Eiserfeld. „Top Gun: Maverick“ mit Tom Cruise startet in den Kinos. Einer der Stars hat Verbindungen nach Siegen: Seine Mutter kommt aus Eiserfeld.

  • Fans von „Top Gun“ mussten mehr als 35 Jahre auf eine Fortsetzung des Kinoklassikers warten
  • Für Hollywood-Produzent Jerry Bruckheimer war es eine besondere Herausforderung.
  • Die Geschichte des Produzenten führt nach Eiserfeld, denn hier kam Bruckheimers Mutter Anna zur Welt

Der Junge ist wie aus dem Ei gepellt. Lange Hose, Anzugjacke, helles Hemd, gemusterte Krawatte und quer über der Schulter eine Kamera. Seine Kamera! Denn seit er sechs ist, geht er kaum ohne sie aus. Den Fotoapparat hat ihm einer seiner Onkel geschenkt, vermutlich einer der Brüder der Mutter. Die steht groß und stolz neben ihrem Sohn, auch sie sehr schick in Bluse, Rock und Blazer. Die beiden machen was her, und es ist dem Bild, das sie so glücklich zeigt, anzusehen, wie gut sie miteinander sind. Ein langes Leben lang konnte Anna Bruckheimer ihren Sohn begleiten. Sah in zur Highschool gehen, zur Universität, in die Werbebranche, nach Hollywood. Sie sah, wie für ihn ein Traum wahr wurde, nämlich der, Filme zu machen.

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Jerry Bruckheimer („Fluch der Karibik“) liebt es, Geschichten auf der großen Leinwand zu erzählen, abenteuerliche Storys mit echten Kerlen und schönen Frauen, mit Action und Tempo und auch mit einer Prise Humor. Spätestens seit „Flashdance“ und „Beverly Hills Cop“ ist er ein Garant für Blockbuster, erst recht seit „Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel“, der 1986 mit Tom Cruise in der Hauptrolle in die Lichtspielhäuser kam und zu einem der 80er Filme überhaupt wurde. Jetzt sind Jerry Bruckheimer und Tom Cruise mit dem unerschrockenen, ungezähmten Kampfpiloten Pete Mitchell zurück: Jetzt kommt „Top Gun: Maverick“ in die Kinos und erzählt die Geschichte weiter.

Joseph und Josephine Alexander aus Eiserfeld, die Eltern von Jerry Bruckheimers Mutter Anna. Der Enkelsohn ist einer der erfolgreichsten Produzenten in Hollywood.
Joseph und Josephine Alexander aus Eiserfeld, die Eltern von Jerry Bruckheimers Mutter Anna. Der Enkelsohn ist einer der erfolgreichsten Produzenten in Hollywood. © Unbekannt | privat

„Top Gun: Maverick“: Jerry Bruckheimers Mutter Anna kommt aus Siegen

Die Geschichte des Produzenten beginnt in Detroit, Michigan, wo er als einziges Kind deutsch-jüdischer Immigranten am 21. September 1943 geboren wird. Und: Sie führt nach Eiserfeld, denn hier kam Bruckheimers Mutter Anna am 23. Dezember 1904 als Tochter des jüdischen Viehhändlers und Metzgermeisters Joseph Alexander und dessen dritter Frau Josephine geb. Stein zur Welt. Das Paar hatte sieben Kinder; sieben weitere Kinder entstammten Josephs Ehe mit der 1889 verstorbenen Metzgerstochter Bertha geb. Reiss. Bekannt ist den Archiven ein weiterer Sohn, Nathan (geb. 1873), den der 1844 im hessischen Ehringshausen geborene Joseph Alexander mit seiner ersten Frau Sinchen Frank aus Kaan-Marienborn hatte.

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Anna wächst also in einer großen Familie auf. Die Alexanders wohnen im Schatten der Eiserfelder Mühle. Die Metzgerei betreiben sie unweit der evangelischen Kirche an der Freiengründer Straße, geschlachtet wird in der Scheune des benachbarten Hauses an der Mühlenstraße, der späteren Bäckerei Schütz. All das geht lange gut, doch mit dem Erstarken des Nazi-Regimes in Deutschland ist für die Alexanders gut bald kaum etwas mehr.

Familienfeier bei den Alexanders in Amerika: Auch Anna Bruckheimer (am Tisch hinten, im geblümten Kleid) und ihr Mann Ludwig (links neben ihr) sind zur Hochzeit von Willies Sohn geladen.
Familienfeier bei den Alexanders in Amerika: Auch Anna Bruckheimer (am Tisch hinten, im geblümten Kleid) und ihr Mann Ludwig (links neben ihr) sind zur Hochzeit von Willies Sohn geladen. © Unbekannt | privat

Hollywood-Produzent Jerry Bruckheimer: Familiengeschichte mit Bezügen nach Siegen

Schon früh suchen etliche der Alexander-Kinder ihr Glück in Amerika und finden es auch. Wie Willie und Erich: Die beiden gründen 1946/47 mit Otto Hornung den „Alexander & Hornung Meat Market“, der mit der angeschlossenen Wurstküche zur produktiven Zelle einer expandierenden Lebensmittelfabrikation wird, auch mit weiteren Partnern wie Willies Schwager Bernard Polen. Sowohl „Alexander & Hornung“ als auch „Alexander & Polen“ sind bis heute in Detroit zu finden.

