Kreuztal. Bei der Bezirkskonferenz der Schülervertretungen wird deutlich: Kinder und Jugendliche werden in Siegen-Wittgenstein nicht überall ernstgenommen.

Rückstände bei der Digitalisierung, Lehrermangel, fehlende Beteiligung der Schülerinnen und Schüler: In der Pandemie „sind Lücken im Bildungssystem deutlich geworden“, sagt Bezirksschülersprecher Jost Hoffmann nach der Bezirksdelegiertenkonferenz (BDK) am Donnerstag. Die Teilnehmenden verabschiedeten ein Arbeitsprogramm für das Schuljahr 2021/22, das auf diese Probleme aufmerksam machen und ihnen entgegenwirken soll.

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17 Schülervertretungen hatten die Einladung zu der Veranstaltung an der Clara-Schumann-Gesamtschule in Kreuztal bestätigt, 42 junge Menschen nahmen teil – „ein neuer Höchststand bei den Anmeldungen“, sagt Jost Hoffmann. Natürlich seien die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen ein wesentlicher Themenkomplex gewesen, aufgegriffen im Workshop „Schule nach Corona“. Es gab aber zwei weitere Workshops: „Nachhaltigkeit an Schulen“, wo es um ökologische Fragen ging; und „Schulisches Zusammenleben“, wo der Schutz von Toleranz, Vielfalt und der Kampf gegen Mobbing im Mittelpunkt standen – Themen also, die jenseits aller Corona-Schwierigkeiten ebenfalls eine (durchgehend) wichtige Rolle im Schulalltag spielen. Im Kern stand immer die Frage: Was kann eine SV tun?

Siegen und Umgebung: Schülervertretungen mancherorts „auf Minimum beschnitten“

Klar gezeigt hätten sich auf mehreren Ebenen Diskrepanzen, wie Jost Hoffmann erläutert. In der Coronakrise hätten Schulen in privater Trägerschaft oft besser reagiert als solche in kommunaler Hand, etwa bei der Anschaffung von Luftfiltergeräten. Schulen, die mehrheitlich von Kindern und Jugendlichen aus finanziell privilegierten Familien besucht würden, stünden ebenfalls besser da. Vor allem aber habe sich bei der BDK gezeigt, dass es große Unterschiede gebe, was die Mitbestimmung betreffe. „Man kann nicht alle über einen Kamm scheren“, betont Jost Hoffmann, der die Jahrgangsstufe 12 des Gymnasiums Stift Keppel in Allenbach besucht.

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Einige Schulleitungen würden die SV intensiv einbinden und sich mit ihr austauschen. „Aber an vielen Schulen sind die Partizipationsrechte auf ein Minimum beschnitten“ – ein Zustand, den der Bezirksschülersprecher für nicht tragbar hält. Verbesserungen seien „dringendst vonnöten“. Es handele sich keineswegs um ein Siegen-Wittgen­steiner Phänomen: „Das ist Realität in ganz Nordrhein-Westfalen.“

Siegen-Wittgenstein: Bezirksschülervertretung will Probleme aktiv angehen

Zweifellos mache „die Auseinandersetzung mit den Schülerinnen und Schülern Arbeit“ und gerate vielleicht deshalb mancherorts ins Abseits – Schulleitungen hätten schließlich schon so eine Menge zu tun, räumt Jost Hoffmann ein. Häufig sei aber ein grundsätzliches Problem ausschlaggebend: „Manche Schulleitungen haben ein Bild von Schülervertretung, das sich auf Waffelverkauf beschränkt.“ Dass es sich aber um eine „schulpolitische Interessenvertretung“ handele, sei bei vielen Leuten noch nicht angekommen – nicht nur bei vielen Lehrkräften, sondern auch bei vielen Eltern, selbst vielen Schülerinnen und Schülern nicht.

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Jost Hoffmann plädiert für mehr Selbstbewusstsein und rät Schülervertretungen, die klein gehalten werden, sich an die Bezirksschülervertretung zu wenden. Diese müsse sich auch „selbst weiterentwickeln, je größer sie wird“. Ziele des einstimmig verabschiedeten Arbeitsprogramms für das neue Schuljahr sind unter anderem die stärkere Einbindung von Schulen aus dem ländlichen Raum und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Dabei gehe es nicht darum, Missstände nur zu benennen, sondern konstruktiv zu sein und auch Konzepte zur Verbesserung vorzulegen, wie Jost Hoffmann unterstreicht. Auch der Austausch mit kommunalen Entscheidungsträgern sei wichtig, ebenso wie die sichtbare Positionierung auf Landesebene: „Wir wollen eine starke Stimme sein für rund 30.000 Schülerinnen und Schüler in Siegen-Wittgenstein.“

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