Kreuztal. Kreuztal Kultur muss nun neu planen – für bestimmt drei bis fünf Jahre. Das sind die Perspektiven für die Zeit ohne Stadthalle.

Es war am Montag, gegen Mittag. Kreuztals Kulturamtsleiter Holger Glasmachers ruft in der Redaktion an: Die Pressekonferenz, bei der das Programm für die neue Spielzeit vorgestellt werden soll, findet nicht im Bürgerforum statt – dort werde so intensiv gearbeitet, dass ein solcher Termin stören würde. Schließlich sei man in Verzug und unter Zeitdruck. Fast zur gleichen Zeit fuhren die ersten Löschfahrzeuge Richtung Stadthalle – die nun nie als Bürgerforum neu eröffnet werden wird.

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15.000 druckfrische Programmhefte werden eingestampft

Die nächste Nachricht aus dem Kulturamt kam keine vier Stunden später: keine Pressekonferenz, nicht im Bürgerforum, auch nicht im Kulturamt an der Siegener Straße. Und auch kein Programm mehr. Die Stadthalle ist abgebrannt. „Hier sind Tränen geflossen“, erzählt Holger Glasmachers am Tag danach über den Montagnachmittag. „Wir stampfen die 15.000 Programmhefte ein. Den Postversand konnten wir gerade noch stoppen.“

Brandruine Stadthalle: Verloren geht neben dem Veranstaltungsort auch die Aula für das Schulzentrum.
Brandruine Stadthalle: Verloren geht neben dem Veranstaltungsort auch die Aula für das Schulzentrum. © WP | Hendrik Schulz

Man kann sich das vorstellen. Schon über drei Jahre dauert die „Tour der Kultur“ zu den Ausweich-Spielstätten, im Januar 2019 fand die letzte Veranstaltung in der Stadthalle statt. Am 7. Januar 2023 sollte es im Bürgerforum weitergehen. „Alles war auf der Zielgeraden." Bartische, Theke und Sessel für das neue Büffet bestellt, die Stühle mit dem digitalen Reservierungssystem stehen schon seit einiger Zeit in der Otto-Flick-Halle. Und jetzt? Jetzt will der Kulturamtsleiter noch nicht einmal mehr sagen, was das Publikum denn ab Januar erwartet hätte – zu sensibel, weil jetzt noch darüber verhandelt wird, was womöglich an eine andere Spielstätte gerettet werden kann. „Das Programm wäre wirklich klasse gewesen“, sagt der Kulturamtsleiter, der vor 30 Jahren ins Kulturamt gekommen ist, kurz nach der Eröffnung der Stadthalle am 31. März 1990. „Es tut mir in der Seele weh.“

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Programm zunächst nur bis Jahresende

Noch in dieser Woche wird das Programm bis Jahresende veröffentlicht, so wie es geplant war, damit der Vorverkauf am Montag., 23. Mai, beginnen kann. Im Herbst, so hofft Holger Glasmachers, wird dann die zweite Hälfte der Spielzeit von Januar bis Mai Konturen annehmen. „Ich beginne jetzt, mit den Agenturen Kontakt aufzunehmen.“

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Fortsetzung der „Tour der Kultur“?

Die Tour der Kultur war vor allem im Eichener Hamer, in der Krombacher Erlebniswelt, in Kirchen und in städtischen Hallen platziert. Zuletzt vor allen in der Otto-Flick-Halle und in der Turn- und Festhalle Buschhütten, nachdem aus Pandemie-Gründen Krombach und Eichen für fremde Veranstalter gesperrt wurden. Holger Glasmachers äußert sich nicht dazu, ob dieses Arrangement für die nächsten drei bis fünf Jahre verlängert werden kann. „Wir müssen in Ruhe mit ganz vielen Leuten sprechen“, sagt der Kulturamtsleiter, „hinter verschlossenen Türen“. Klar sein dürfte, dass die Sportvereine, die eigentlich die Hallen belegen und die während er Pandemie ohnehin Mitglieder eingebüßt haben, nicht noch einmal über so lange Zeit stillhalten – ihr Fortbestand wäre in Gefahr. Zudem ist die Otto-Flick-Halle längst Sanierungskandidat; sie sollte nach der Eröffnung des Bürgerforums an die Reihe kommen.

