Siegen. Festakt zu 50 Jahren Uni Siegen im Friedrich-Schadeberg-Hörsaal: Von Erfolgsgeschichten, Chancen, Turbo-Studium und Wissenschaftsprekariat

50 Jahre Uni Siegen eine Erfolgsgeschichte, der Rektor ein „Visionär und Macher“, positive Impulse für Entwicklung von Stadt und Region: In die bei einem Festakt vorgesehenen – und darum durchaus nicht weniger wahren – Lobesworte mischt sich am Donnerstag im Friedrich-Schadeberg-Hörsaal aber auch grundlegende Kritik am Wissenschaftssystem.

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Rektor Prof. Holger Burckhart erinnert beim Festakt „Fünfzig“ daran, wie er seit seinem Amtsantritt Strukturen entwickeln wollte, damit die Universität in Forschung und Lehre „international reüssieren“ konnte. Damit einhergehend auch die bauliche Entwicklung mit Umzug ins Zentrum, um Bevölkerung, Stadt und Region teilhaben zu lassen. „Da ist viel Geld und Vertrauen nach Siegen geflossen“, so Burckhart mit Blick auf NRW-Wissenschaftsministerin Isabelle Pfeiffer-Poensgen: „Das überdauert uns alle.“ Nicht nur die Stadt profitiere in ihrer Entwicklung wie gehofft enorm, auch die Uni selbst. Wissenschaftler würden heute nach Siegen kommen wollen, auch weil sie die Strukturen interessant fänden, die Gelegenheit nutzen wollten, Hochschulentwicklung mitzugestalten.

Bürgermeister: Stadt und Uni Siegen wachsen immer weiter zusammen

Die Universitätsstadt Siegen sei heute stolz auf diese Zusatzbezeichnung, sagt Bürgermeister Steffen Mues, „Siegen ist ohne Universität nicht mehr vorstellbar“. Der Hochschule folgten Institute, Firmen, Generationen Studierender legten hier Fundamente ihrer Karrieren, Wissenschaftler erwürben fachliche Reputation. Die Uni sei Impulsgeber für Stadt und Region, habe den Weg aus dem Elfenbeinturm geschafft, sich der Stadtgesellschaft geöffnet, „ist mitten in Siegen angekommen“. 40 Jahre habe es gedauert, die Gräben zwischen „Bildungshügel“, auf dem die einstige Gesamthochschule über der Stadt thront, und der Stadt selbst schrittweise zuzuschütten – mit Amtsantritt Holger Burckharts 2009 habe sich das beschleunigt.

Mit dem Festakt wird der größte Hörsaal des Anbaus am Karstadt-Gebäude in Siegen eingeweiht.
Mit dem Festakt wird der größte Hörsaal des Anbaus am Karstadt-Gebäude in Siegen eingeweiht. © Hendrik Schulz

„Wir haben eine Jahrhundertchance ergriffen“, blickt Mues zurück, der Rückbau der Siegplatte und der Einzug der Uni ins Untere Schloss hätten einander perfekt ergänzt – seither sei auch die Identifikation der Studierenden mit ihrer Stadt deutlich spürbar. Universitäts- und Stadtentwicklung gingen Hand in Hand; beide profitierten von Synergieeffekten. Die Uni Siegen sei herausragender Standortfaktor, nicht nur als größter Arbeitgeber Siegens, sondern auch für den Lebens- und Arbeitsort.

NRW-Wissenschaftsministerin lobt Siegener Uni-Entwicklung: „Tolle Strategie“

Beispiele dafür insbesondere im kulturellen Bereich zählt Landrat Andreas Müller auf: Längst vorbei die Zeit, als es in Siegen im Grunde nur das Theater Lohkasten gab, um nur das Kulturhaus Lyz als „Kristallisationspunkt studentischer Projekte“ zu nennen. Die universitäre Entwicklung habe der gesamten Region enorm Schub gegeben, die Zusammenarbeit sei, mit dem Kreis-Slogan, „echt vielfältig“: „Die Universität spielt Können und Wissen zurück in die Region.“ Mehr Uni in der Stadt verspreche weiteren Schub für Kultur und gesellschaftliches Leben in der Regiopole. Wäre die Uni Siegen nicht vor 50 Jahren gegründet worden, die Region wäre ärmer – wissenschaftlich, intellektuell, wirtschaftlich, kulturell. „Heute haben wir etwas zu feiern“.

NRW-Wissenschaftsministerin Isabelle Pfeiffer-Poensgen schildert einen internen Konflikt ihres Hauses: Die Entwicklung der Universität Siegen sei auch unter Stadt-Gesichtspunkten fantastisch, verschiedentlich herrsche aber die Meinung, dass man nur für Wissenschaft zuständig sei. Dennoch habe man es nicht nur geschafft, das Projekt Uni in die Stadt, das deutlich von Infrastruktur geprägt ist, zu fördern, sondern es auch als Blaupause für weitere NRW-Hochschulstandorte zu nutzen, etwa unter den Aspekten Nachhaltigkeit und Aufenthaltsqualität. 60 Prozent der vom Land verwalteten öffentlichen Gebäude seien Hochschul-Immobilien aus den 60er Jahren – „da ist nichts mit Nachhaltigkeit“. Der Siegener Weg, Bestandsbauten zu suchen und weiterzuentwickeln sei vorbildlich, eine „tolle Strategie“.

AStA-Vorsitzende der Universität Siegen kritisiert heutigen Hochschulbetrieb

AStA-Vorsitzende Jana Sticher hebt ab auf den Titel des Festakts, „Die Universität im Spiegel von Kunst und Kultur“: Kunst und Wissenschaft vereine, dass sie Produkte der gesellschaftlichen Verhältnisse seien; versuche, diese zu durchdringen. „Das wird nicht angemessen entlohnt“, so Sticher mit Blick auf oftmals prekäre Arbeitsverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb.

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Die schnelle Ausbildung des Arbeitskräfte-Nachwuchses, ein rein effizientes Modell von Hochschule, in dem Studierende durch Lehrpläne hetzen und Kreditpunkte jagen würden, könne keinen universitären Geist entstehen lassen. „Kunst und Wissenschaft dürfen nicht zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung degradiert werden. Universität muss zu einem Ort werden, wo Studierende besser lernen und Dozierende besser lehren können.“ Nur in einem Umfeld, das geprägt sei von Wissensdurst und Experimentierfreudigkeit könne, wie es der Hochschul-Slogan vorgibt, „Zukunft menschlich gestaltet werden“.