Siegen. Bei Ladendiebstahl waren sie zusammen unterwegs – aber wer hat den Schmuck wirklich geklaut? Der Detektiv wird vor Gericht befragt.

Auf dem Aushang stehen zwei Namen, was ebenso viele Angeklagte bedeutet. Tatsächlich ist es aber nur eine Frau, die am Donnerstagvormittag im Saal 172 des Siegener Amtsgerichts vorstellig wird. Hintergrund ist ein Diebstahl in einem Siegener Drogeriemarkt, der fast zwei Jahre zurückliegt. Was der 47-Jährigen G. durchaus zugute kommen wird.

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Wer kein Geld hat, braucht keinen Schmuck

Am 23. Mai 2020 passierten zwei Frauen die Kasse des bewussten Geschäftes. Eine von ihnen trug zwei Stücke Modeschmuck aus der Auslage mit sich, im Gesamtwert von 19,90 Euro. Ohne zu bezahlen. Der Ladendetektiv griff ein und erstattete Anzeige. In der Anklage steht: gemeinschaftlicher Diebstahl geringwertiger Sachen. Die Angeklagte lässt über eine Dolmetscherin erklären, das stimme so.

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So ganz ist Amtsrichterin Dr. Hanne Grüttner damit aber nicht zufrieden und stellt die Frage nach dem Warum. „Ich hatte keine Arbeit und kein Geld“, entgegnet die Angeklagte. „Wenn man keine Arbeit und kein Geld hat, braucht man aber auch keinen Schmuck“, findet die Vorsitzende daraufhin. Ihr Gegenüber nickt. Das stimme, sagt G. und versichert, es komme garantiert nie wieder vor. Sie habe jetzt auch Arbeit.

Nichte hat auch andere Probleme mit der Justiz

Die Richterin fragt nach der Mittäterin, die den gleichen Nachnamen trägt. Das sei ihre Nichte, antwortet die Angeklagte und sorgt sich sogleich verbal um die Verwandte. Die habe zwei Kinder und keinen Mann und solle doch bitte nicht bestraft werden. Sie wolle ihrer Nichte auch auf keinen Fall Probleme machen, fügt G. noch an. Jetzt wird die Vorsitzende hellhörig. Was dies denn heißen solle. Die Nichte mache sich schon selbst reichlich Probleme. Dieses Verfahren gegen sie sei eingestellt worden, weil es zahlreiche weitere Anklagen gebe. „Ich nehme alles auf mich“, bekräftigt die Angeklagte.

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Kurz darauf gibt sie nach weiteren Fragen allerdings an, dass die Nichte die Idee gehabt habe. sie selbst hätte lediglich nach mit nach dem Schmuck geschaut. Dass ihre Verwandte tatsächlich zwei Stücke einsteckte, habe sie nicht bemerkt, sei kurz in einem anderen Gang gewesen: „Ich wurde durchsucht. Bei mir wurde nichts gefunden.“ Die Schuld für andere auf sich nehmen, das sei keine Option, macht Dr. Hanne Grüttner deutlich.

Zu ängstlich zum Schwarzfahren

Jetzt muss der Ladendetektiv gehört werden, um die Dinge klarer zu machen. Mai 2020. das sei ja fast zwei Jahre her, schüttelt der Zeuge jedoch den Kopf: „Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe so viele Diebstähle.“ Was er damals geschrieben habe, treffe aber zu. Auf den Fotos der Überwachungskamera sind beide Frauen in der Nähe des Schmucks zu sehen. Was ja auch gar nicht bestritten wird. Tatsächlich hat der Mann aber die Nichte als Schuldige verzeichnet. Die Angeklagte sei für ihn eine potenzielle Mittäterin gewesen, „weil die beiden zusammen waren“. Ob sie tatsächlich immer beieinander waren, ob G. tatsächlich gesehen hat, dass ihre Nichte etwas einsteckte, kann er nicht sagen.

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Danach wird die Beweisaufnahme geschlossen. Anklagevertreter Benjamin Schneider beantragt Freispruch, weil der Frau keine Tatbeteiligung nachzuweisen ist. Sie selbst beteuert noch einmal und mehrfach, doch bitte von einer Strafe gegen ihre Nichte abzusehen. Sie selbst hätte nichts gemacht und nichts bemerkt, ihre Verwandte ansonsten mit Sicherheit von der Tat abgehalten. „Ich bin viel zu ängstlich“, betont die Angeklagte. Sie steige nicht einmal ohne Ticket in einem Bus. Am Rande ist allerdings später zu erfahren, dass auch G. schon wegen anderer Diebstähle vor Gericht gestanden hat. Diesmal aber wird sie freigesprochen.

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