Kreuztal . Mit dem Bender-Gelände in Ferndorf will die Stadt Kreuztal wegweisend sein. Die Ideen können nun besichtigt werden.

Eine Industriebrache wird Wohnviertel: Für das Bender-Areal in Ferndorf hat die Stadt Kreuztal sich Gestaltungsvorschläge in einem städtebaulichen Wettbewerb geholt. Die preisgekrönten Entwürfe sind jetzt im Foyer der Stadtbibliothek ausgestellt, alle zehn Beiträge sind auf der Homepage der Stadt zu sehen.

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„Ähnliche Flächen gibt es im Siegerland reichlich“, sagt Bürgermeister Walter Kiß. Das Ferndorfer Projekt werde „wegweisend“ sein. Weil „holz.stahl.digital“ – so die Projektüberschrift der Bewerbung für die Südwestfalen-Regionale 2025 – nachhaltig plant, mit dem Baustoff Holz, digital ist, unter anderem mit einer Quartiers-App, und weil es verschiedene Wohn- und Arbeitsformen berücksichtigt: Wohnhöfe mit Gemeinschaftsflächen, zum Beispiel auch für Urban Gardening, ebenso wie Tiny Houses und – im ehemaligen Verwaltungsgebäude – Co-Working-Räume. Ein „Wohnquartier aus einem Guss“ sieht Stadtbaurätin Christina Eckstein in dem „Hofgärten“-Vorschlag des Dresdner Büros Schellenberg + Bäumler Architekten, dem zusammen mit caspar.schmitzmorkramer aus Köln der mit 29.000 Euro dotierte erste Preis zugesprochen wurde.

Brückensteg am Verwaltungsgebäude Schellenberg + Bäumler Architekten
Brückensteg am Verwaltungsgebäude Schellenberg + Bäumler Architekten © Schellenberg + Bäumler Architekten | Schellenberg + Bäumler Architekten

Der Sieger: Klimaoptimiert und autoarm

„Man konnte mehr machen als gewöhnlich“, lobt Manuel Bäumler die Kreuztaler Ausschreibung. Die Tonnendachhalle, die von der Bender-Bebauung übrig bleiben soll, wird als Veranstaltungshalle und Quartiersgarage ebenso wie die folgenden Mehrfamilienhäuser das neue Wohnviertel gegen die Bahn abschirmen. Nach Süden öffnen sich die Häuser – drei- bis viergeschossig, Stadtvillen und einige Reihenhäuser – zum Ferndorfbach hin: „Wir wollten auch die Sonne ganz tief ins Quartier hineintragen.“ Alle Gebäude sind zudem mit Flachdach begrünungs- und photovoltaikgeeignet, sozusagen „klimaoptimiert“. Am Ufer der Ferndorf ist eine Promenade mit dem dem Radweg der Ost-West-Vorrangroute eingeplant.

Ein Brückensteg aus Stahl erschließt die Co-Working-Spaces am Verwaltungsgebäude vom Quartiersplatz aus.
Ein Brückensteg aus Stahl erschließt die Co-Working-Spaces am Verwaltungsgebäude vom Quartiersplatz aus. © Steffen Schwab

Der ehemalige Bender-Werkhof wird Quartiersplatz mit angrenzender Streuobstwiese – einsehbar von den Laubengängen und Balkonen, die wie „Brückenstege“ aus Cortenstahl an das Verwaltungsgebäude angesetzt werden und so Flure im Innern überflüssig machen. Die Bewohner der bis zu 111 Wohnungen sollen in ein „autoarmes“ Viertel ziehen. Es gibt Wohnwege, die das 300 Meter lange Gelände durchziehen, die befahrbar sind, aber weder als Durchfahrt noch als Parkplatz gedacht sind. Wobei Manuel Bäumler Realist ist: Womöglich wird es vor den wenigen Reihen- und Doppelhäusern doch Parkplätze geben, wenn das für künftige Investoren ein Verkaufsargument wird. „Das muss man diskutieren.“ Wie überhaupt viele weitere Details auch – denn nun treten Stadt und Wettbewerbssieger in ein Verhandlungsverfahren ein, an dessen Ende ein Planungsauftrag und ein Bebauungsplan stehen werden.

