Siegen/Marburg. Corona erschwert Urlaubsplanung. Aber wie wäre es mit Ausflügen an Orte, die sich von Siegen aus in einer Stunde erreichen lassen? Marburg etwa!

Es gibt viele Möglichkeiten, sich Marburg zu nähern: Ganz konventionell mit dem Auto, sehr sportlich mit dem Fahrrad, ganz langsam in vier Tagesetappen zu Fuß, vor allem aber bequem mit dem Zug. Wir haben uns für die letztgenannte Möglichkeit entschieden, und da auch nicht für die ganz schnelle über Gießen, sondern mit den großzügigen, modernen Wagen der Hessenbahn durch das Wittgensteiner Land und das Lahntal.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Schon die Anreise wird zum Erlebnis. Denn die Bahn gleitet ruhig ab Kreuztal über Hilchenbach in vielen Kurven und Kehren hinauf nach Lützel, mit knapp 600 Metern einer der höchstgelegenen Bahnhöfe unseres Bundeslandes. Von Erndtebrück geht es dann bis Marburg nur noch bergab. Zunächst an idyllischen Dörfern Wittgensteins vorbei, deren Namen mancher Siegerländer noch nie gehört hat, dann über Feudingen und Laasphe durch das Lahntal zu unserem Tagesziel.

Siegen + eine Stunde: Nach Marburg mit dem Zug – dauert länger, lohnt aber

Eine entspannte Fahrt von insgesamt etwa zwei Stunden durch traumhafte Landschaft, die wie ein Film an den Augen der Fahrgäste vorbeifliegt, vor allem natürlich, wenn das Wetter mitspielt. Und am Wochenende bietet der Fahrplan dem Reisenden einen besonderen Genuss: Er muss nicht, wie an allen anderen Tagen, in Erndtebrück umsteigen, sondern gelangt, sozusagen in einem Zug, direkt aus dem Siegerland nach Marburg. Das Wahrzeichen Marburgs wird schon sichtbar, wenn man die Bahnhofshalle verlassen hat: Das Landgrafenschloss, das über der Altstadt thront. Wer einigermaßen fit ist, kann es zu Fuß erreichen und kommt unterwegs fast zwangsläufig an der Elisabethkirche mit ihren zwei markanten Türmen vorbei.

+++Lesen Sie hier:Siegen + eine Stunde: Herborn, Kleinod in rot-weißem Fachwerk+++

Die erste rein gotische Kirche Deutschlands, Elisabeth von Thüringen gewidmet. Die wählte, nachdem ihr Mann verstorben war, Marburg als Witwensitz. Da war sie noch eine sehr junge Frau. Elisabeth ließ in ihrer neuen Heimat ein Hospital und andere soziale Einrichtungen bauen und gelangte als Wohltäterin zu hohem Ansehen. Nachdem sie 1231 nur 24-jährig gestorben war, bauten die Marburger über ihrem Grab eine Kathedrale, die sie ihrer verehrten Elisabeth widmeten. In früheren Jahren das Ziel von Pilgern und bis heute Hauptziel von bildungshungrigen Besuchern aus aller Welt.

Das Schloss

Die Wege zum Schloss sind durch Schilder vorgegeben. Doch auch wer eigene Wege geht, macht keinen Fehler: Er kommt an alten, noch in Betrieb befindlichen Instituten und Einrichtungen der Philipps-Universität vorbei und staunt nicht schlecht über die prächtigen, villenartigen Ansitze von Studentenverbindungen auf dem Schlossberg. Fast 30 Burschenschaften und Verbindungen, viele davon schlagende, residieren hier, reine Männerbünde, teilweise gut vernetzt in der „Neuen Rechten“.

Unsere neue Serie

Corona? Urlaub? Wir wünschen Ihnen, dass die Reise an Ihr Traumziel klappt. Vielleicht wollen Sie aber auch in den nächsten Wochen noch gar nicht in die Ferne schweifen. Dann haben wir für Sie ein paar Tipps: Ziele, die Sie von Siegen und dem Siegerland aus in gut einer Stunde erreichen können.

