Siegen-Wittgenstein. Für die Subventionierung der Fahrpreise plant der Kreis 2022 5,8 Millionen Euro ein. Hinzu kommen Investitionen in Fahrzeuge und Haltestellen.

Günter Padt lässt von Anfang an keinen Zweifel aufkommen: „Der öffentliche Nahverkehr wird in Zukunft richtig viel Geld kosten.“ Die Mitglieder des Beirates des Zweckverbandes Personennahverkehr (ZWS), allesamt Vertreter von Räten und Verwaltungen der Städte und Gemeinden, nehmen die Ankündigung des Geschäftsführers kommentarlos zur Kenntnis. Für diese Wahlperiode, die bereits im November 2020 begonnen hat, ist das ihr erstes Treffen. Vier Problemfelder, die Kosten treiben, wurden deutlich:

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

1. Das Defizit

Den „eigenwirtschaftlichen“ öffentlichen Nahverkehr, bei dem die Verkehrsunternehmen ihre Kosten durch Fahrgeldeinnahmen decken, gibt es auch in Siegen-Wittgenstein nur noch auf dem Papier. Neben den Ausgleichszahlungen für den Schülerverkehr und der Förderung für den Kauf neuer Fahrzeuge, die vom Land kommen, bezahlen die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe schon seit sieben Jahren das Schülerticket. Darüber hinaus, so der ZWS-Geschäftsführer, bringen die beiden Kreise

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

auf.

+++ Lesen Sie auch: Siegen bereitet den Neustart für den Nahverkehr vor +++

Ihre Sorge: Die Verkehrsunternehmen – beim Busverkehr sind das vor allem die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) – werden den Betrieb nicht mit roten Zahlen aufrecht erhalten und die Linienkonzessionen zurückgeben Dann muss der ZWS den gewünschten Fahrplan EU-weit ausschreiben und, auf Kosten der Kreise und unabhängig von den Fahrgeldeinnahmen, komplett bezahlen. Zuletzt war, um den ÖPNV zu stützen, ein „Höchsttarif“ im Gespräch: ein maximaler Preis für den Fahrschein, den die Kreise dann aufstocken, um den auskömmlichen Erlös für die Unternehmen herzustellen. Für solche „ergänzenden tariflichen Maßnahmen“ plant der Kreis allein 5,8 Millionen Euro im Etat 2022 ein. Aktuell fahren die Verkehrsunternehmen sowieso nicht auf eigene Rechnung, sondern im öffentlichen Auftrag. Diese „Notvergabe“ macht es möglich, Mittel aus dem Corona-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen. Padt: „Damit halten wir den ÖPNV über Wasser.“

2. Das Angebot auf dem Land

Sparen ist keine Alternative. „Der ÖPNV muss attraktiver werden“, fordert Günter Padt. „Wir werden die Mobilität auch für kleine Weiler sichern, aber nicht mit dicken Bussen.“ Als Alternative zu den Taxibussen wird ab September in Altenhundem „Molly“ für zwei Jahre ausprobiert – ein System bei dem Besitzer von Privat-Pkw Fahrgäste auf ihrem Weg mitnehmen: „eine moderne Mitfahrzentrale“, beschreibt Siegen-Wittgensteins Landrat Andreas Müller dieses Projekt, das der ZWS managen und bei Erfolg auf sein ganzes Verbandsgebiet übertragen will. Otto Wunderlich (SPD) fordert vor allem die Gleichbehandlung aller Regionen: „Man muss um 23 Uhr nicht nur nach Walpersdorf, sondern auch nach Feudingen fahren können.“ Wunderlich bringt „Loop“ ins Gespräch, wie er in Münster fährt: den Kleinbus auf Bestellung ohne Fahrplan und vorgegebene Linien.

+++ Lesen Sie auch: Siegen und Kreuztal: Die meisten Busse sind pünktlich +++

3. Die Energiewende

Gesetzt werden die Standards im Nahverkehrsplan. Die Neufassung ist in Arbeit, in seiner Weihnachtssitzung 2022 soll der Kreistag den Entwurf ins Verfahren schicken, nach Bearbeitung aller Anregungen und Bedenken könnte er dann im Herbst 2023 beschlossen werden. Thema werde auch die Fahrzeugtechnik sein, kündigt Günter Padt an: Batterie oder Brennstoffzelle – auch das werde zu entscheiden sein. „Diese Weichenstellung wird sehr viel Geld kosten.“

4. Die Haltestellen

Geld kosten wird auch - neben den Mobilstationen, zentral in jedem Ort für den Umstieg Bus-Bahn-Fahrrad-Auto – die barrierefreie Umgestaltung von Haltestellen. 265 Haltestellen erfüllten bis 2016 die Kriterien, bis 2022 werden es 405 sein, sagt stellvertretender ZWS-Geschäftsführer Stefan Wied: „eine wesentliche Verbesserung.“ Das Ziel aber von 623 barrierefreien Haltestellen bis Ende 2022 „werden wir nicht schaffen“, räumt Günter Padt ein. Im ganzen ZWS-Gebiet gibt es 3600 Bushaltestellen.

Am Geld liegt es nicht: Leitsysteme, akustische Informationen an Haltestellen („Touch To Speech"), Buskaps und vieles mehr werden zu 90 Prozent mit Landesmitteln finanziert, zumindest noch bis 2022. Konfliktstoff bieten eher die Ausbaustandards: Da haben ZWS und Landesbetrieb Straßenbau unterschiedliche Leitlinien, stellte Marcus Winkeler von der Stadt Bad Laasphe fest.

Baustellen kosten Zeit und Geld

Straßenbaustellen behindern den Busverkehr. „Der ÖPNV kann keine Schleichwege nutzen“, stellt stellvertretender ZWS-Geschäftsführer Stefan Wied fest. Bei Umfahrungen würden unter Umständen komplette Wohngebiete abgeschnitten.

Als besonders belastend gelten die Baustellen auf der B 508, „insbesondere im Schülerverkehr“. Die Verspätungen betragen bis zu 45 Minuten. Dadurch fallen auch anschließende Fahrten auf anderen Linien aus.

Kosten entstehen, wenn zusätzliche Busse eingesetzt werden oder Strecken durch Umleitungen verlängert werden. In Dirlenbach werden zum Beispiel für den Schülerverkehr zusätzliche Taxibusse eingesetzt.

Eberhard Wied (SPD) fordert, dafür ein „fachkundiges Gremium“ einzusetzen. Dass in den Gremien der Kommunen „Banker und Friseure“ über Bushaltestellen beschlössen, sei „ganz schlimm". Dr. Günter Michel (SPD) regt an, Prioritäten zu setzen. Otto Wunderlich (SPD) widerspricht: „Es ist viel wichtiger, von den Betroffenen auszugehen als von der Wirtschaftlichkeit.“ So müsse darauf geachtet werden, dass eine Haltestelle für Menschen mit Behinderung überhaupt erreichbar sei. Landrat Andreas Müller als Vorsitzender der Zweckverbandsversammlung, wirbt für gleichwertige Haltestellenausstattungen. „Dazu wollen wir einen pragmatischen Beitrag leisten.“ Das letzte Wort aber hätten die kommunalen Gremien. „Deren Weisheit ist unermesslich.“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++