Siegen-Wittgenstein. 2024/25 soll das Zukunftsmodell für Siegen-Wittgenstein stehen. Zu entscheiden ist auch, ob der Kreis in ein eigenes Busunternehmen einsteigt.

Über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in Siegen-Wittgenstein wird auf einer langen Strecke entschieden. 2024 oder spätestens 2025, schätzt Landrat Andreas Müller, wird der Hebel umgelegt: mit einem neuen Nahverkehrsplan und einer neuen Organisation – oder der alten: Gründet der Kreis wieder ein eigenes Busunternehmen, beteiligt er sich an den Verkehrsbetrieben Westfalen-Süd (VWS) oder bekommen wie bisher private Unternehmen die Konzessionen?

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„Wir brauchen jetzt einen Zeitgewinn, um uns mit den Alternativen auseinanderzusetzen“, sagte der Landrat im Ausschuss für Wirtschaft, Mobilität und Verkehrsinfrastruktur. Reinhard Kämpfer, Leiter des Amtes für Beteiligungen, sprach von „schwerer Kost“: „Das ist eines der kompliziertesten Dinge, die wir Ihnen zumuten.“ Dieser zeitliche Ablauf zeichnet sich ab:

September 2021: Leitlinien für Siegen-Wittgenstein

Der Kreistag entscheidet im September über die Leitlinien für den Nahverkehr.

Darin wird werktags ein Angebot von 4 bis 20 Uhr im Stundentakt vorgegeben, auf den Hauptachsen Siegen-Kreuztal-Freudenberg-Netphen von 6 bis 20 Uhr alle 15 Minuten, von 20 bis 1 Uhr alle 30 Minuten. Darüber hinaus soll es bis 23 Uhr ein Grundangebot zum Beispiel mit Anruftaxis geben. Sonntags soll von 8 bis 23 Uhr alle 120 Minuten ein Bus kommen, im Kernraum von 6 bis 24 Uhr alle 30 Minuten.

Der Fahrpreistarif soll einfach werden. Stichworte sind „Flatrates“ wie beim Semester- oder Schülerticket und „elektronisches Fahrgeldmanagement“: Die Fahrgäste sollen mit ihrem Smartphone einfach ein- und am Ziel wieder aussteigen können, der Streckenpreis wird errechnet und abgebucht. Auch Familien- und Seniorenticket stehen auf der Agenda

Busspuren sollen in Siegen, Kreuztal, Netphen und Hilchenbach angelegt werden. Die Hauptumsteigepunkte sollen Mobilstationen mit (Fahrrad-)Parkplätzen und E-Ladestationen bekommen.

„Den Einfluss der Aufgabenträger auf die Angebotsgestaltung und Angebotsumsetzung erhöhen und gleichzeitig eigen- und gemeinwirtschaftliche Angebotskonzepte ermöglichen“: Hinter dieser Formel verbirgt sich der Anspruch, dass künftig der Kreis - über den Zweckverband Personennahverkehr (ZWS) – das Sagen haben will. Geöffnet wird die Tür zum „gemeinwirtschaftlichen“ Verkehr: Die Verkehrsunternehmen werden von der öffentlichen Hand finanziert, nicht mehr „eigenwirtschaftlich“ durch Fahrgeldeinnahmen.

Schülerverkehr

Rund 4,4 Millionen Euro Landesmittel leitet der Kreis in diesem Jahr an die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) weiter. Dabei handelt es sich um eine Ausgleichszahlung für den Schülerverkehr.

Dezember 2021: Höchsttarif für Siegen-Wittgenstein

Im Dezember steht die Entscheidung über den „Höchsttarif“ an. Danach übernehmen die Kreise die Differenz zwischen den Fahrgeldeinnahmen, die durch den geltenden Tarif möglich sind, und dem tatsächlichen Finanzbedarf eines „durchschnittlich gut geführten Unternehmens“. Aktuell rechnet der Kreis Siegen-Wittgenstein mit einer Ausgabe von 7,5 Millionen Euro. Diese „Allgemeine Vorschrift“ wird von der EU nicht als unzulässige Beihilfe für ein Wirtschaftsunternehmen beanstandet. „Das ist das einfachste Mittel“, sagte Reinhard Kämpfer – und warnte, nicht „kniestig“ zu werden. Wenn der gewährte finanzielle Ausgleich nicht ausreiche, „ist das Geschäftsmodell der VWS kaputt“. Das Unternehmen würde dann seine Konzessionen zurückgeben, der Kreis müsste dann Nahverkehr auf eigene Rechnung organisieren. „Für uns wird das definitiv teurer.“

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2022: Kreiseigenes Verkehrsunternehmen?

Die Notvergabe des Nahverkehrs an die VWS, die während der Pandemie erfolgt ist, läuft zum Jahresende 2021 aus. Für die VWS gilt dann wieder die eigenwirtschaftliche Betriebspflicht. Ob die VWS sich denn darauf einlassen würden, fragte André Jung (CDU). Mit dem Höchsttarif-Ausgleich ja, glaubt Landrat Andreas Müller, die VWS hätten jedenfalls „Bereitschaft signalisiert“.

2022 bleibt auch die langfristige Perspektive auf dem Beratungstisch. Sollten Gutachter und Politik die Idee eines kommunalen Verkehrsunternehmens weiterverfolgen – auch die VWS gehörten bis 2004 dem Kreis –, müsse das vorbereitet werden, sagte Reinhard Kämpfer. Management, um die 300 Fahrer, Busse, eventuell mit Elektroantrieb…: „Da brauchen Sie Vorlauf.“

2023: Nahverkehrsplan für Siegen-Wittgenstein

Für den Herbst 2023 ist die Veröffentlichung des neuen Nahverkehrsplans vorgesehen, der aus den jetzt verabschiedeten Leitlinien hervorgeht. Voran geht ein einjähriges Beteiligungsverfahren für Behörden, Verbände und Kommunen. Den Entwurf soll der Kreistag im Dezember 2022 bereitstellen.

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2024/25: Weichenstellungen

Der Kreis entscheidet über die künftige Organisation des Nahverkehrs. Die Höchsttarif-Vorschrift läuft Ende 2025 aus, kann aber verlängert werden. Die Konzessionen der VWS für die Buslinien in Siegen-Wittgenstein laufen Ende 2028 aus – es sei denn, das Oberverwaltungsgericht NRW folgt dem Verwaltungsgericht Arnsberg, das die Konzessionsvergabe durch die Bezirksregierung im Linienbündel Mitte (Siegen, Kreuztal, Hilchenbach, Freudenberg, Netphen) bereits aufgehoben hat.

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