Wilnsdorf. „Freie Einliegerwohnungen, Häuser, Ferienwohnungen“: Wilnsdorfs Bürgermeister appelliert: Für Flüchtlinge aus der Ukraine braucht es jede Wohnung
Mehr als zweieinhalb Stunden dauert der öffentliche Teil der Ratssitzung am Donnerstag. Es geht noch einmal um das gemeinsame Feuerwehrgerätehaus für die Einheiten aus Anzhausen und Flammersbach. Vor allem aber steht die Flüchtlingssituation auf der Tagesordnung und nimmt bereits eine gute Stunde der Sitzungszeit in Anspruch.
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Bürgermeister Hannes Gieseler hat schon in der Sitzung des Hauptausschusses angekündigt, das Thema solle im Rat einen eigenen Tagesordnungspunkt bekommen, sei zu wichtig, um nur unter „Mitteilungen“ abgehandelt zu werden. Die Richtigkeit dieser Entscheidung zeigt sich dann auch in den Reaktionen, im teils sehr emotionalen Ton des Abends und vor allem der Einmütigkeit der Fraktionen. „Es gibt nur eine Seite der Medaille“, lobt Gieseler die Haltung der Ratsmitglieder „und vor allem der Fraktionsspitzen“ vom ersten Tag des Krieges an. Wilnsdorf habe eine klare Haltung nach außen gezeigt, die es ihm ermöglicht habe, die Verantwortlichkeit und den Willen der Gemeinde zu kommunizieren, mit aller Kraft zu helfen.
Wilnsdorf: Bürgermeister Hannes Gieseler erwartet 600 Flüchtlinge aus der Ukraine
Zu Beginn der Sitzung, „Stand 18 Uhr am Donnerstag“, sind 160 Flüchtlinge registriert. Rund 100 seien über private Kontakte gekommen, „Mitte 40“ der Gemeinde aus zentralen Aufnahmestellen zugewiesen worden. Insgesamt gehen der Bürgermeister und sein Beigeordneter im Moment von 600 Menschen für Wilnsdorf aus. Noch reichten die Unterbringungskapazitäten, aber mit Blick nach vorn appelliert Hannes Gieseler an die Bevölkerung, jeden möglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen: „Freie Einliegerwohnungen, Häuser und Ferienwohnungen!“ Wenn die nicht im Bestzustand seien, könne die Gemeinde tätig werden, auch für fehlende Einrichtung werde gesorgt.
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Gästezimmer hingegen seien nicht die ideale Lösung. Gieseler dankt für die bisherige Hilfsbereitschaft aller Art, „das ist stark!“, muss aber auch die ersten problematischen Erfahrungen weitergeben. Aktuell gebe es noch 68 angebotene Gästezimmer. Die ersten Bürger meldeten sich aber bereits, dass es mit den Aufgenommenen doch nicht ganz so einfach wäre und bäten darum, andere Lösungen zu finden. Weil es eben keine abgeschiedenen Einheiten seien und die Flüchtlinge praktisch direkt zu Familienmitgliedern würden. Das könne funktionieren, aber gleichfalls zu Spannungen führen.
Wilnsdorf: Wohnungen für Flüchtlinge aus der Ukraine – Gemeinde will unterstützen
Ansonsten sollten die Wohnmöglichkeiten natürlich nicht umsonst geöffnet werden, ergänzt Johannes Schneider. Es werde Entschädigung oder auch ganz regulär Miete gezahlt. Wobei sich die Kosten natürlich auch an Sozialsätzen orientieren müssten.
Gespräche stehen an
Am Donnerstagmorgen waren 146 Flüchtlinge aus der Ukraine in Wilnsdorf registriert. Davon 34 Frauen, 53 Kinder unter 18 und 59 Männer. Entgegen der Nachrichten kämen auch immer wieder Männer an, in Familienverbänden und auch als Einzelreisende, erfahren die Ratsmitglieder.
