Siegen. Zeugen nicht aufzutreiben – Angeklagter ist bereit, auf Entschädigung für Haft zu verzichten.

Staatsanwältin Tabea Schneider ist nicht wirklich überrascht und nimmt den Verfahrensverlauf eher gelassen. „Bei der Klientel zu erwarten“, schmunzelt sie unter der Maske, dass gleich drei wichtige Belastungszeugen nicht gekommen sind.

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Ein 39-jähriger Mann ist wegen einer Drogensache vor dem Schöffengericht angeklagt. Er soll am 30. März 2019 rund 400 Gramm Amphetamin, 9,4 Gramm Haschisch und an die 90 Gramm MDMA in Köln gekauft haben, bei einem bislang unbekannten Händler. Einen Tag später, so die Anklage, hat er es in Weidenau bei einem Bekannten abgeliefert, zwecks geplanten Handeltreibens.

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Zwei Männer sind unauffindbar

Seit September 2021 sitzt der Mann in einer anderen Sache in Haft, die mindestens noch ein Jahr dauern wird. Der damalige Abnehmer aus Weidenau ist als Zeuge gekommen, drei andere hingegen nicht. Genau die sind nach Mitteilung von Amtsrichter Matthias Witte aber für das Verfahren unentbehrlich. Die Verhandlung beginnt ohnehin schon mit einer halben Stunde Verspätung, da ist auch nicht zu erwarten, dass die Männer noch kommen. Zwei sind praktisch unauffindbar, unter anderem eher theoretisch über die Wohnungslosenhilfe in Siegen zu erreichen. Oder eben auch nicht. Der dritte bekommt eine Geldstrafe für das Fernbleiben und soll beim nächsten Mal vorgeführt werden. Wobei es da kein festes Datum gibt.

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Das alles wird nach einer längeren Pause entschieden, in der sich Gericht, Staatsanwältin und Verteidiger zu einem Rechtsgespräch zusammengesetzt haben. Eine Verständigung sei nicht getroffen worden, konstatiert Witte. Durch die fehlenden Zeugen sei aber ein Fortsetzen der Verhandlung an diesem Mittwoch nicht sinnvoll, „die Teilvernehmung der vorhandenen Zeugen“ bringe nichts. Der Angeklagte schweigt zur Sache.

Erst belastet, dann widersprochen

Die vermissten Zeugen haben ihre Einlassungen zwischendurch verändert, erinnert der Vorsitzende an eine frühere Verhandlung, zeitnah 2019. Zunächst sei der Angeklagte belastet worden, dann habe es geheißen, er sei nicht in die Drogensache verwickelt gewesen: „Wir müssen sie also hören.“ Es gibt eine Einstellung nach § 205 der Strafprozessordnung, die „bei vorübergehenden Hindernissen“ greift. Die Akten gehen an die Staatsanwaltschaft, die sich nun um das Beibringen der Zeugen zu kümmern hat. Der Verteidiger hofft auf eine dauerhafte Einstellung und kündigt bereits an, sein Mandant werde dann keine Ansprüche nach dem StrEG geltend machen, dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen.

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