Siegen/Wetzlar. Wetzlar ist eine unterschätzte Stadt, die außer innovativer Industrie auch viele touristische Attraktionen bietet. Von Siegen ist es nicht weit.

„Verweile doch, du bist so schön“: Natürlich stammt dieses wohl bekannteste Zitat des großen Johann Wolfgang von Goethe aus seiner größten Dichtung: Faust, Teil 1. Doch der Dichterfürst hätte es auch auf eine gewisse Dame in Wetzlar beziehen können, der Stadt, in der er 1772 als juristischer Praktikant am Reichskammergericht für wenige Monate lebte, sich aber statt für Gesetzestexte mehr für die Stadt und deren holde Weiblichkeit interessierte. In eine davon, Charlotte Buff hieß sie, verliebte er sich mit Haut und Haaren – und natürlich unglücklich. Denn sie war schon vergeben. Unsterblich wurde diese Affäre jedoch dadurch, dass sie Vorlage für den Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ wurde, mit dem Goethe seinen literarischen Durchbruch schaffte. Und Hauptthema des schönsten Museums, das man in Wetzlar findet: Das Lottehaus.

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Es macht Sinn, einen Stadtrundgang mit dem Lottehaus zu beginnen, nach wenigen Minuten vom Domplatz aus zu erreichen. (Einen Stadtplan braucht man dafür nicht, alle Sehenswürdigkeiten Wetzlars sind perfekt ausgeschildert.) Der Besucher taucht ein in das typische großbürgerliche Wohngefühl des 18. Jahrhunderts, seien es authentisch eingerichtete Zimmer und Salons oder ein Schlafzimmer der alten Zeit mit Himmelbett und Baby-Wiege.

Von Siegen nach Wetzlar: Im Lottehaus auf Goethes Spuren

Vieles erinnert an den kurzen Aufenthalt Goethes in Wetzlar, so auch ein Erstdruck des „Werther“. Und eins darf natürlich nicht fehlen: Ein Portrait von Charlotte Buff, die als zweitälteste von 16 Geschwistern nach dem frühen Tod der Mutter sehr viel Verantwortung für ihre Familie übernehmen musste. Dass sie als Ehemann den langweiligen, aber soliden hannoverschen Hofbeamten Johann Kestner dem flatterhaften Jungspund Goethe vorzog, verwundert nicht: Lotte suchte Sicherheit. Und Goethe anschließend das Weite.

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Im Stadtmuseum direkt neben dem Lottehaus werden die Geschichte Wetzlars und speziell die industrielle Vergangenheit präsentiert. Denn wichtige Firmen der Eisenverarbeitung, der Feinmechanik und vor allem der Optik haben ihren Sitz in Wetzlar. So entwickelte die Firma Leitz mit der legendären Leica eine handliche Kleinbildkamera, die quasi die Mutter aller Fotoapparate ist. Und Optik ist auch das Hauptthema weiterer Ausstellungen: Im modernen Viseum und dem Ernst Leitz Museum.

Wetzlar: Der Domplatz bringt Auge und Gaumen in Stimmung

Nach so viel Wissensvermehrung braucht der Gast Entspannung für Geschmacksnerven und Auge. Die findet er auf dem Domplatz, nur wenige Schritte von den Museen entfernt. Die vielen dort versammelten Baustile bieten eher ein Miteinander als ein Durcheinander. Obwohl die Beton- und Glaskombination des größten Gebäudes optisch ein Schuss ins Knie ist. Doch das im Krieg zerstörte Barockensemble an gleicher Stelle sollte wohl schnell ersetzt werden. Dafür darf der Besucher sich freuen, rund um den Domplatz eine exquisite lukullische Landschaft geboten zu bekommen. Da bleiben keine Wünsche offen.

Wie es mit Goethe und Charlotte weiterging

Interessant zu wissen: 44 Jahre nach seiner Zeit in Wetzlar sollte der dann 67-jährige Goethe Charlotte, inzwischen Hofrätin und Witwe, noch einmal treffen. Und zwar im berühmten „Hotel Elephant“ in Weimar. Thomas Mann beschreibt in seinem Roman „Lotte in Weimar“ diese Begegnung, zu der Charlotte mit Tochter eigens aus Hannover angereist war, als zumindest für sie nicht zielführend. Goethe, wohl immer noch sauer über die Wetzlarer Zurückweisung, beließ es bei nur einem Zusammentreffen. Sein Kommentar: „Konnt’ sie sich’s nicht verkneifen, die Alte und mir’s nicht ersparen?“

Goethe-Zitate im Wetzlarer Stadtbild: „Ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz näher angeht.“ (aus „Die Leiden des jungen Werther“ am Lottehaus).

Kein Genuß ist vorübergehend, denn der Eindruck, den er zurückläßt, ist bleibend.“ (In Goethe-Rechtschreibung an einem Delikatessenladen).

Kleine Geschäfte, großes Niveau. So könnte man die Wetzlarer Altstadt zusammenfassen. Feine Weine, Delikatessen aller Art, schicke Modeläden, Schmuck und Uhren vom Feinsten und immer wieder Straßencafés und Bistros, die zum Verweilen reizen. Der Pulsschlag von Kunstfreunden dürfte sich erhöhen, wenn sie die Galerie am Dom besuchen. Die Bilder, die dort gezeigt werden, repräsentieren bedeutende Namen wie Günter Grass, Udo Lindenberg, Armin Müller Stahl, Günther Ücker und auch noch Unbekannte, die sicherlich eine große Zukunft vor sich haben. Kurzum: Eine Galerie mit Großstadtniveau, wie sie in großem Umkreis nicht noch einmal zu finden ist.

Die Lahn in Wetzlar: Einfach nur schön

So wie in anderen Folgen unserer Serie spielt die Lahn auch in Wetzlar eine große Rolle. Doch sie drängt sich nicht so auf wie etwa in Marburg, Weilburg oder Limburg, wo sie im studentischen Leben der Stadt oder auch als Touristenmagnet für Kanuten, Ruderer oder Freunde von Schiffsrundfahrten eine bedeutende Rolle spielt. In Wetzlar ist die Lahn mit ihrer markanten Brücke nur eins: schön. Das sieht auch der Besucher, wenn er das Wetzlarer Stadterlebnis genau dort beendet.

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Wer meint, durch einen Besuch des Siegerlandmuseums im Oberen Schloss mit dem künstlich angelegten Schaubergwerk das wirkliche Leben unter Tage kennengelernt zu haben, der sollte, vielleicht zum Abschluss oder zur Ergänzung der Fahrt nach Wetzlar, die Grube Fortuna im nahen Solms besichtigen. In dieser wurde noch bis 1983 Eisenerz gefördert und sie ist das letzte klassische Eisenerzbergwerk im Originalzustand. Zur Besichtigung gehört der Transport mit einem Förderkorb in 150 Meter Tiefe, bevor man dann nach einer Fahrt mit der Grubenbahn „vor Ort“ die Technik des Eisenerzabbaus miterlebt. Mit Lärm, Staub und allem, was dazugehört.

Wetzlar ist über die A 45 in weniger als einer Stunde zu erreichen. Parkhäuser und Parkplätze sind selbst um den Domplatz herum reichlich vorhanden. Adresse der Grube Fortuna: Grube Fortuna 1, 35606 Solms ins Navi eingeben.

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