Siegen. 2004 tat sich am Rosterberg in Siegen die Erde auf: Ein uraltes Bergwerk war teilweise eingestürzt. Tausende Tonnen Beton stabilisieren den Boden

Das berühmt-berüchtigte „Siegener Loch“ ist endgültig Geschichte. Im Februar 2004 tat sich auf dem Rosterberg die Erde auf, Gebäude sackten ab, ungezählte Tonnen Beton wurden in den folgenden Jahren in den von einem alten Bergwerk durchlöcherten Untergrund gepumpt. Nun sind alle Spuren getilgt, die betroffenen Häuser an der Gläserstraße durchsaniert – und stehen auf dem wohl sichersten Berg Siegens, sagt Lukas Kneisel schmunzelnd. Von tausenden Tonnen Beton stabilisiert.

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Der Immobilienfachwirt betreut die Häuser Gläserstraße 106 bis 110 für die Netphener Firma Apensio, die für den Eigentümer die umfangreichen Baumaßnahmen an den geschädigten Gebäuden koordiniert hat. Weit über eine Million Euro sei investiert worden, die Arbeiten dauerten rund anderthalb Jahre. Weil die meisten Aufträge vergeben wurden, bevor sich die aktuelle Lage im Bausektor einstellte, und man sich auch danach gut mit den Handwerksbetrieben habe verständigen können, sei die Maßnahme im Kostenrahmen geblieben. „Wir konnten immer gute Kompromisse finden.“

Bergbauschäden: Das Gebäude Gläserstraße 112 in Siegen gibt es nicht mehr

Die Hausnummer 112 gibt es nicht mehr: Das Haus musste abgerissen werden, zu groß waren die statischen Schäden durch den Tagesbruch. Die direkt angrenzende Nummer 110 war weniger betroffen: Zwar gab es eine gemeinsame Wand – auch die wurde abgerissen – aber es wurde ein neues Fundament gegossen, das Gebäude etwa zwei Meter verlängert – gut für die Grundrisse der Wohnungen, erläutert Lukas Kneisel, die alle komplett runderneuert wurden. Decken, Böden, Leitungen, Heizung, Infrastruktur. Auf dem Dach: Eine Solaranlage für die Warmwasseraufbereitung. „Hier ist vom Altbestand quasi nichts mehr übrig geblieben“, stellt Lukas Kneisel fest.

Wo einst das Haus Gläserstraße 112 stand, ist nun ein großzügiger Parkplatz. Hier erinnert nichts mehr an den Tagesbruch aus dem Jahr 2004. (Archiv)
Wo einst das Haus Gläserstraße 112 stand, ist nun ein großzügiger Parkplatz. Hier erinnert nichts mehr an den Tagesbruch aus dem Jahr 2004. (Archiv) © Unbekannt | Hendrik Schulz

Die Hausnummern 106 und 108, die von den Bergbauschäden nicht betroffen waren, wurden ebenfalls saniert, vor allem in energetischer Hinsicht: Die Wohnungen erhielten neue Doppel-Isolierglasfenster und Eingangstüren, um die Kühle aus den Treppenhäusern draußen zu halten. Die Erdgeschoss-Wohnungen erhielten neue Terrassen, die anderen neue Balkone. Auch die Mieten für diese beiden Häuser habe man etwas erhöhen müssen, durch die Anpassungen bei den Nebenkosten sei das indes deutlich abgefedert – durch neue Versorgerverträge oder zielgerichtete Anpassungen bei den Müllgebühren etwa. Damit die Nebenkosten nicht zur „zweiten Miete“ würden, sei größtmögliche Entlastung das Ziel gewesen.

Neuer Parkplatz entschärft die Stellplatz-Situation am Rosterberg in Siegen

Zu guter Letzt wurde dann die überwucherte Außenanlage hergerichtet, was für die Nachbarschaft vorher kein zufriedenstellender Zustand gewesen sei, so Kneisel. Der großzügige Parkplatz entschärfe auch die knappe Stellplatz-Situation am Rosterberg: „Eine enorme Entlastung.“

Das Haus Gläserstraße 112 war nicht mehr zu retten: Zu groß waren die Bergbauschäden. (Archiv)
Das Haus Gläserstraße 112 war nicht mehr zu retten: Zu groß waren die Bergbauschäden. (Archiv) © Unbekannt | Horstgünter Siemon

Die Anwohner seien sehr zufrieden über die Entwicklung in ihrem Quartier, so der Immobilienfachmann – „es macht uns froh und stolz, dass hier etwas tolles für die Gegend geschaffen wurde.“ Unter den Mietern gebe es kaum Fluktuation, „das zeigt, dass sie sich hier wohlfühlen“, findet Lukas Kneisel – die Vorgeschichte des Geländes mit dem Tagesbruch sei auch kaum Thema gewesen.

Siegener Bergwerk „Grube Hohe Grethe“ schon im 17. Jahrhundert in Betrieb

1900 wurde die Grube „Hohe Grethe“ endgültig geschlossen. Aus bis zu 8,5 Meter hohen Kammern waren über die Jahrhunderte tausende Tonnen erzhaltiges Mineral abgebaut worden. Risse in den Wohnhäusern an der Gläserstraße tauchten ab Ende 2003 auf, das zuständige Bergamt Recklinghausen setzte einen Gutachter ein, Sicherungsmaßnahmen wurden durchgeführt, ebenso Probebohrungen zur Erkundung des Untergrunds. Dadurch senkte sich das Gelände, ein erster Tagesbruch trat auf, die umliegenden Gebäude wurden teils evakuiert. Dann brach die Mulde ein – das im Durchmesser etwa zehn Meter große „Siegener Loch“ entstand. Das Haus Nummer 112 drohte ein- beziehungsweise teilweise abzustürzen, zentimeterbreite Risse bildeten sich. Anwohner mussten evakuiert werden, durften nur das Nötigste aus ihren Wohnungen holen.

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Riesige Mengen Beton wurden in der Folge in die weitverzweigten Gänge und Stollen des stillgelegten Grubenkomplexes gepumpt. Um das zu ermöglichen, wurden mehrere Betonsilos vor Ort aufgestellt. Um ein Gefühl für die Ausmaße des ehemaligen Bergwerkes zu bekommen: Der Beton floss teilweise aus einem Stolleneingang an der Eiserfelder Straße (im Bereich des heutiges Streusalzlagers der Stadt Siegen) wieder heraus.

Bevor das Haus Nummer 12 abgerissen wurde, hatten sich dort auch Obdachlose einquartiert (Archiv).
Bevor das Haus Nummer 12 abgerissen wurde, hatten sich dort auch Obdachlose einquartiert (Archiv). © Unbekannt | Jürgen Schade

Bis Ende 2010 wurden immer wieder Sicherungsmaßnahmen am Rosterberg und bis unter die Siegerlandhalle nötig. Bis dahin waren noch weitere, aber deutlich kleinere Tagesbrüche aufgetreten.

Die Bezirksregierung Arnsberg / Abteilung Bergbau undf Energie in NRW (Dortmund) erkundete seinerzeit an der Eiserfelder Straße die Altbergbausituation im Bereich des Grubenfeldes Feldberger Erbstollen unterhalb des Rosterbergs. (Archiv)
Die Bezirksregierung Arnsberg / Abteilung Bergbau undf Energie in NRW (Dortmund) erkundete seinerzeit an der Eiserfelder Straße die Altbergbausituation im Bereich des Grubenfeldes Feldberger Erbstollen unterhalb des Rosterbergs. (Archiv) © Unbekannt | Horstgünter Siemon