Die Polizei hat den Brandort abgesperrt und ermittelt. Möglicherweise hat sich das Feuer bei Schweißarbeiten entzündet
Die Polizei hat den Brandort abgesperrt und ermittelt. Möglicherweise hat sich das Feuer bei Schweißarbeiten entzündet © WP | Hendrik Schulz

Schulzentrum Kreuztal weiter ohne Aula

Schwer sein wird es für die Schulen im Schulzentrum, für die die Stadthalle als Aula gebaut worden war: Eine ganze Schülergeneration wird nun nicht mehr in der eigenen Schule musizieren, Theater spielen oder feiern können. Rat und Ausschüsse werden weiter durch die Hallen wandern müssen – dorthin, wo gerade kein Sport stattfindet und keine Veranstaltung vorbereitet wird. Für die Kultur könnte ein Interimsstandort gesucht und eingerichtet werden – in anderen Städten werden dafür Fabrikhallen oder Zelte genutzt; der Musical-Dome am Kölner Hauptbahnhof zum Beispiel steht dort schon seit 26 Jahren. Kreuztalkultur nach Siegen zu transferieren, wäre nicht undenkbar – viel eher aber böte sich wohl die erneute Zusammenarbeit mit Hilchenbach an. Dort entsteht gerade mit dem Kulturellen Marktplatz ein moderneres Gebrüder-Busch-Theater. „Interkommunal sind wir zu Gesprächen im Sinne der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit gerne bereit“, sagt der Hilchenbacher Referatsleiter Hans-Jürgen Klein.

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Gebrüder-Busch-Theater Hilchenbach ist auch gesperrt

„Das Brandereignis in Kreuztal bedauern wir sehr und fühlen mit den Kolleginnen und Kollegen in unserer Nachbarstadt“, sagt der Hilchenbacher Referatsleite Hans-Jürgen Klein. „Wie sie wünschen wir uns einen schnellen Wiederaufbau, da die Stadthalle ein wichtiges Standbein des Kulturangebotes im nördlichen Siegerland ist.“ Und das einzige, wenn es nicht abgebrannt wäre. Das spricht Hans-Jürgen Klein nicht aus, ist aber so: Erst in der vorigen Woche hat Dörthe Müller, Geschäftsführerin des Gebrüder-Busch-Kreises, im Hilchenbacher Kulturausschuss einen Ausblick auf die dortige Spielzeit gegeben: ohne Theater, weil die Stadt die Bauarbeiten nicht stören will. „Die nächste Spielzeit wird klein“, sagt Dörthe Müller.

Vier Veranstaltungen sind im Herbst in der Aula der Carl-Kraemer-Realschule angesetzt, die als Ersatzspielort ausgerüstet wird. Und Matze Knoop sollte in die Kreuztaler Stadthalle „verlegt“ werden…. Wenn Hilchenbach im Zeitplan bleibt, könnte das Dahlbrucher Theater ab Anfang 2024 wieder zur Verfügung stehen – Kreuztal, einst sogar Mitträger des Gebrüder-Busch-Kreises, würde dort dann Gast werden können. Denn das aus der Brandruine auferstandene Bürgerforum ist auch dann mit Sicherheit noch nicht fertig.

Kreuztal will sich „über die Zeit retten“

„Wir müssen das jetzt über die Zeit retten“, sagt Bürgermeister Walter Kiß, der sich am Dienstagmittag mit den Medien an der Brandruine trifft, achselzuckend über die nächsten Monate und Jahre des Improvisierens. Kulturamtsleiter Holger Glasmachers ist zur gleichen Zeit in seinem Büro, telefoniert. „Wir sind Stehaufmännchen.“ Das klingt nach einem Plan.

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