In der kommenden Woche soll es Gespräche über eine mögliche Nutzung der CVJM-Bildungsstätte in Wilgersdorf geben. Dort stünden 80 Plätze mit Duschen und Freizeitmöglichkeiten zur Verfügung, hatte Michael Plügge (SPD) angeregt und auch die Nutzung von Hotels oder Gästezimmern vorgeschlagen.
Hannes Gieseler dankt dafür, dass Bürgerhäuser zur Verfügung stehen, will für die nächsten Monate auch den Gedanken an Turnhallen nicht völlig ausschließen. Wenngleich dies so lange wie möglich vermieden werden solle. Er bittet die Menschen und auch die Vertreter der Politik um Geduld, wenn seitens der Behörden in diesen Tagen und Wochen manches etwas länger dauern könne. Die Mitarbeiter arbeiteten am Rande der Belastungsgrenze, hätten alle Hände voll zu tun, seien ständig in Bereitschaft. Passend dazu wird der Beigeordnete mehrfach aus dem Saal gerufen, „weil gerade Flüchtlinge vor der Tür stehen“.
Engagierte Hilfe für Flüchtlinge in Wilnsdorf: Lob an Mitarbeitende der Verwaltung
Fast nebenbei wird bereits in dieser Debatte von allen Fraktionen Zustimmung zu einer Ausweitung des Stellenplans signalisiert und direkt danach im folgenden Punkt der Tagesordnung auch gegeben. Weil dringend zwei weitere Stellen besetzt werden müssten, um die anderen Kollegen zu entlasten. Gabriele Wagener hat selbst als Begleitung von Flüchtlingen den Einsatz der Mitarbeiter gesehen, lobt diesen in den höchsten Tönen und verspricht die Unterstützung der CDU. „Und wenn Sie noch mehr Stellen brauchen, dann bekommen Sie die auch“, fügt sie hinzu, bekommt allgemeinen Beifall. „Ich werde Sie beim Wort nehmen“, antwortet ein gerührter Bürgermeister, der sich allgemein stolz auf das zeigt, was in Wilnsdorf und ganz Deutschland dieser Tage geschehe.
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Ganz ohne vorsichtige Kritik geht es aber auch nicht. Wichtig sei, die positive Stimmung in der Bevölkerung zu erhalten, geht Gieseler auf die ersten Meldungen von „Trittbrettfahrern“ unter den Flüchtlingen ein. Nicht bei allen sei die Identität genau feststellbar, die Ausländerbehörde sei eingeschaltet. Einige müssten auch in den normalen Asylunterkünften untergebracht werden, da gelte es, Spannungen zu vermeiden. Vor allem dürften sich jene aus anderen Ländern nicht als „Flüchtlinge 2. Klasse“ fühlen, warnt der Bürgermeister. Die Syrer etwa seien ebenfalls vor russischen Bomben geflohen, dürften aber nicht direkt arbeiten, und ihre Kinder würden nicht mit Willkommensgeschenken in den Schulen begrüßt. So etwas erzeuge Frust.
Wilnsdorf: Feuerwehrgerätehaus Oberes Weißtal – Rat einstimmig dafür
Die Erweiterung des Stellenplans wird bei einer Enthaltung einstimmig verabschiedet. Einstimmig geht es bei der Entscheidung über das Feuerwehrgerätehaus zu. Gemeindebrandinspektor Christian Rogalski darf den Entwurf noch einmal erläutern, wie schon im HFA, und betont noch stärker die Begeisterung der Feuerwehr über den sehr gelungenen Entwurf. Natürlich müsse hier und da noch nachgebessert werden, aber das sei bereits im Werden.
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Klaus Grünebach bringt für die CDU den Antrag ein, diese Gespräche im Beschlussvorschlag noch einmal ausdrücklich festzuhalten und die Verwaltung dann zu beauftragen, den fertigen Entwurf umzusetzen. Damit könne die Verwaltung sehr gut leben, antwortet der Bürgermeister und erzeugt damit wieder jene Harmonie, die im Ausschuss noch etwas gefehlt hatte.
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