Einblicke ins Familienleben

„Top Gun: Maverick“ startet am 26. Juni in den Kinos. Vorpremieren gibt es schon am Mittwoch, 25. Mai, im Dahlbrucher Viktoria und im Siegener Cinestar.Jerry Bruckheimer erzählt über seine Familie auch in einem Beitrag des National Museum of American History. Unter https://americanhistory.si.edu/american-scene/jerry-bruckheimer finden sich auch Fotos aus dem Familienalbum.Eine Spur der Familie Alexander aus Eiserfeld führt nach Kanada. Einer der Gründer der Schuhfabrikation „Roots“, Don Green, ist der Enkel von Ella (Elise) Alexander, einer Halbschwester von Jerry Bruckheimers Mutter Anna.

Willie und Erich Alexander gelingt es, in den frühen 1930er-Jahren eine Einreiseerlaubnis für ihre jüngere Schwester Anna zu erhalten. Kein leichtes und auch kein preiswertes Unterfangen. Eidesstattlich müssen die Brüder versichern, für Anna zu sorgen, sollte sie weder Arbeit noch Ehemann finden. Die Schwester kann im Geschäft der Brüder die Bücher führen, und: sie findet einen Mann. Am 16. August 1936 heiratet sie den aus Eubigheim im Main-Tauber-Kreis stammenden Ludwig Bruckheimer, wie seine Frau 1904 geboren, aber schon in den 1920ern nach Amerika ausgewandert.

Anna Bruckheimer: Mutter von Produzent Jerry Bruckheimer verließ Siegen in 1930ern

Der Kaufmann verdient sein Geld als Herrenausstatter, später wechselt auch er ins Fleisch-und-Wurst-Geschäft. Als 1943 Sohn Jerry zur Welt kommt, tobt der Zweite Weltkrieg, arbeitet Hitlers Tötungsmaschinerie längst unerbittlich an der Auslöschung des jüdischen Lebens in Europa. Anna und Ludwig seien glücklich gewesen, Deutschland rechtzeitig haben verlassen zu können, berichtet Jerry Bruckheimer in dem autobiographisch angelegten Bildband „When Lightning Strikes“. Denn etliche Verwandte – darunter zwei Schwestern des Vaters – überleben den Holocaust nicht.

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Nur um Haaresbreite gelang es Annas Bruder Siegmund, Deutschland im August 1939 nach England zu verlassen. Er hatte versucht, die väterliche Metzgerei in Eiserfeld weiterzubetreiben, doch das „Deutsche, kauft nicht bei Juden“ traf auch ihn. Keine Kunden, kein Kontingent an vom Schlachthof zugeteiltem Fleisch. Im November des Jahres 1938 zertrümmerte der Nazi-Mob auch die Schaufensterscheiben seines Ladens. Siegmund wurde verhaftet und ins KZ Sachsenhausen überstellt. Kurz vor Weihnachten wurde er wohl nur entlassen, weil er seine bevorstehende Auswanderung nachweisen konnte. Auch davon wird Jerrys Mutter Anna erfahren haben. Deutsch jedenfalls sprach man im Hause Bruckheimer nur, wenn etwas gerade nicht für die Ohren des Sohnes bestimmt war.

1932 starb der Eiserfelder Metzger Joseph Alexander, Großvater des Hollywood-Produzenten Jerry Bruckheimer. Er wurde im jüdischen Teil des Hermelsbacher Friedhofs in Siegen begraben.
1932 starb der Eiserfelder Metzger Joseph Alexander, Großvater des Hollywood-Produzenten Jerry Bruckheimer. Er wurde im jüdischen Teil des Hermelsbacher Friedhofs in Siegen begraben. © Unbekannt | Claudia Irle-Utsch

Siegen: Hermann Plate aus Eiserfeld hält Kontakt zur Familie von Jerry Bruckheimer

Nach Deutschland zurück kamen manche der Alexanders nach Kriegsende dann doch. Siegmund und später seine Witwe Blanka, um Erstattungsansprüche geltend zu machen, deren Sohn Herbert als US-amerikanischer Soldat, und die zu Wohlstand gekommenen Wurstfabrikanten Erich und Willie. Letztere besuchten in den 1950ern gelegentlich alte Freunde in Eiserfeld, und dass sie dabei stets mit den neuesten amerikanischen Straßenkreuzern in der Helsbachstraße vorfuhren, faszinierte den Nachbarsjungen Hermann Plate.

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Als der 1983 den Musikerfreund Harald Weller aus dem einstigen Fietz-Team in Detroit treffen wollte, fielen ihm die Alexanders wieder ein. „Ich habe dann im Telefonbuch nachgeschlagen, aber da wimmelte es nur vor Alexanders“, so der Eiserfelder. Es war Zufall oder glückliche Fügung, dass er bei einem späteren Stopp in der Autostadt das Fabrikgebäude von Alexander & Hornung passierte. „Ich halte an, gehe auf das Gebäude zu und sehe, wie ein älterer Herr in einem schwarzen 7er BMW aus der Garage fährt. Ich bitte ihn, das Fenster herunterzulassen, und als ich dann sagte, ,Esch glauwe Se sinn us Iserfeäll‘, da sprang der Mann aus dem Auto, umarmte mich und wollte mich gar nicht mehr loslassen.“ Hermann Plate hatte Herman Alexander gefunden!

