Siegen. Nahrungsmittel in allen Hauptrollen: „Salon Ute“ führt „Romeo und Julia“ in Siegen als Objekttheater auf. Typisch Shakespeare: Es geht zur Sache!

Für die Ananas geht die Sache nicht gut aus. Sie spielt Romeos besten Freund Mercutio, und um dessen Tod mit angemessener Dramatik zu präsentieren, endet die Südfrucht zerschmettert auf der Bühne. Zweifellos ist das mehr Einsatz, als man für gewöhnlich von Schauspielern erwarten kann. Das ist einer der Vorteile, wenn man William Shakespeares „Romeo und Julia“ mit Nahrungsmitteln in sämtlichen Rollen inszeniert. Das Theater-Trio „Salon Ute“ macht genau das und passt den Namen auch gleich an die – sagen wir mal: Spezies – der Hauptdarsteller an: „Roreo und Juguretta“ – einen Keks und einen Schokoriegel.

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Was Marisa Wendt, Johannes Fast und Torben Föllmer machen, lässt sich passenderweise mit einem Shakespeare-Zitat aus „Hamlet“ bestens beschreiben: „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode“. Dieses Stück hat Salon Ute vor „Romeo und Julia“ auf die Bühne gebracht, allerdings als „Himlet“ – da war der Königssohn eine Himbeere. So abgefahren, wie das alles klingt, ist es auch. Das Kunststück liegt darin, dass das Trio bei allen Schrägheiten einen hohen inhaltlichen und künstlerischen Anspruch hat und die vermeintlichen Widersprüche völlig natürlich und unaufgeregt vereint.

Wenn Roreo (der Keks) auf Juguretta (der Schokoriegel im rosafarbenen Gewand) trifft, geht es manchmal echt zur Sache! Das Theaterprojekt „Salon Ute“ spielt Shakespeares Klassiker zwar mit Lebensmitteln auf der Bühne nach, hält sich aber an die Vorlage.
Wenn Roreo (der Keks) auf Juguretta (der Schokoriegel im rosafarbenen Gewand) trifft, geht es manchmal echt zur Sache! Das Theaterprojekt „Salon Ute“ spielt Shakespeares Klassiker zwar mit Lebensmitteln auf der Bühne nach, hält sich aber an die Vorlage. © WP | Florian Adam

Siegen: „Romeo und Julia“ mit Nahrungsmitteln in (fast) allen Rollen

„Wir sind über ziemliche Umwege drauf gekommen“, sagt Johannes Fast. Objekt- oder Figurentheater gibt es als Genre, das Salon-Team hatte entsprechende Stücke gesehen. Johannes Fast erwähnt unter anderem den britischen Act „Forced Entertainment“, der beim Zürcher Theater Spektakel 2018 Shakespeare-Werke mit Gegenständen auf einem Tisch darbot. „Ich fand es faszinierend, dass man mit eine Flasche Bier oder einer Dose Schuhcreme mitgehen und mitfühlen kann“, beschreibt er seine Eindrücke. Bei diesen Inszenierungen sei aber nicht auf Komik gesetzt werden, und diese Dimension wollte Salon Ute hinzunehmen. Shakespeare eigne sich für diese spezielle Form von Objekttheater gut, weil quasi jeder Mensch die Stoffe kennt „und sie schon 100.000 Mal adaptiert worden sind“. Lebensmittel als Ensemble sind allerdings trotz der vielen Versionen eher unüblich.

Auf Diskussionen eingestellt

In den Kampfszenen spritzen bei „Roreo und Juguretta“ Tomatenmark und Sahne durch die Gegend, Kekse und Schokoriegel überstehen die Aufführung oft nicht unbeschadet. Dass manche Menschen dies trotz der Verwendung im künstlerischen Kontext als Verschwendung von Lebensmitteln einschätzen könnten, ist dem Team von Salon Ute bewusst.

„Wir drücken uns nicht vor Kritik und sind gesprächsbereit“, sagt Regisseurin Marisa Wendt – wer Anstoß nimmt, könne gern auf das Team zukommen. „Teilweise werden die Sachen später auch noch gegessen.

