Weidenau. Angesichts drohende Benteler-Werksschließung in Siegen-Weidenau sind die Verhandlungen aktuell gescheitert: „Was hier passiert ist ein Skandal.“

Betriebsrat und IG Metall bereiten sich auf den Streik vor: „Was hier passiert ist ein Skandal“, sagt Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter der Industriegewerkschaft: Benteler, das sich selbst als Familienunternehmen bezeichnet und immer propagiert habe, zu seinen Beschäftigten und deren Familien zu stehen, lasse 270 Familien auf ein Weihnachtsfest ohne Perspektive zulaufen.

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Dass Benteler nicht mal die Verantwortung für eine Absicherung der Beschäftigten über eine Transfergesellschaft übernehmen wolle: „Das ist neu.“ Aktuell scheinen die Verhandlungen zur drohenden Werksschließung gescheitert; die Arbeitnehmerseite stellt sich darauf ein, das Werk lahmzulegen. Man sei aber jederzeit bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, bekräftigen IG Metall und Betriebsrat.

IG Metall Siegen und Bentler-Betriebsrat wollen NRW- und Bundespolitik einschalten

Der Arbeitgeber habe deutlich gemacht, dass er so wenig Geld wie möglich in die Hand nehmen wolle, berichtet IG-Metall-Betriebsbetreuer Peter Richter aus der letzten Verhandlungsrunde. Vorgeschlagen habe Benteler den Faktor 0,5, mal Betriebszugehörigkeit mal Bruttogehalt, mehr gebe es nicht. Auch im Konzern habe man schon ganz andere Angebote abgeschlossen, mit einem Faktor, der fast doppelt so hoch gelegen habe, so Richter. Eine Transfergesellschaft solle demnach nach Bentelers Vorstellungen nur für einen Bruchteil der Belegschaft eingerichtet werden – mehr müsse man ja nicht. „Das ist mehr als bedenklich und ein neuer Stil gegenüber den Beschäftigten“, sagt der Gewerkschaftssekretär.

Die Arbeitnehmerseite hingegen hält daran fest: Weidenau sei das beste Benteler-Werk für Warmumformung, eine Schließung gäben die Zahlen nicht her, sagt Andree Jorgella. Schon vor Jahren habe man eine Platinenpresse gefordert, um weniger abhängig vom Paderborner Werk zu sein. Zumal die Benteler-Aussagen konterkariert würden durch Pläne für neue Projekte im Bereich E-Mobilität sowie die Bekanntgabe neuer Auftragsvolumina im Milliardenhöhe. In den Weihnachtsgrüßen der Geschäftsführung habe es geheißen, dass die Umsatzziele der Automotive-Sparte erreicht seien. Die Belegschaftsvertreter wollen nun ausloten, ob Weidenau Aufträge aus dem Bereich E-Mobilität mit Landesunterstützung bekommen kann. „Das wird wohl nicht alle 270 retten“, sagt Jorgella – aber immerhin. Man werde sich an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Landesminister Karl-Josef Laumann und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wenden.

In der Benteler-Belegschaft wächst die Wut – Bereitschaft zum Streik hoch

IG Metall und Betriebsrat haben Benteler aufgefordert, ein Angebot vorzulegen, über das man ernsthaft verhandeln könne, berichtet Peter Richter. Benteler hatte sich während der Verhandlungen ans Arbeitsgericht gewandt, um eine Schlichtung herbeizuführen, die Arbeitnehmerseite wollte weiter verhandeln. Der Arbeitgeber dränge indes weiter auf Einsetzung einer Einigungsstelle, diesmal des Landes, „man muss sich dann wohl nicht mehr mit den Menschen auseinandersetzen“, kommentiert Jorgella. „Wir wollen das in Ruhe hinkriegen“, bekräftigt Betriebsratsvorsitzender Edgar Barkow, nach wie vor.

Blick auf die Rente

In der aktuellen Lage – Corona, Chipkrise – sei es schwer, neue Jobs zu finden, sagt Andree Jorgella, daher sei die Transfergesellschaft zur Weiterqualifizierung der Beschäftigten so wichtig: „Das sind alles Benteler-Experten, wenn die morgens rein kommen, hören die sofort, wie ihre Maschine läuft.“ Es brauche also Perspektiven angesichts dieser Umstellung – und die Verantwortung derer, die in den vergangenen 16 Jahren Restrukturierungsmaßnahmen von dieser Expertise profitiert hätten – um vom Verzicht. Denn der mache sich auch Rentenpunkten bemerkbar. Man poche auf die Transfergesellschaft, betont Dirk Euteneuer, „um die Kolleginnen und Kollegen angemessen in Rente zu bekommen.“

„Es herrscht größte Unzufriedenheit unter den Kolleginnen und Kollegen“, sagt Betriebsbetreuer Richter. Enttäuschung, Entrüstung – „wir können es nicht nachvollziehen“. Angesichts dieses Umgangs seitens der Geschäftsführung „fällt mir nichts mehr ein“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Dirk Euteneuer.

Der Organisationsgrad im Werk ist hoch, rund 90 Prozent der Beschäftigten sind in der Gewerkschaft, man habe klare Rückendeckung. Aktuell halten Gewerkschaft und Betriebsrat die Belegschaft eher noch von „französischen Verhältnissen“ ab, sagt Jorgella – das Werk in Migennes war im Arbeitskampf lahmgelegt, die Geschäftsführung zur Rückkehr an den Verhandlungstisch gezwungen worden. In Weidenau würden die meisten „lieber heute als morgen“ streiken. „Es geht für jeden hier um alles“, sagt Betriebsratsvorsitzender Edgar Barkow – wovor sollten die Kolleginnen und Kollegen Angst haben.

Streik bei Benteler: „Wenn man Menschen keine Chance lässt, wird das unser Weg sein“

Man sei bereit, im Zweifel die Tarifforderungen „schlagkräftig auf der Straße zu unterstützen“, sagt Peter Richter. Auch vor diesem Hintergrund habe man dem Arbeitgeber empfohlen, nochmals mit seinem Geldgeber zu reden. Werde die Belegschaft nicht sozial abgesichert, könnte Benteler auseinanderbrechen, so die Botschaft. Der Kontakt zu den Vorsitzenden des Automobil-Gesamtbetriebsrats sei hergestellt, um die Solidarität der anderen Standorte abzuklären – und dass es durch Streik in Weidenau dort nicht zu Ausfällen kommt.

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Eine Urabstimmung dazu ist für Anfang 2022 vorgesehen. „Der Arbeitgeber hat diesen Weg beschritten“, sagt Andree Jorgella. Von Anfang an habe man klar gesagt, dass es ein vernünftiges Angebot brauche – das habe Benteler ausgeschlagen, stattdessen auf Schlichtungsstelle gesetzt. „Jetzt ist der Konflikt da.“ Man wolle nicht, sei aber bereit, schlimmstenfalls zu streiken. Jorgella: „Wenn man den Menschen hier keine Chance lässt, wird das unser Weg sein.“