Siegen. Beim Stück „Komplexe Väter“ im Lyz in Siegen zeigen die Schauspielerinnen und Schauspieler vollen Einsatz. Die Zuschauer sind begeistert.

„Ich brauche keine drei Väter“, sagt Nadine voller Selbstbewusstsein ganz am Ende des Theaterstücks „Komplexe Väter“. Das zeigt die Kleine Bühne Seelbach im Lyz in Siegen. Mit den drei Vätern meint Nadine Erik, ihren leiblichen Vater, Anton, den Lebensgefährten ihrer Mutter, der nach der frühen Trennung der Eltern die Vaterrolle übernahm, und Björn, ihren Freund, der auf die Knie gegangen ist, um ihr einen Heiratsantrag zu machen.

Siegen: Turbulente Szenen im Stück „Komplexe Väter“ im Lyz

Turbulente Szenen sind im Wohnzimmer von Ute und Anton vorausgegangen, beginnend damit, dass die Familie neugierig auf den neuen Freund ihrer Tochter ist. Die Vorgänger, vom Rapper über einen tätowierten Harley-Fahrer bis zum auch im Schnee immer barfuß gehenden Maler, hatten keine Gnade vor Ute und Anton gefunden.

Björn ist da. Mama und Tochter sind begeistert, die Väter gucken sparsam. Von links: Erik (Wolfgang Brück), Ute (Inge Kaatz), Björn (Markus Franz), Nadine (Marilena Seiler) und Anton (Reiner Bender).
Björn ist da. Mama und Tochter sind begeistert, die Väter gucken sparsam. Von links: Erik (Wolfgang Brück), Ute (Inge Kaatz), Björn (Markus Franz), Nadine (Marilena Seiler) und Anton (Reiner Bender). © Wolfgang Leipold | Wolfgang Leipold

Mutter Ute hatte auch Erik zur Vorstellung des Neuen eingeladen, was Anton empört: „Ich will diesen Heini nicht sehen!“ Utes Idee, bei dieser Gelegenheit könnte auch eine Versöhnung zwischen Anton und Erik stattfinden, scheitert also. Die Spannung, wer denn „der Neue“ ist, steigt. Man kennt nur seinen Vornamen „Björn“ und berät aufgeregt, wie man sich verhält, „wenn der junge Mann kommt“. Nur Nadine bleibt gelassen: „Mein Therapeut hat lange gebraucht, diesen Zustand herbeizuführen.“

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„Der Jüngling klingelt“, heißt es und ein gesetzter Herr erscheint, den alle zunächst für den Vater des Verehrers halten. Doch es ist Björn höchstpersönlich und läutet eine Annäherung der Streithähne Erik und Anton: „Sie hat sich einen Opa angelacht“, sind sie sich ausnahmsweise einig. Manche Überraschung folgt: Björn ist Nadines früherer Therapeut, aber noch mit der aus Russland stammenden Medizinerin Elena Orlova verheiratet, die wiederum die Frauenärztin von Ute und Nadine ist und so ganz nebenbei eine heimliche Liebschaft mit Erik hat. (Meint dieser zumindest.) Dass auch Anton einmal eine Beziehung mit Elena hatte, fällt bei all den Turbulenzen fast nicht mehr ins Gewicht. Also reichlich Stoff für eine vergnügliche, aber auch intelligent komponierte Komödie.

Theater in Siegen: Charaktere bis ins Einzelne herausgearbeitet

Alle fünf Darsteller - aus Pandemiegründen wollten die Verantwortlichen diese Zahl klein halten – arbeiten die einzelnen Charaktere bis ins Einzelne heraus: Inge Kaatz als Ute mit ihrem mütterlichen Drang nach Harmonie, gleichzeitig aber auch als unerbittliche Lebenspartnerin, wenn es um häusliche Ordnung oder die nachlässige Mode ihres Anton geht. Marilena Seiler schafft den Spagat, als einzige in einer Komödie eine ernstere Rolle zu spielen, mit Bravour. Als Produkt einer gescheiterten Beziehung, hin- und hergerissen zwischen Erwartungen von Vätern und Björn, der auch im Umgang mit ihr den Therapeuten heraushängen lässt.

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Wolfgang Burk, ganz Lebemann mit Defiziten in Sachen Beziehung, lässt vorsichtigen Schmerz, über Jahrzehnte nicht für seine Tochter dagewesen zu sein, spürbar werden, auch wenn er diesen mit Burschikosität im Umgang mit Anton lautstark überspielt. Markus Franz als Björn hat sprachlich die anspruchsvollste Rolle: Er jongliert souverän mit den Namen großer Philosophen von Walter Jens bis Jürgen Habermas. „Manchmal galoppiere ich verbal etwas davon“, sagt er als klugscheißender Champagner-Kenner und zwingt die beiden Väter zu einem albernen Rollenspiel.

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Anton ist Reiner Bender, gleichzeitig auch Regisseur der Komödie, wie auf den Leib geschneidert. Als Hypochonder, der sich vor kurzem seine Nase korrigieren ließ, darüber seiner Umwelt aber Sprechverbot erteilt, als Meister sprachlicher Belehrungen in Sachen Genitiv und Dativ oder auch als resignierter Pantoffelheld. Sein augenzwinkernder Witz ist dem von Loriot nicht unähnlich. Und improvisieren kann er auch: Seine spontanen Dialoge mit den Souffleusen bei kleinen Texthängern sind drehbuchreif.

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Alle Schauspieler spielen mit Haut und Haaren und vollem Körpereinsatz. Dass bei der Premiere von Komplexe Väter“ am Freitagabend im Eifer des Gefechts schon mal ein Bild von der Wand oder eine Figur aus dem Regal fällt, sorgt für zusätzliche Lacher. Die Zuschauer im sehr gut besuchten Lyz sind begeistert.

Weitere Vorstellungen: 24., 25., 26. Februar, jeweils 20 Uhr, am 27. Februar um 17 Uhr.

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