Hilchenbach. Zum Wohlfühlen: Projekte für Leader-Förderung müssen nicht teuer sein. Hilchenbach bewirbt sich ein weiteres Mal um EU-Fördermittel.

Generationen-Plätze, „um Freizeit zu verbringen“. Dorfjugend, Bärengruppen und so weiter „in Kontakt mit Dörfern bringen, wo es so etwas noch nicht gibt“. Bessere Busanbindung zwischen Kirchhundem und Keppel, den Sauerland-Pyramiden in Lennestadt und den Klimawelten in Hilchenbach. Den Hilchenbacher Bahnhof als Mehrgenerationen-Treffpunkt gestalten. Die Ideenschmiede in der Aula der Carl-Kraemer-Realschule läuft heiß.

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Blatt um Blatt füllt die ansehnlich große Gruppe, die der Einladung aus den Rathäusern von Hilchenbach, Kirchhundem und Lennestadt gefolgt sind. Sie liefern den Stoff für die Bewerbung als Leader-Region. 2,3 Millionen Euro EU-Mittel für den ländlichen Raum würden von 2023 bis 2027 in die drei Kommunen fließen. Zusammen mit dem 30-prozentigen Eigenanteil, den die Städte und Gemeinden selbst besorgen müssen, wird damit ein Investitionsvolumen von fast 3,3 Millionen Euro ausgelöst. „Ich bin zuversichtlich, dass es diesmal klappt“, sagt Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis.

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Die Hilchenbacher sind erfahren: Fürs Dorfentwicklungskonzept, für das integrierte Handlungskonzept IKEK und eben auch, zusammen mit Kirchhundem, Kreuztal und Netphen, als „Quartett mit Weitblick“ für die Leader-Bewerbung 2015 haben sie Abende in Workshops verbracht, mit bunten Klebepunkten auf Stellwänden abgestimmt, Pappkarten mit Ideen beschriftet und dabei immer viel diskutiert. Leader heißt „Liaison Entre Actions de Développement de l’Économie Rurale“. Also etwa: Vernetzung von Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung. Gemeint sind Projekte, die sich arme Kommunen wie Hilchenbach nie leisten würden: nicht teuer, aber auch nicht so überlebensnotwendig wie die Wasserleitung oder der städtische Bauhof. Und trotzdem wichtig, um das Leben in der Stadt lebenswert zu machen. „Identität stiften“, sagt dazu Michael Schäfftlein, Lehrer am Gymnasium Stift Keppel: „Das ist wichtig, um junge Menschen in der Region zu halten.“

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Beispiele

Jens Steinhoff ist mit seinem Institut für Regionalmanagement beauftragt worden, die Leader-Bewerbung der drei Kommunen zu erarbeiten. Für die Hilchenbacher Ideenschmiede hat der Moderator, dessen Unternehmen unter anderem in Bad Berleburg präsent ist, drei Projektideen entdeckt, die typisch für Leader sein können:

Stefanie Schulz-Ballion stellt einen neuen Blick auf die Martinshardt, „unseren Hausberg“, vor: Seit der Borkenkäfer dem Wald den Garaus gemacht hat, ist die Aussicht von da oben grandios, bis nach Kreuztal auf der einen und nach Silberg auf der anderen Seite. Und unten von Müsen aus kann man nun auch das Gipfelkreuz sehen, das gewitzte Müsener einst dort errichtet haben – würden sie es endlich auf den Steinhaufen stellen, den sie daneben aufgeschichtet haben, wäre die Martinshardt sogar höher als der Kreuztaler Kindelsberg. Die Müsenerin, die unter anderem im Bürgerforum engagiert ist, wirbt dafür, das Gipfelkreuz auf einen Sockel zu stellen, es mit Solarstrom zu beleuchten, einen Naturerlebnispfad zu gestalten und einen Rastplatz für Wanderer einzurichten. „Von dort kann man sehen, was die Abholzung mit der Landschaft gemacht hat.“ Klimafolgenanpassung und Gemeinschaftserlebnis – „das sind Themen, die in Leader richtig gut sind“, sagt Jens Steinhoff.

