Siegen. . Ob und wie Flüchtlinge in Deutschland arbeiten dürfen, ist selbst für Experten nicht leicht zu durchschauen. Eine neue Einrichtung hilft nun weiter.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist in Deutschland mit Arbeit verbunden. Um Flüchtlinge früher zu erreichen und zu begleiten bauen Agentur für Arbeit, Jobcenter und Kreis Siegen-Wittgenstein auf den neuen „Integration Point“: Eine zentrale Anlaufstelle, die unabhängig vom Status hilft.

„Den Dschungel der Zuständigkeiten: Den können wir weder Flüchtlingen noch Ehrenamtlichen noch der Öffentlichkeit erklären.“

Dr. Bettina Wolf, Chefin der Agentur für Arbeit Siegen

Tatsächlich kann Bettina Wolf es doch. Allerdings dauert das relativ lange. Verantwortlichkeiten und Vorgaben variieren in Abhängigkeit davon, ob jemand Asylbewerber, Geduldeter oder anerkannter Flüchtling ist, außerdem sind da noch so genannte Kontingentflüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Regelungen, wer welche Tätigkeiten wahrnehmen darf. „Die Zuständigkeitsfrage ist schon für Experten kaum verständlich“, räumt Wolf ein. Im Integration Point, Friedrichstraße 20, ist das aber nachrangig. Das Team ist aus Personal der Arbeitsagentur und des Jobcenters zusammengesetzt und pflegt Kontakte zu den Kommunen, so dass sich Details auf kurzen Wegen klären lassen.

„Die Idee ist, die Komplexität aufzulösen und so schnell wie möglich mit der Integration in den Arbeitsmarkt zu beginnen.“

Andreas Müller, Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein

Die Integration Points sind eine landesweite Einrichtung. In Siegen-Wittgenstein begann die Arbeit im Dezember, allerdings gab es zunächst Organisatorisches zu klären. Mittlerweile läuft der Betrieb, acht bis zehn Anträge pro Tag gehen ein, 1060 Menschen in Siegen-Wittgenstein und Olpe haben sich bisher gemeldet. Schon im August, so Müller, habe der Kreis Akteure aus der Region eingeladen, um das Thema anzupacken. Mit den Weichenstellungen für die berufliche Zukunft beschäftigen sich Flüchtlinge standardmäßig recht spät – oft erst, wenn mit der Anerkennung das Jobcenter zuständig wird. „Wir müssen die Leute früher abholen“, betont Andreas Müller.

„Viele Flüchtlinge sind erstaunt, dass es ein Jobcenter gibt. Aus ihren Heimatländern kennen viele so etwas nicht.“

Swetlana Silotowa, stellvertretende Projektleiterin der Arbeitsagentur Siegen

Der deutsche Arbeitsmarkt ist für Zuwanderer generell nicht immer leicht zu durchschauen. Modelle wie die Duale Ausbildung etwa sind in vielen Ländern unbekannt, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen eine komplexe Angelegenheit. Hinzukommt, wie Bettina Wolf betont, eine große Bandbreite an Qualifikationen: „Das reicht vom Ingenieur oder Arzt bis zum nicht alphabetisierten Mittdreißiger.“ Nur etwa zehn Prozent der Flüchtlinge, schätzt Wolf, seien unmittelbar in den Arbeitsmarkt zu integrieren: „Das heißt, dass wir für 90 Prozent Maßnahmen brauchen.“ Allem voran geht es natürlich um Sprachkurse, aber auch um andere Programme. Nach fünf Jahren – zumindest laut Statistik – sei davon auszugehen, dass rund die Hälfte der professionell betreuten Flüchtlinge im Berufsleben steht.

„Arbeitsmarktpolitisch sind wir jetzt in einer komfortablen Situation.“

Dr. Bettina Wolf, Agenturchefin

Im Jahr 2018 werden laut Prognosen der Arbeitsagentur erstmals mehr Erwerbstätige den Arbeitsmarkt in der Region verlassen, als neue hinzukommen. Der Mangel an Arbeitskräften könne mit der Zuwanderung ausgeglichen werden. Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kompetenz, Motivation und mitunter bereits hohe Ausbildungsgrade seien außerdem Stärken, die viele Flüchtlinge mitbrächten. „Wir müssen die Menschen finden“, betont Wolf. Der Integration Point soll die Suche beschleunigen.

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