Der Eiserfelder Hermann Plate knüpfte in den 80er-/90er-Jahren Kontakte zu den Alexanders in Detroit. Die beiden Fotos im Buch zeigen Jerry Bruckheimer an der Seite seiner Mutter Anna.
Der Eiserfelder Hermann Plate knüpfte in den 80er-/90er-Jahren Kontakte zu den Alexanders in Detroit. Die beiden Fotos im Buch zeigen Jerry Bruckheimer an der Seite seiner Mutter Anna. © Unbekannt | Claudia Irle-Utsch

Jerry Bruckheimer: Mutter des erfolgreichen Filmproduzenten stammt aus Siegen

Bei einem späteren Besuch habe der alte Herr sichtlich bewegt seine Schwester Anna in Florida angerufen: „Can you guess who is here?“ Ob sie sich vorstellen könne, wer gerade bei ihm zu Gast sei?! Und so erfuhr Hermann Plate dann auch vom berühmten Sohn der Anna Bruckheimer, von Jerry, den er zu gern einmal selbst getroffen hätte. Bislang wurde daraus nichts, doch ohne Plates Tipp wäre auch Bürgermeister Steffen Mues nicht darauf gekommen, dass Jerry Bruckheimer einen Teil seiner Wurzeln im Siegener Süden hat. „Dass die Mutter eines der erfolgreichsten Filmproduzenten aller Zeiten aus Eiserfeld stammt, macht die Siegener Geschichte um ein bemerkenswertes Kapitel reicher“, so Mues. Diese Siegerländer Familie habe sich tatsächlich den amerikanischen Traum erfüllen können.

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Jerry Bruckheimers Traum freilich ist zunächst einer fernab der Wirklichkeit. Seine Eltern sehen ihn eigentlich als Arzt oder Juristen. Doch der Sohn will Filme machen, unbedingt. Das nötige Rüstzeug erwirbt er als Autodidakt. Fotografiert, geht in jeden Film, den er anschauen kann, liest sich ein auch in Sachen Storytelling, bleibt dran an seiner Vision. Mit 17 verlässt er die Mumford High School (ein Shirt dieser „Penne“ trägt Eddie Murphy übrigens in „Beverly Hills Cop“!), studiert zunächst Psychologie, jobbt in einer Werbeagentur und beginnt in New York, erste Filme zu drehen. Anfang der 1980er merkt Hollywood auf, dann geht die Karriere plötzlich steil. Bruckheimer wird zum Garanten für Kinoknüller. Sein Erfolgsprinzip führt er auf das Arbeitsethos der Eltern zurück: „The harder you work, the luckier you get.“

Jerry Bruckheimer ist einer der erfolgreichsten Filmproduzenten Hollywoods. Seine Mutter Anna kam 1904 in Eiserfeld zur Welt.
Jerry Bruckheimer ist einer der erfolgreichsten Filmproduzenten Hollywoods. Seine Mutter Anna kam 1904 in Eiserfeld zur Welt. © Getty Images for Paramount Pictures | Stringer Tristan Fewings

Hollywood-Produzent Jerry Bruckheimer: Großvater ruht auf Hermelsbacher Friedhof

Jerrys Vater stirbt im Dezember 1983. Da waren die Eheleute Bruckheimer schon von Detroit nach Pompano Beach, Florida, umgesiedelt. Und auch wenn der Sohn vieles unternahm, um die Mutter zu einem Umzug nach Los Angeles zu bewegen, Anna blieb dort. „So schuf Jerry ,CSI: Miami‘ – und damit viele Gelegenheiten, die Mutter zu besuchen“, berichtet Bernie Polen, Geschäftspartner und Verwandter der Alexanders. Anna Bruckheimer starb im Dezember 2008 – mit 103 Jahren. Sie wurde auf dem Star of David Memorial Gardens Cementery von North Lauderdale begraben. Eine der letzten sichtbaren Spuren ihres Vaters in Siegen findet sich im jüdischen Teil des Hermelsbacher Friedhofs. Joseph Alexander hatte zwar seine Kinder in Amerika besucht, leben wollte er (er war doch ein Deutscher!) dort nie. Er starb am 27. Februar 1932 in Eiserfeld.

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Seine verwitwete Frau meldete sich am 30. Januar 1934 aus Deutschland ab, sie emigrierte gemeinsam mit Herman, dem jüngsten Sohn, in die USA. Die „Großmutter“, wie ihre Enkel sie auf Deutsch nannten, verbrachte ihren Lebensabend bei Willie und seiner Frau Sophie. Der Tod der 72-jährigen Mrs. Josephine Alexander ist am 23. März 1939 in der Detroit Free Press angezeigt.

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