Siegen. Vor Landgericht Siegen: Brüder greifen Schwager an, einer bekommt selbst etwas ab. Zeugin: „Hatte die sieben schlimmsten Monate meines Lebens“

Haben zwei Brüder aus Siegen ihren Schwager im Juli 2021 angegriffen, um ihn zu töten? Darum geht es seit einigen Wochen im Landgericht. Verteidiger Andreas Trode hat am Donnerstag um ein Rechtsgespräch gebeten: Geht das Gericht möglicherweise sogar von einem Mordversuch aus? Kammervorsitzende Elfriede Dreisbach schließt das ausdrücklich aus. Es sei um die Möglichkeit eines Rücktritts von versuchter Tötung gegangen, ergänzt die Richterin. Dann werden zwei weitere Zeugen gehört, andere sind coronabedingt abwesend.

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Ein Polizeibeamter aus Hagen, damals Mitglied der Mordkommission. Er berichtet von seiner Einsatzprämisse, dass zwei Brüder ihre Schwester attackiert hätten, ein Bekannter der Familie habe sich dazwischengestellt. Anwalt Trode will wissen, ob der Polizist seine Spurensicherung auf diese Informationen gestützt hätte – und ob er anders an die Dinge herangegangen wäre, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die Brüder an deren Auto angegriffen wurden. Der Ermittler bejaht: Spuren wurden daher nur im Haus des Geschädigten und unmittelbar davor gesichert. Immerhin war vor Ort bekannt, dass es zwei Verletzte gegeben hatte.

Zeugin: Der Siegener könne schnell böse sein, „aber er war niemals handgreiflich“

Die Frau kennt die Familie, sie ergreift vor Gericht Partei für H., den älteren Bruder, zu dem sie seit Jahren Kontakt hat. Sie und ihr Mann hätten dessen Frau und Kinder nach dem ersten großen Streit aufgenommen. Die Frau habe Würgemale gehabt, bestätigt die 34-Jährige Zeugin und auch, dass sie das nicht verstehen konnte. „Er hat sie geliebt. Er hat sie auf Händen getragen.“ H. könne impulsiv sein, „auch schon einmal schnell böse, aber er war niemals handgreiflich!“ Die Ehe sei perfekter gewesen als ihre eigene.

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Niemand habe ihr etwas erklärt, bis sie schließlich Kontakt zu H. aufnahm. Dieser sei weinend zusammengebrochen, habe von der angeblichen Affäre seiner Frau mit seinem Schwager berichtet, was er von dessen Frau, der Schwester des Angeklagten, erfahren habe. „Sie hat es aber immer abgestritten“, erklärt die Zeugin, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr Kontakt zur Schwester und deren Mann hatte als zu ihrem alten Bekannten H.; da sei ein Bruch gewesen. Bruder und Schwester hätten schon länger Probleme gehabt, seien nie sonderlich herzlich miteinander umgegangen.

Schwerer Blutversucht durch Stirnverletzung – über Nacht auf Intensivstation

Jetzt glaube sie seiner Version, habe gemerkt, dass die andere Seite ihr Dinge vorenthalte. Ihr Mann und sie seien von Schwester und Schwager förmlich überwacht worden. „Ich hatte die sieben schlimmsten Monate meines Lebens“, sagt die Frau. Als der alte Freund in Haft war, habe sie sich um dessen Frau gekümmert – die sei hilflos, spreche kaum Deutsch. Vor der Tatnacht sei sie davon ausgegangen, dass sich die Lage beruhigt hätte: Die Eheleute hätten sich unter ihrer Aufsicht öfter in ihrer Wohnung getroffen und eigentlich nur darauf gewartet, dass die polizeilich gesetzte Frist endete, um wieder ein gemeinsames Leben führen zu können.

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Dass sein Mandant, der ältere Bruder H., im Streit eine Stirnverletzung erlitt, ist Verteidiger Trode schon seit Prozessbeginn sehr wichtig. Laut Bericht des Krankenhaus war der Blutverlust durch Schnitt oder Stich immerhin so schwer, dass der Mann über Nacht auf der Intensivstation beobachtet wurde. Die Verletzung reichte bis zur Schädeldecke. Auch an der Nase war der Mann verletzt. Der Verteidiger überlegt, ob es sich dies durch den selben Angriff verursacht wurde, da wolle er gern „ein medizinisches Gutachten haben“, fordert er zunächst, stellt aber später auf Nachfrage doch keinen Beweisantrag mehr.