„Wir sind durch den Laden gegangen und haben uns Dinge angesehen und erste kleine Szenen nachgespielt“, erzählt Torben Föllmer über das „Casting“. Es ist ja keineswegs so, dass jedes Objekt sich für jede Rolle eignet! Die Lords Montague und Capulet wurden so mit Gurkentöpfen besetzt, ihre Ehefrauen sind Sprühsahnespender, Bruder Lorenzo ist ein Basilikum. Alles wäre ohne Weiteres in größeren Mengen essbar. Bis auf den Apotheker: Der ist eine Packung Aspirin.

„Salon Ute“ hat seiner Version von „Romeo und Julia“ eine Rahmenhandlung hinzugefügt. In der spielen Torben Föllmer (links) und Johannes Fast zwei Schauspieler, die sich eine Wohnung teilen und den Shakespeare-Stoff mit Nahrungsmitteln auf dem Tisch improvisieren.
„Salon Ute“ hat seiner Version von „Romeo und Julia“ eine Rahmenhandlung hinzugefügt. In der spielen Torben Föllmer (links) und Johannes Fast zwei Schauspieler, die sich eine Wohnung teilen und den Shakespeare-Stoff mit Nahrungsmitteln auf dem Tisch improvisieren. © WP | Florian Adam

Siegen: Bei „Salon Ute“ verliebt sich ein Keks in einen Schokoriegel

Der kulinarische Hintergrund des Ensembles ist dabei innerhalb der Aufführung schlüssig begründet. Der Salon hat eine Rahmenhandlung hinzugefügt – und plötzlich macht alles einen Sinn: Torben Föllmer und Johannes Fast spielen zwei Schauspieler, die in einer WG zusammenleben, sich über die moderne „Romeo und Julia“-Adaption, in der sie gerade kleine Rollen haben, auslassen und ins Gespräch über Shakespeare an sich kommen. „Den Kitsch kann doch heutzutage kein Mensch mehr ernstnehmen“, sagt Torben Föllmer über die Geschichte des unglücklichen Liebespaares – nur um dann beim Naschen gedankenverloren seinen Oreo-Keks in die Romeo-Rolle schlüpfen zu lassen. Da beide WG-Genossen gerade die Wocheneinkäufe nach Hause geschleppt haben, ist auch das restliche Personal schnell auf dem Tisch versammelt; und was als improvisierte, witzige, durchaus anfangs oft auch überzogen ironische Spielerei beginnt, entwickelt für die beiden Männer immer mehr Sog und Tiefe.

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„Das ist auch eine Chance, das Stück immer wieder zu erklären“, sagt Torsten Föllmer über die Rahmenhandlung. „Roreo und Juguretta“ kommt dicht an die Länge des Originals heran und gibt oft den Originaltext (in deutscher Übersetzung) wieder – letzteres unter anderem, wenn die beiden WG-Jungs ihn auf die Melodien moderner Popsongs singen („weil’s einfach witzig ist“, wie Regisseurin Marisa Wendt erklärt. Womit sie übrigens Recht hat).

Siegen: „Roreo und Juguretta“ kommt auf die große Bühne im Apollo-Theater

Einige Passagen sind auch in heutige Alltagssprache übersetzt. Das ist in seiner wohldosierten gelegentlichen Flapsigkeit lustig, aber nie respektlos. Soll es auch nicht sein, im Gegenteil. Der Ansatz habe sich schon bei „Himlet“ bewährt. „Hamlet ist von der Handlung her unheimlich schwer zu verstehen. Wir wollen Shakespeare auch nachvollziehbar machen“, sagt Marisa Wendt. Nach den bisher sechs „Himlet“-Aufführungen seien Leute auf sie zugekommen und hätten gesagt, dass sie Hamlet nun erstmals verstanden hätten, ergänzt Torben Föllmer. „Auch das ist unser Anspruch.“

„Roreo und Juguretta“ ist eine Koproduktion von Salon Ute und dem Apollo-Theater. Dort ist das Stück am 24. und 25. September jeweils ab 19.30 Uhr zu sehen.

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