Siegerland. In einem Kursangebot lernen Menschen in Siegen-Wittgenstein, wie sie psychische Not bei anderen erkennen. Es ist die Erste Hilfe für die Seele.

Irgendetwas hat sich verändert. Der Mensch gegenüber ist stiller geworden, vielleicht aber auch aufbrausender. So genau ist das manchmal gar nicht zu sagen, was anders ist. Aber die Veränderung ist auffällig. Nicht immer muss direkt ein ernsthaftes Problem dahinterstecken – aber es liegt im Bereich des Möglichen. Beim Kurs „Erste Hilfe für die Seele“ lernen Menschen in Siegen-Wittgenstein, zu erkennen, wenn sich jemand in psychischer Not befindet und wie sie ihn unterstützen können. „Psychische Krisen gehören zum Leben dazu, keiner kommt unbehelligt dadurch“, sagt Karin Dombrowski (63), Projektleiterin „Erste Hilfe für die Seele“ bei der Sozialwerk St. Georg Teilhabe gGmbH.

Was ist der erste Schritt?

Doch was kann man tun, wenn der Freund unter Panikattacken leidet? Ein Arbeitskollege über eine längere Zeit niedergeschlagen ist, sich vielleicht zurückzieht? Oder wenn die Nachbarin tagelang die Rollläden nicht hochzieht? Am Wichtigsten sei, diesen Menschen das Gefühl zu geben: „Ich sehe Dich“, wie Karin Dombrowski erläutert. Das Gespräch sollte gesucht werden. „Da muss man aber auch akzeptieren, wenn der andere nicht möchte“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin.

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Wenn Gesprächsbedarf und -willen besteht, sei es am besten, einen Zeitpunkt dafür zu bestimmen. Über psychische Probleme spricht man nicht zwischen Tür und Angel, es braucht Zeit und viel Vertrauen. Egal, wie die erste Reaktion letztendlich ausfällt: „Es ist immer schön zu wissen, der andere interessiert sich“, sagt Karin Dombrowski.

Was ist das Ziel?

Mit ihrem Projekt unterstützt sie unter anderem die Einführung des Mental-Health-First-Aid-Ansatzes (MFHA) in Deutschland (siehe Infobox).

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Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der regelmäßig stattfindenden Ersthelferkurse werden darin geschult, wie sie mit psychischen Störungen und Problemen im nahen Umfeld umgehen. Auch soll dadurch ein stigmatisierende Verhalten Psychisch-Erkrankten gegenüber vermindert werden.

Was sind die Kursinhalte?

Anhand konkreter Situationen und praktischer Übungen üben die Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Erste Hilfe ein. Sie lernen, unterschiedliche Signale psychischer Krisen wie Angsterkrankungen, Depressionen, Substanzmittelmissbrauch und Psychosen zu erkennen. Auch wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beigebracht, wie sie am besten damit umgehen.

Die nächsten Kurstermine

Mental Health First Aid (MHFA) ist ein globales Programm, das im Jahr 2000 in Australien entstand. In diesem Rahmen werden unter anderem MHFA-Ersthelfer ausgebildet. Mehr Infos dazu gibt’s unter www.mhfa-ersthelfer.de.

Die Ersthelferkurse für seelische Gesundheit in Siegen-Wittgenstein bieten Projektmitarbeiterinnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Diakonie Soziale Dienste und des Sozialwerk St. Georg an. Das Angebot wird durch die „Aktion Mensch“ gefördert.

Der nächste Onlinekurs beginnt am 7. März und findet viermal montags und zweimal mittwochs in der Zeit von 9.30 bis 11.30 Uhr statt. Ein Präsenzkurs findet am 10. und 11. März jeweils von 9 bis 16 Uhr in Netphen statt. Auch für den Präsenzkurs in Rudersdorf am 12. und 13. Mai, ebenfalls jeweils von 9 bis 16 Uhr, werden schon Anmeldungen entgegengenommen.

Nähere Informationen zu dem Kursangebot und den weiteren Terminen gibt es bei Karin Dombrowski, 0271/74127111, k.dombrowski@sozialwerk-st-georg.de. Bei ihr ist auch eine Anmeldung notwendig. Infos geben auch Silke Goldbach von der Diakonie in Südwestfalen, Soziale Dienste, unter silke.goldbach@diakonie-sw.de und Andrea Zindler von der AWO Siegen-Wittgenstein unter a.zindler@awo-siegen.de.

Die Kurse machen aus den Laien keine Psychotherapeuten, bieten aber eine erste Orientierung, um überhaupt Hilfe anbieten oder vermitteln zu können; bauen Unsicherheiten und Überforderungen ab. Es geht ums Zuhören, Nachfragen, Versuchen zu verstehen, sagt Dombrowski. Dabei sollte auch nur Hilfe angeboten werden, „wenn man sich dazu in der Lage fühlt“.

Was bringt das Gelernte?

Der Ersthelferkurs bringt den Teilnehmenden bei, wie sie am besten bei anderen Menschen in psychischer Not reagieren. „Viele begreifen dadurch aber auch, dass sie auch auf sich achten müssen“, erläutert Karin Dombrowski.

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Der Kurs vermittelt damit auch ein Stück Selbsthilfe und hilft, eigene Ressourcen wiederzuentdecken. Dombrowski hat Ende 2019 mit dem Projekt begonnen.

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