer auf 67 Linien gefahren werden, war das Interesse der Busunternehmen groß: Die Siegener VWS bekamen den Zuschlag, unterlegen waren der Busverkehr Ruhr-Sieg („Westfalenbus“) der Deutschen Bahn und der „Busverkehr Siegen-Wittgenstein-Olpe“ (BSO), eine Gründung des Solinger Kraftverkehr Gebrüder Wiedenhoff. Westfalenbus ließ sich abfinden und fährt nun Linien im Auftrag der VWS, Wiedenhoff klagte. Das Verwaltungsgericht Arnsberg wies die Klage ab – stellte aber gleichzeitig fest, dass auch die VWS den Zuschlag nicht hätten bekommen dürfen.

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Was sagt das Gericht?

In Kurzfassung: Es gibt keinen Grund, eine Berufung zuzulassen, weil keine grundsätzlich zu klärenden Rechtsfragen offen sind. Nicht nur das klagende Wiedenhoff-Unternehmen, sondern auch die VWS hätten nicht das Angebot gemacht, das der ZWS ausgeschrieben habe. Und dann geht es ins Detail des vom Busverkehr Siegen-Wittgenstein-Olpe vorgelegten Fahrplans: 18 Fahrten der Linie R 37 (Freudenberg-Siegen) verpassten in Siegen den Anschluss zum RE 16 nach Essen, 15 Fahrten der Linie R 38 erreichten in Freudenberg nicht mehr die L 151 nach Plittershagen, und so weiter. Teilweise seien die Verbesserungen im neuen Nahverkehrsplan nicht berücksichtigt worden, teilweise bleibe der Antrag hinter dem Standard von 2006 zurück -- beispielsweise mit 17 fehlenden Schulbusfahrten zum Geisweider Schießberg.

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Die VWS hatten vorgebracht, es sei „grob unverhältnismäßig“, ihr wegen einzelner Mängel im Angebot die Konzessionen zu entziehen. Der ZWS hatte die Auffassung vertreten, die Busunternehmen hätten „mit ihren verbindlichen Zusicherungen mögliche Abweichungen (...) neutralisiert“. Das wiederum, so das OVG, habe schon das Verwaltungsgericht „aus nachvollziehbaren Gründen“ nicht geglaubt. Die VWS hätten „nicht durchgreifend in Abrede“ gestellt, „dass ihre Erklärungen (...) so zu verstehen waren, wie sie das Verwaltungsgericht verstanden hat“. Dass nämlich die VWS „den Eindruck gehabt habe, … keine weiteren Fahrten anbieten zu müssen“.

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