Siegen. CDU und SPD erhöhen Fraktionszuwendungen. Alle Ratsparteien in Siegen profitieren, die Opposition ist aber dagegen: Man gebe schon Geld zurück.

Die Kommunalpolitik in Siegen ist teurer geworden. Um 25.000 Euro hat der Rat den sogenannten „Sockelbetrag“ erhöht, den die Fraktionen jährlich von der Stadt erhalten. Daran entzündete sich eine Ratsdebatte, die Opposition wollte den Beschluss vom Bürgermeister beanstanden lassen.

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Finanzen für Kommunalpolitik sind durchaus kompliziert. Zum einen gibt es Aufwandsentschädigungen für die Verordneten – in Siegen eine Pauschale plus eine Summe je Sitzung. Nicht zu verwechseln mit der freiwilligen Zahlung der Stadt an die Fraktionen – der Sockelbetrag. Der ist für die Fraktionsarbeit, die Parteien entscheiden selbst über die Verwendung für Personal- und Sachkosten. Bemessen wird der Sockelbeitrag anhand der Fraktionsgröße.

SPD: Kontrolle der Siegener Verwaltung nicht mal so nebenbei

Der Vorstoß zur Erhöhung kam von der CDU-SPD-Kooperation: Die jahrzehntealte Berechnungsgrundlage sei nicht mehr zeitgemäß. Das alte Bemessungssystem bezieht sich auf Entgeltgruppe 6, Stufe 6 für eine Vollzeitkraft und wurde auf Entgeltgruppe 8 erhöht. „Wenn man sich die Ausstattung der Fraktionen anschaut und es ernst meint, dann ist da keine Angemessenheit mehr erkennbar“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Detlef Rujanski. Vergleichbare Städte vergüteten von Stufe 8 bis 10. Stufe 10, so Rujanski, wäre durchaus angemessen, der Sprung aber womöglich zu groß gewesen.

Größerer Rat braucht mehr Geld

71 statt 66 Sitze: Der Rat ist seit der Kommunalwahl größer, Kommunalpolitik damit ohnehin bereits etwas teurer geworden.

305.805 Euro zahlte die Stadt Siegen im „alten“ Rat zuletzt laut Haushalt an die seinerzeit noch sechs Fraktionen, im „neuen“ Rat sind es im Haushaltsjahr 2021 dann 345.517 Euro. Mit der AfD ist eine weitere Fraktion hinzugekommen. Im Durchschnitt wurde ein Ratssitz damit um etwa 300 Euro „teurer“.

3548 Euro ist laut Etat ein CDU-Mandat der mit 22 Sitzen größten Fraktion „wert“ (insgesamt 78.061 Euro), während die kleinere FDP (4 Sitze) je Mandat 7494 Euro erhält (insgesamt 29.776 Euro). Zwischen größeren und kleineren Fraktionen gibt es Abstufungen, um eine finanzielle Grundausstattung für jede Partei zu gewährleisten.

Fraktionsbeschäftigte hätten ein Anrecht auf Bezahlung nach Art der Tätigkeit und der Verantwortung, bekräftigt Rujanski – politisch verantwortlich agieren, professionell arbeiten und recherchieren ohne entsprechende Finanzausstattung gehe nicht. „Wir definieren uns nicht als Hobbypolitiker“, sagt er – wer die Arbeit der Stadtverwaltung überprüfen solle, könne das nicht mal so nebenbei erledigen. Für die SPD ist Ingmar Schiltz hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer.

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Die Anhebung der Berechnungsbasis sei moderat, hatte Rujanskis CDU-Amtskollege Frank Weber im Rat bekräftigt und die Oppositionskritik zurückgewiesen.