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Bianca Hahn lenkt den Blick auf die Wigrow. „Da kommen Menschen aus dem Sieger- und Sauerland zusammen.“ Sie selbst leitet die Kinder- und Jugendzeltlager des TuS Müsen und berichtet, warum die Leute ihre Grillfeuer überall auf dem Gelände anzünden und nicht in der dafür vorgesehenen Grillhütte: weil da der Rauch nicht abzieht. „Die hat weder Sinn noch Zweck.“ Auch wenn die Gefahr nicht mehr so groß ist („Jetzt, wo die Bäume weg sind, kann da nichts mehr abbrennen“), wäre eine neue Schutzhütte gut. „Wir sind da schon seit Jahren dran. Die Menschen für die Arbeit hätten wir, uns fehlt das Geld.“

Zeitplan

Weitere Ideenschmieden finden am 2. Dezember in Lennestadt und am 8. Dezember in Kirchhundem statt. Am 14. Dezember sollen in Kirchhundem die Projektideen gesichtet werden.

Darüber hinaus wird es ab nächste Woche auf den kommunalen Homepages eine Leader-Seite geben, auf der bis 7. Januar online Vorschläge gemacht werden können.

Die Bewerbung der Leader-Region wird bis Ende Februar erarbeitet. Im Frühjahr fällt die Entscheidung des Ministeriums.

Sollten die drei Kommunen den Zuschlag bekommen, würden sie eine Lokale Aktionsgruppe (LAG) gründen, in der auch die Bürgerschaft direkt vertreten ist. Sie wird dann ab 2023 über die Verteilung der Fördermittel entscheiden.

Rainer Fränzen kennt hier jeder: Er hat der Stadt 2017 die Müsener Menage abgekauft, die er seitdem ausbaut: für die eigene Filmproduktion, aber auch mit einer Event Area fürs Publikum, wo vom Krimidinner bis zum Escape Room vieles möglich wird – Spaß und Unterhaltung, verbunden mit Informationen über die Geschichte des Ortes und des Bergbaus. „Histotainment“ nennt der Filmemacher das. „Und man lernt Teamfähigkeit, ohne dass man das merkt.“ Kostproben von Spielen, die er gemeinsam mit Werner Halft entwickelt, gibt es bereits online: unter recape-games.de. Ein mobiler Escape-Room ist auch schon verfügbar: Für die Legende von Ewigen Bergmann braucht es nichts als einen Schrank. Die Leader-Botschaft: „Sich mit der Heimat identifizieren.“ So wie Rainer Fränzen selbst, der vom Niederrhein zugezogen ist und nun gar nicht mehr aus Müsen weg will.

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Dass es auch ein paar Nummern größer geht, erzählt Kai Haase, Gast aus der schon geförderten Leader-Region Bigge-Lenne: Für die „Infotastic Academy“ in Attendorn haben der Informatiker und sein ehrenamtliches Team 240.000 Euro Leader-Mittel bekommen – die Höchstgrenze liegt bei 250.000 Euro. Seit September ist der Laden in Rathausnähe jeden Nachmittag geöffnet: Das Projekt, das für Technologie begeistern will, lädt mit einer Ausstattung von der Fräse über den 3D-Drucker bis zum Roboter zum Mitmachen ein. Auch Kai Haase („Ich bin nur Zugezogener“) bestätigt den Leader-Effekt: „Ich fühle mich hier sauwohl.“

Gleiche Prioritäten? Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis, Keppels Schülersprecher Jost Hoffmann.
Gleiche Prioritäten? Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis, Keppels Schülersprecher Jost Hoffmann. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Wünsche

„Sie können die Zukunftsfähigkeit unserer Dörfer mitgestalten“, sagt Kyrillos Kaioglidis. Wichtig dafür wäre auch eine Kampagne für das Ehrenamt, schlägt Jost Hoffmann vor, Schülersprecher des Gymnasiums Stift Keppel: „Immer weniger junge Menschen engagieren sich.“ Auch Leader, so rät er, sollte mehr auf den Kanälen bekannt gemacht werden, die Jugendliche erreichen. „Stärkung von Partizipationsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler und junge Menschen allgemein“, steht dann auch auf einer gelben Karte an der Pinnwand.

Die Ideenschmiede ist immer noch heiß: „Mobilität verändern durch Dezentralisierung“, „Patenschaften über neu gepflanzte Bäume vergeben“, „Imagefilm und Imagebroschüren, um auswärtigen Interessenten die Region schmackhaft zu machen“, „Schulstandorte attraktiver machen“, „Junge Familien befragen“, „Belebung der innerstädtischen Bereiche – Angebote für die Zeiten nach Feierabend schaffen“, „Ärztehäuser“, „Themen wie Männergesundheit ansprechen“, „Digitale Gesundheitslösungen etablieren“.

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