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Die weiteren Preise: Kontroverse Diskussionen in der Jury

Stadtbaurätin Christina Eckstein spricht von einem „Meilenstein“, den die Stadt, die das Gelände 2018 gekauft hat, nun erreicht. Die zehn Beiträge, die von den ursprünglich zwölf Interessierten für den Wettbewerb eingereicht worden seien, verträten ein „sehr breites Spektrum": von „eher Ferienhaussiedlung“ bis zur Industriearchitektur, von moderner Gestaltung bis zu Rückgriffen auf die 1950er Jahre, vom weitgehenden Erhalt der Hallenstrukturen bis zur „Tabula Rasa“, von überwiegend privaten bis überwiegend gemeinschaftlichen Zonen.

So sieht ein Townhaus aus Holz bei  post welters + partner aus.
So sieht ein Townhaus aus Holz bei post welters + partner aus. © post welters + partner | Post Welters + Partner

Einen zweiten Preis verlieh die Jury nicht, um den Abstand des Siegerentwurfs zu den Nächstplatzierten zu verdeutlichen. „Im Preisgericht wurden sehr schöne und kontroverse Diskussionen geführt“, berichtet Benedikt Buchwald vom Kölner Büro Assmann, das den Wettbewerb im Auftrag der Stadt betreut hat. Den dritten Preis, dotiert mit 19.000 Euro, bekamen Post welters + partner mbB Architekten & Stadtplaner, Dortmund. Zwei- bis dreigeschossige Gebäude werden an eine Ferndorf-Promenade und einen anschließenden Anger angegliedert. Anders als bei anderen Beiträgen ist die Wohnanlage zur Bahn hin geöffnet. Vorgeschlagen wird eine Parkplatz-Reserve auf der anderen, schon zum Gewerbegebiet gehörenden Seite des Mühlenwegs.

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Zwei mit jeweils 10.000 Euro dotierte Anerkennungspreise wurden an Loth Städtebau und Stadtplanung, Siegen, mit Peter Karle Architekten, Darmstadt, und Archifaktur Lennestadt sowie an stm°architekten Stößlein Mertenbacher Gebelein PartGmbB, Nürnberg vergeben. Der Vorschlag des Siegener Büros Loth sieht einen Riegel von Mehrfamilienhäusern an der Bahnstrecke, deren Fassaden mit Ziegeln der abgebrochenen Hallen gestaltet werden, und zwischen Quartiersplatz und Ferndorf Drei- und Zweifamilienhäuser sowie Tiny Houses vor.

Das ist der Beitrag des Siegener Büros Loth Städtebau und Stadtplanung.
Das ist der Beitrag des Siegener Büros Loth Städtebau und Stadtplanung. © Loth Städtebau und Stadtplanung

Den Entwurf aus Nürnberg zeichnet – nach dem Schwammstadt-Prinzip – die Durchgrünung des Geländes aus, das mit stehen gelassenen Fassadenteilen eine Abschirmung zur Bahnlinie herstellt. Im Nordosten wird eine öffentliche Parkanlage vorgeschlagen. In diesem Entwurf wird das Quartiersparkhaus südlich an die Halle angegliedert, im autofreien Quartier zu weit weg von den Ein- und Zweifamilienhäusern, meint die Jury.

Der Zeitplan

Bürgermeister Walter Kiß ist zurückhaltend mit Schätzungen, wann auf dem Gelände des 2015 stillgelegten Röhrenwerks die ersten Bewohner einziehen werden: „Es wird mit Sicherheit noch zwei Jahre dauern, bis man dort etwas zu sehen bekommt.“ Derzeit läuft eine Untersuchung der Altlast, dann wird der Verband für Flächenrecycling (AAV) die Umsetzung des Abbruch- und Sanierungskonzepts angehen. „Wir hoffen, dass es trotz der Bodensanierung möglich sein wird, Teile der Bebauung zu erhalten“ – zumindest die, mit denen die Architekten planen. Ende 2022 soll das Gelände dann zur Neubebauung vorbereitet sein. In dieser Zeit wird sich die Stadt auch um den zweiten und den dritten Regionale-Stern bemühen. Dann können für Tonnendachhalle, Verwaltungsgebäude, Quartiersplatz und andere öffentliche Flächen Städtebauförderungsmittel des Landes fließen.

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