Grüne: Manche NRW-Städte zahlen besser, andere schlechter als Siegen

Siegen sei bei diesem Thema nicht NRW-Schlusslicht, sagt Michael Groß, Fraktionschef der Grünen, man finde vergleichbare Kommunen, die besser oder auch schlechter bezahlten. Der Beschluss sei nicht angemessen. Die Grünen, die seit der Kommunalwahl in Sachen Fraktionsgröße zur SPD aufgeschlossen haben – von 8 auf 12 Sitze, die SPD verlor von 19 auf 15 – haben demnach geringfügig Beschäftigte bei der Fraktion angestellt, daher mehr Geld und mehr Möglichkeiten. Dennoch sei die Entscheidung inhaltlich falsch.

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Das sehen vor allem die kleinen Fraktionen so. „Uns ärgert, dass die Wahlverluste für CDU und SPD rückwirkend finanziell ausgeglichen werden sollen“, sagt der stellvertretende UWG-Fraktionsvorsitzende Günther Langer. Fraktionspersonal könne nun in gleichem Umfang bezahlt werden, obwohl die Fraktion kleiner geworden sei. „Die kleinen Fraktionen geben das Geld regelmäßig zurück, weil sie es nicht ausgeben“, sagt er. Siegen leiste sich ohnehin einen im Vergleich teuren Rat, Ausschüsse zu verkleinern etwa sei schon lange Thema.

Kleine Fraktionen im Rat Siegen: „Gehen sehr sparsam mit dem Geld um“

Das sieht auch Volt so, der Beschlussvorschlag komme zu früh, zuerst müsse die Siegener Kommunalpolitik schlanker und transparenter werden, fordert Fraktionsvorsitzender Samuel Wittenburg. Es gebe keine Notwendigkeit für höhere Fraktionszuwendungen.

„Wir sind nicht davon begeistert“, stimmt FDP-Fraktionschef Klaus Volker Walter zu und verweist auf die im Vergleich großen Geschäftsstellen der großen Parteien; die Liberalen haben ebenfalls keine Vollzeitkraft. „Wir gehen sehr sparsam mit den Mitteln um“, bekräftigt Walter, jedes Jahr werde eine vierstellige Summe an die Stadt zurückgezahlt. Rückzahlungen geben auch Die Linke und Volt an.

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Der Dissens geht auch darum, wie die Vorabsprachen im Ältestenrat gelautet hatten. Laut Michael Groß sei vereinbart worden, dass zunächst bei Vergleichskommunen recherchiert und dann interfraktionell besprochen werde, bevor der Rat entscheidet. „Da war ich wohl in einer anderen Ältestenratsitzung“, hatte sich der Bürgermeister im Rat empört, „wir haben es so gemacht, wie es besprochen war.“ Das Thema sei nicht ausdiskutiert worden, berichtet dagegen Klaus Volker Walter im Nachgang. Laut Günther Langer sei klar vereinbart gewesen, dass erneut intern beraten werde, bevor der Rat beschließt.

Siegener Stadtverordnete befangen? Bürgermeister beanstandet Beschluss nicht

UWG, FDP und Volt hatten die Abstimmung formell beim Bürgermeister beanstandet und verwiesen dazu auf einzelne Ratsmitglieder, die befangen gewesen seien, weil sie von der Entscheidung einen persönlichen Vorteil hätten. Bei mehreren Parteien sind Fraktionsbeschäftigte gleichzeitig auch Stadtverordnete.

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Steffen Mues hat das Ansinnen zurückgewiesen, der Beschluss wird nicht beanstandet. Ein Ratsmitglied dürfe zwar weder beraten noch mitentscheiden, wenn die Entscheidung ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil bringe – Unmittelbarkeit liege hier aber nicht vor. Die Fraktionen erhielten vielmehr einen Pauschalbetrag und wie sie diesen verwenden, ob für Tarifanpassungen oder Sachausgaben, liege allein bei ihnen. „Eine unmittelbare Gehaltserhöhung für einzelne Fraktionsbeschäftigte ist mit dem Ratsbeschluss erkennbar nicht beschlossen worden.“ Abgesehen davon hätte auch ein Ausschluss der potenziell befangenen Ratsmitglieder nichts am Abstimmungsergebnis (34 zu 28 Stimmen) geändert.