Siegen. Künstlerin nimmt zur Debatte um „Antuung“ Stellung und kritisiert „faschistoide Argumentationsstruktur“.

Joseph Beuys, der Aktionskünstler, würde sich im Grab umdrehen – Albrecht Thomas, 30 Jahre lang Vorsitzender des Siegener Kunstvereins, hat sich mit einem Textbild zu der Baumfällung geäußert, die Lena Hugger im Rahmen einer Kunstaktion am Siegufer vorgenommen hat. Sie habe „den Kunstinstitutionen der Universitätsstadt Siegen mit deren Bemühungen um die Vermittlung zeitgenössischer Kunst einen Bärendienst erwiesen“, schreibt Albrecht Thomas und erinnert daran, dass sich eine Siegenerin auch schon einmal an einen Baum angekettet hat, um dessen Fällung zu verhindern – durch die Stadt, als die den Verkehrskreisel am Brüderweg baute. Angeregt reagiert hat auch Matthias Kringe. Der Dilldappen-Schöpfer reimt auf der Facebookseite dieser Zeitung: „Wenn eine, die mit Mühe kaum/Gefällt hat einen armen Baum/Jetzt meint, dass Künstlerin sie wär,/So irrt sie schwer.“

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Lena Hugger nimmt Stellung zur Baumfällung in Siegen

Lena Hugger, die zusammen mit Hagen Keller die von ihr so genannte „Antuung“ inszeniert hat, hat mit ihrer Aktion Kritik auf sich gezogen. Die Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler hat sich distanziert, auf verschiedenen Online-Plattformen wird heftig gestritten – bis hin zu Aufforderungen zu Gewalttätigkeiten gegen die Künstlerin. Am Donnerstagabend hat Lena Hugger gegenüber dieser Zeitung eine persönliche Stellungnahme „zur Antuungsaffäre“ abgegeben. Darin nimmt sie Bezug auf Aktionen von Joseph Beuys, der in den 1960er Jahren Hitlergrüße gezeigt habe, und von Hermann Nitsch, der öffentlich Tiere geschlachtet habe. „Das sind Akte, die erst einmal an für sich moralisch zu verurteilen sind, die die Kunst aber für sich beanspruchen kann, um auf Missstände aufmerksam zu machen.“

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Keine Selbstdarstellung

Lena Hugger: „Den Missstand, den wir mit der Aktion unter anderem offenlegen, ist, dass wir mit einem Prozess exponentiell zunehmender Zerstörung von Ökosystemen konfrontiert sind. Wir sind bereits an einem Punkt, an dem wir zu spät und zu langsam handeln und die Dringlichkeit dieser Situation erfordert eine Bewusstwerdung dieser Probleme. Von diesen werden wir als junge Menschen noch viel gravierender betroffen sein, als die Mehrzahl der entrüsteten BürgerInnen.“

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Die „wutentbrannte Reaktion“ auf die Baumfällung führt Lena Hugger auf „eine Polemik des Bürgermeisters“ und eine „reduktive Berichterstattung“ zurück. „Die Mehrzahl der Teilnehmenden der Aktion sind FürsprecherInnen unserer Sache.“ Den Vorwurf, es gehe ihr um Selbstdarstellung, weist Lena Hugger zurück: Es seien die Medien selbst, „die immer wieder meinen Namen nennen, anstatt einen Gedankenprozess über das Geschehene anzuregen und wirklich über das Symbol des zerstörten Baumes nachzudenken“.

Albrecht Thomas: Textbild zur Hugger-Aktion
Albrecht Thomas: Textbild zur Hugger-Aktion © Albrecht Thomas: | Albrecht Thomas:

Vorwurf an Wolfgang Suttner: „Beschränkter Kunstbegriff“

Die Künstlerin geht auf Statements in Facebook-Gruppen ein: „Die Forderung, uns Arbeitsmaßnahmen aufzuzwingen oder uns zu exmatrikulieren folgen einer faschistoiden Argumentationsstruktur, welche durch diese Aktion in breiten Teilen der Bevölkerung freigelegt wurde.“ Sie widerspricht dem ehemaligen Kreiskulturreferenten Wolfgang Suttner: Kunst dürfe niemals zerstören. „Wer solche Reglementierungen an diese Disziplin stellt, der offenbart seinen eigenen beschränkten Kunstbegriff. Wenn Kunst nur schön, gefällig und höchstens im symbolischen Sinne provokativ ist, ist sie auch politisch, aber politisch im Sinne einer herrschenden Klasse, welche uns beispielsweise auch in die Klimakatastrophe geführt hat.“

Lena Hugger greift die Anregung auf, den Baumstumpf als Mahnmal zu erhalten. „Wenn wir den Baum aber als abweichendes Lebewesen stehen lassen würden, dann könnten wir ein neues, dynamischeres Bild der Natur erzeugen, was sich gegen menschliche Normierungen der Natur positionieren könnte.“ Die große Aufmerksamkeit für die Aktion zeige, „wie perfekt sich der Prozess der Antuung entfaltet und Zweideutigkeiten in unserer Gesellschaft offenlegt“.

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