Siegen. Warum Siegen lieber auf höhere Gewerbesteuer verzichtet, was Hausbesitzer nun zusätzlich zahlen müssen, warum der Bürgermeister eine Chance sieht

Um 80 Prozentpunkte soll die Grundsteuer B nun angehoben werden, 20 mehr als bislang geplant. „Die Steuererhöhung um 60 Prozentpunkte reicht nicht aus“, sagte Kämmerer Wolfgang Cavelius im Haupt- und Finanzausschuss und meint den zwingend nötigen Haushaltsausgleich 2022. Anderenfalls übernimmt die Kommunalaufsicht die Finanzregie über Siegen.

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Die weitere Erhöhung auf dann 605 Prozent werde durch Mehrbedarf bei laufenden Maßnahmen im Bereich Heizung und Solarthermie nötig, sagte Cavelius – auch die Stadt habe mit steigenden Kosten allenthalben zu kämpfen. Er sehe keine andere Möglichkeit der Gegenfinanzierung.

Gewerbesteuer hilft dem Siegener Haushalt nicht – wegen Corona-Schäden

Die CDU-SPD-Kooperation hat wie berichtet eine Erhöhung auch der Gewerbesteuer vorgeschlagen, um die Lasten der Haushaltskonsolidierung nicht nur auf die Schultern der Bürgerinnen und Bürger zu legen. Das gehe in die richtige Richtung, meinte Joachim Boller (Grüne) – warum schlage die Verwaltung nur die Anhebung der Grundsteuer vor?

Personal braucht Zeit

Beschließt der Rat im März Haushalt und Stellenplan, werden die wenigsten Stellen bis zum 30. September besetzt sein, erläuterte Bürgermeister Steffen Mues: Nach dem Beschluss müsse der Haushalt genehmigt, erst dann könne die Stelle ausgeschrieben werden. Potenzielle Bewerber haben drei Monate Kündigungsfrist – wenn sich tatsächlich Kandidaten melden –, der Arbeitsbeginn erfolge oft erst im Herbst.

Weil das den Corona-Schaden verringere und damit das Haushaltsausgleichs-Ziel gefährde, erklärte Wolfgang Cavelius: Beispielsweise 3 Millionen Euro mehr an Gewerbesteuereinnahmen führe zum gleichen Ergebnis, weil der Corona-Schaden sinke. Der aber werde als Buchungstrick für den ausgeglichenen Haushalt benötigt. Andererseits sei die Belastung ab 2025 kleiner, je geringer jetzt der Corona-Schaden ausfällt. Dann muss zurückgezahlt werden.

Sorge: Höhere Gewerbesteuer könnte Unternehmen aus Siegen vertreiben

Zudem sei die Gewerbesteuer keine verlässliche Kalkulationsgröße: Vielmehr bemesse sie sich am versteuerten Gewinn der Betriebe, die Bemessungsgrundlage sei nicht fix. „Bei der Grundsteuer kennen wir die genauen Messbeträge.“ Und: Bei einer Erhöhung der Gewerbesteuer bestehe immer die Gefahr, dass Betriebssitze verlegt werden; unter Kommunen gebe es mitunter wahre Wettbewerbe um die unternehmensfreundlichsten Standortfaktoren. In der Summe eine Abwägungsfrage, so der Kämmerer.

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Der Stadtkasse drohten über das aktuelle Haushaltsjahr hinaus noch viele Risiken und Baustellen – die aktuelle allgemeine Preisentwicklung, steigende Energiekosten, die Inflation. „Auch für die Stadt wird alles teurer.“

Bürgermeister: Siegen kann das erste Mal seit 30 Jahren Haushalt selber ausgleichen

„Wir müssen den Haushalt ausgleichen, dieses Mal gibt es keine Verlängerungsmöglichkeit“, mahnte Bürgermeister Steffen Mues mit Blick auf den „Rettungsanker“ Verhandlungen mit der Kommunalaufsicht. Ausgleich zudem nicht nur auf dem Papier, „sondern auch am Jahresende, wenn abgerechnet wird.“ Taktisch bringe eine erhöhte Gewerbesteuer mehr Liquidität und entlaste längerfristig, „hilft aber beim Haushaltsausgleich überhaupt nicht.“

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Andererseits: Siegen sei das erste mal seit fast 30 Jahren in der Lage, durch eigenes Handeln seinen Haushalt auszugleichen. Ja, die Bürgerinnen und Bürger würden belastet – aber das erste Mal seit sechs Jahren. „In dieser zeit sind uns wie allen anderen die Kosten weggelaufen.“ Faktisch bedeute die nun erhöhte Erhöhung der Grundsteuer B um 80 Prozentpunkte für ein klassisches Einfamilienhaus 40 Euro mehr – pro Jahr. Auf die Zeit ohne Erhöhung umgelegt also weniger als 10 Euro jährlich. „Wir haben es in der Hand, wir sollten die Chance nicht verschenken.“