Dahlbruch. Arbeiten für Kulturellen Marktplatz Dahlbruch erreichen das Viktoria-Filmtheater. Das verleitet zur Spurensuche: Vieles wird nun etwas anders.

Der Kasten ist weg. Jochen Manderbach dürfte einer der letzten Kinobesitzer in der Republik sein, die Woche für Woche einen Schaukasten mit Plakaten aus dem aktuellen Programm bestückt haben. Das in zwei Hälften geteilte Schild mit den acht Buchstaben hat er aber gerettet: „Viktoria“ – der letzte und einzige Hinweis darauf, dass das Gebrüder-Buch-Theater die meiste Zeit Kino ist. Es wird ernst mit dem Kulturellen Marktplatz in Dahlbruch.

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Wer aus dem Theater herausgeht, blickt nach rechts auf den Rohbau, der Mehrzweck-Sporthalle und „Haus der Alltagskultur“ mit Jugendcafé und Vereinsräumen wird. Geradeaus, auf der Platzmitte, steht die zum Theater hin gestutzte Eiche, um die Hilchenbach erstmals 1990 zur Feier der Deutschen Einheit herumgetanzt ist. Gestutzt, weil bis hierhin der nächste Neubau reichen wird. Der Vorbau vor das Theater mit Foyer, Gastronomie und zweitem Kino- und Veranstaltungssaal. Das Transparent an der Fassade, auf dem das Theater über sich selbst erzählt, wird genauso verschwinden wie der Schaukasten und das Mosaik, das zusammen mit dem Schriftzug „Gebrüder-Busch-Theater“ schon vor Jahren demontiert wurde.

Schaukasten und Schriftzug unmittelbar vor der Demontage: Jochen Manderbach h hat das Schild gerettet.
Schaukasten und Schriftzug unmittelbar vor der Demontage: Jochen Manderbach h hat das Schild gerettet. © Privat | Privat

Mit dem Bau des Aufzugs geht es los

Da, wo jetzt der Kran steht, geht es künftig herein ins Foyer. Nach links zu den Sportstätten und ins Jugendcafé nach rechts ins Kino und ins Restaurant. Ende 2023 soll es so weit sein. Bis dahin ist der neue Seiteneingang Zugang zu Kino und Theater. Die Leute vom Bau, berichtet Jochen Manderbach, „kamen früher als angekündigt“. Sie stemmen den Schacht für den Aufzug frei, vom Foyer über das Parkett zum Balkon müssen zwei Decken durchbrochen.

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Jochen Manderbach ist erleichtert: „Es wird sehr viel Rücksicht genommen.“ Wobei es in der Regel keine zeitlichen Kollisionen gibt – Kinozeit ist meist nach der Schicht, abgesehen einmal von den 17 Vormittagsvorstellungen vor Weihnachten für die Netphener Grundschulen. „Ein bisschen aufdrehen können wir ja auch.“ Kinosound gegen Presslufthammer, sozusagen. Die Bautrupps werden näher kommen: Im Parkett und auf dem Balkon müssen zwei neue Notausgänge zum Hüttenweg hin in die Wand gebrochen werden – denn die bisher auf den Bernhard-Weiss-Platz Türen öffnen künftig nur den Weg ins angebaute Foyer.

Stationen

1948 hat Felix Fischer die ersten Filme vorgeführt. Die Vorstellungen der „Siegerland-Lichtspiele“ fanden in den Sälen von Gasthöfen statt.

1960 zog das Viktoria-Kino in die neue Dahlbruchhalle ein, die später in Gebrüder-Busch-Theater umbenannt wurde.

1991 übernahm Jochen Manderbach, zunächst gemeinsam mit Carsten Gülker, das Theater.

Nach James Bond kam Omikron: Nicht viel los im Kino

Hier oben, an der Tür ins Parkett, stand früher vor den Vorstellung immer die Glastheke auf Rädern mit Lakritz und Gummibärchen, dem einzigen Süßkram, den Kinogründer Felix Fischer in seinem Viktoria zuließ. Jochen Manderbach hat Fotos davon aufbewahrt, in schwarz-weiß. Auch von dem Glaskasten, aus dem heraus jeden Abend die Eintrittskarten verkauft wurden. Die kamen natürlich bis in die 1990er Jahre nicht aus dem Computer, sondern von der Rolle. Der Holzkasten, aus dem die Tickets herausgezogen wurden, steht noch auf einem Schrank im Büro. „Leider habe ich den Schlüssel nicht mehr.“ Da, wo der Kassenschalter stand, wird jetzt der Aufzug gebaut.

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Das Foyer ist so, wie Jochen Manderbach es 1999 umbauen ließ. Die Garderobe mit Annahme- und Ausgabetheke – weg. Stehtische, Popcornmaschine, Kaffeeautomat und Getränkebar – rein. Viel los war hier in den letzten Wochen nicht. Die jungen Leute gucken Spiderman im Mulitplex. Viele Ältere, die das Stammpublikum des Viktoria bilden, bleiben vorsichtshalber zu Hause. „Wir hatten unglaubliches Glück, dass James Bond im Oktober rauskam, als Corona eine Pause machte.“ Schon kurz darauf wurde es wieder schwierig: Vor allem Verleihe, die auf den deutschen Markt orientiert sind, verschieben ihre Premieren: Zu unkalkulierbar ist eine Landschaft, in der das eine Bundesland den Kinos „2 G“, das andere „2 G plus“ auferlegt und das dritte die Filmtheater gleich ganz dicht macht.

Für Live-Übetragungen fehlt das schnelle Internet – noch

Felix Fischer, dem Gründer des Viktoria, der sein Kino 1991 an Jochen Manderbach übergab, hätte das wenig gestört: Er machte Programmkino aus dem Repertoire, selten länger als eine Woche im voraus geplant – das, so damals das Kalkül, verleitet zum häufigeren und spontaneren Kinobesuch.

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In Jochen Manderbachs Büro wird sichtbar, wie sich die Zeiten geändert haben. Hier liegen die Blue-Ray-DVDs, die auf die Leinwand projiziert werden, und längst keine Filmrollen mehr. Zeitgemäß wäre das Streamen von Rechnern irgendwo in der Welt. Dazu brauchte der Kulturelle Marktplatz aber richtiges Internet. „Das wäre schön." Nicht nur für Filmfans. Man könnte auch die großen Opern-und Konzerthäuser herüberholen. „Wir haben den Traum, dass wir zusammen mit dem Gebrüder-Busch-Kreis Live-Übertragungen machen können.“

Das Schild mit den acht Buchstaben? Das wird seinen Platz finden, irgendwo im neuen, alten Viktoria. Bestimmt.

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