Siegen. Geflüchtete aus der Ukraine haben seit Juni leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt. In Siegen macht sich das bemerkbar: Die Arbeitslosenzahl steigt.

Die Zahl der Arbeitslosen im Bezirk der Agentur für Arbeit Siegen ist im Juni gestiegen – und diese Entwicklung wird sich aller Voraussicht nach in den kommenden Monaten fortsetzen. Hintergrund ist kein Abschwung auf dem Arbeitsmarkt, sondern eine Änderung gesetzlicher Vorgaben, die aus der Ukraine geflüchtete Menschen betrifft. Diese haben seit dem 1. Juni Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung („Hartz IV“), werden damit Kundinnen und Kunden des Jobcenters und tauchen so in der Arbeitslosenstatistik auf – sofern sie die Voraussetzungen „erwerbsfähig“ und „hilfebedürftig“ erfüllen.

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Im Agenturbezirk, zu dem die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe gehören, waren im Juni 9832 Personen arbeitslos gemeldet. Das sind 156 (1,6 Prozent) mehr als im Mai. Überwiegend handele es sich bei diesen 156 um Menschen aus der Ukraine, wie Agentur-Sprecherin Nina Appel erläutert. Darauf deutet auch die Verteilung auf die Rechtskreise hin. Gestiegen ist demnach lediglich die Zahl im Bereich der Grundsicherung, nämlich um 207 auf 6250 Betroffene. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung ging die Zahl verglichen mit dem Mai hingegen um 51 zurück und liegt nun bei 3582. Die Arbeitslosenquote steigt im Juni um 0,1 Punkte auf 4,2 Prozent.

Siegen: Chefin der Agentur für Arbeit rechnet mit Anstieg der Arbeitslosenzahlen

Daniela Tomczak, Leiterin der Agentur für Arbeit Siegen, erwartet „einen deutlich stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten“, wie einer Mitteilung der Agentur zu entnehmen ist. „Die hiesigen Jobcenter arbeiten eng mit den Ausländerbehörden zusammen, um einen nahtlosen Übergang für die Menschen sicherzustellen“, sagt die Expertin. „Aktuell befinden wir uns aber noch in einer Übergangszeit. Es sind noch nicht alle Anträge eingegangen und bearbeitet, im Augenblick können wir keine konkreten Einschätzungen für die beiden Kreise abgeben.“ Agentursprecherin Nina Appel weist zudem darauf hin, dass der Statistikstichtag der 13. Juni gewesen ist. Berücksichtigt werden konnte in der vorliegenden Auswertung deshalb nur, was bis zu diesem Termin an Anträgen abgearbeitet worden sei.

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In den kommenden Wochen dürften also einige hundert Fälle hinzukommen. Erfasst werden dabei nicht alle Menschen, die aus der Ukraine in den Agenturbezirk ziehen, sondern lediglich die, die einerseits den Kriterien für den Bezug der Grundsicherung entsprechen und andererseits einen Antrag dazu stellen. Dass das Verfahren gegenüber dem früheren Prozedere nun deutlich beschleunigt ist, beruhe auf einer Entscheidung der Bundesregierung, wie Nina Appel erläutert. Als in den Jahren 2015 und 2016 bereits viele Menschen nach Deutschland geflohen sind, waren die Abläufe langwieriger und komplizierter. „Wir sind dankbar, dass es nun nicht mehr ewig lange dauert, bis jemand arbeiten kann“, sagt die Sprecherin.

Arbeitsmarkt Siegen: Geflüchteten aus der Ukraine Zugang zu Jobs erleichtern

Ob und in welchem Umfang Geflüchtete aus der Ukraine am Arbeitsmarkt teilnehmen werden, wird sich noch zeigen. Die Suche nach einer Arbeitsstelle sei für viele nicht unbedingt der erste Gedanke nach ihrer Ankunft in Deutschland. Bevor die neue Regelung zum 1. Juni in Kraft getreten ist, seien es nur sehr wenige gewesen, die sich von sich aus auf der Suche nach Arbeit an die Agentur gewandt hätten. Viele Geflüchtete hätten traumatische Erfahrungen gemacht, viele würden auch hoffen, zeitnah nach Hause zurückkehren zu können, sofern Russland den Überfall abbricht und die Truppen abzieht. „Es sind Menschen, die aus einem Kriegsgebiet kommen – mit der Hoffnung, bald wieder in ihre Heimat gehen zu können“, sagt Nina Appel. Allerdings gäbe es auch einige, die signalisieren würden, dauerhaft bleiben zu wollen.

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Zuständig für die Betreuung ist der Integration Point, 2016 in Kooperation von Arbeitsagentur, Jobcenter und Kreis Siegen-Wittgenstein als zentrale Anlaufstelle für Geflüchtete eingerichtet, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Das Team nehme die Datensätze auf, erklärt Nina Appel – erfasse also unter anderem, welche Qualifikationen die Menschen bereits haben oder welche sie eventuell noch brauchen.

Siegen: Arbeitsmarkt entwickelt sich im Jahresvergleich deutlich zum Positiven

Dabei zeigten sich wegen der kulturellen Nähe zwischen der Ukraine und Deutschland teilweise Unterschiede zur Situation in und nach 2015. Damals seien unter den Geflüchteten beispielsweise auch Analphabeten gewesen, die folglich eine intensivere und langfristigere Förderung und Ausbildung benötigt hätten, um in Deutschland eine Stelle antreten zu können. „Das ist jetzt anders“, betont Nina Appel, weist aber noch auf einen weiteren Unterschied gegenüber 2015 hin: Viele Geflüchtete aus der Ukraine seien Frauen mit Kindern, um die sie sich kümmern müssten, während die Väter in der Heimat im Militäreinsatz sind.

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Einen stärker sichtbaren Anstieg der Arbeitslosenzahl werde es nach derzeitiger Einschätzung aus den besagten Gründen in der näheren Zukunft geben. Zu beachten ist dabei, dass sich die Zahlen im Jahresvergleich – also mit der Zeit vor dem russischen Angriff – deutlich zum Positiven entwickelt haben. Gegenüber dem Juni 2021, in dem noch wesentlich schärfere Coronaauflagen galten, ist die Zahl der Arbeitslosen in Siegen-Wittgenstein und Olpe um 1868 Personen beziehungsweise 16,0 Prozent gesunken. Die Arbeitslosenquote lag vor zwölf Monaten bei 5,0 Prozent und damit 0,8 Punkte über dem aktuellen Wert.

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