Schon lange nicht mehr in Marburg gewesen? Da kann man sogar wieder durchgehend mit dem Zug hinfahren. Lust auf Burgen? Nach Greifenstein und Münzenberg ist es gar nicht so weit. Oder mal Lust, Baumwipfel von oben anzusehen? Das Panarbora im Bergischen Land kennen Sie bestimmt nicht.

Der Blick von oben auf die Stadt und die Lahnberge mit den modernen Uni-Kliniken ist unschlagbar. Und wer mag, kann das Schloss mit seinem Museum auch besichtigen. Steil ist der direkte Weg zurück zum Marktplatz. Vorbei an schmalen Häusern mit dem typisch hessischen Fachwerk, in denen auch noch die letzte Kammer als Studentenbude vermietet wird. Der Marktplatz mit dem historischen Rathaus ist das Schmuckstück der Stadt. Kneipen, Bistros und Cafés lassen keine Wünsche offen. Auch nicht die kleinen Läden der Oberstadt mit ihren speziellen Angeboten, sei es Mode, Literatur, alles aus dem Bereich „Schöner Wohnen“, oder wertiges Spielzeug.

Die Universität

Die Philipps-Universität besteht seit 1527 und ist damit die älteste noch existierende protestantisch gegründete Universität der Welt. Sie ist mit 4000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor Marburgs, wobei die 4200 Mitarbeiter der Uni-Kliniken noch hinzukommen. Berühmte Persönlichkeiten lehrten hier: Der Philosoph Martin Heidegger, der Mediziner Ferdinand Sauerbruch und vor allem aber Wolfgang Abendroth. Als Politologie-Professor wurde er zu einem der Wegbereiter der 1960er Bewegung und der Neuen Linken. Seine Vorlesungen, natürlich immer im größten Vorlesungssaal, erlangten Kultstatus, auch bei eigentlich fachfremden Studenten. Wer nicht mindestens eine halbe Stunde vor Beginn seiner Vorlesungen da war, fand bestenfalls noch einen Stehplatz. Prominente Studenten der Philipps-Universität: Die Gebrüder Grimm, der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann und Ulrike Meinhof.

+++Lesen Sie hier:Netphen: Radweg von Walpersdorf zur Siegquelle soll kommen+++

Emil von Behring war Professor an der Philipps-Universität und wurde wegen seiner Entwicklung von Impfstoffen gegen Diphtherie und Wundstarrkrampf mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Er gründete 1904 in Marburg ein pharmazeutisches Unternehmen, das weitere Wirkstoffe entwickelte. Weltweit bekannt wurden die Behringwerke aber auch, weil dort 1967 in einem Labor das „Marburg-Virus“ ausbrach, dem heutigen Coronavirus nicht unähnlich. Nachdem das Unternehmen 1997 aufgelöst wurde, siedelten sich auf dem Werksgelände und den Erweiterungen Nachfolgeunternehmen von Weltruf an. Darunter auch die Firma BioNtech, die den weltweit geschätzten Impfstoff gegen die aktuelle Pandemie herstellt. In diesem Werksgelände oberhalb Marburgs sind aktuell bis zu 6000 Wissenschaftler aus vielen medizinischen und pharmazeutischen Fachrichtungen tätig.

Das Dorf mitten in der Stadt

Die Lahn gehört zu Marburg wie der Rhein zu Köln. Man muss nur vom Marktplatz aus die Hauptverkehrsader Richtung Gießen überqueren und den Hinweisschildern Richtung Weidenhausen folgen. Über die Fußgängerbrücke, die die Stadt Marburg Wolfgang Abendroth gewidmet hat, gelangt man ans andere Lahnufer und ist nach wenigen Schritte im Ortsteil Weidenhausen. Früher wohnten hier vorwiegend Gerber, die für ihre Berufsausübung bekanntlich vor allem Wasser brauchten.

Gewinnspiel

Unsere Serienfolge am 23. Juli führt nach Lüdenscheid. Attraktion dort ist die Phänomenta. Auf 4000 Quadratmetern des Erlebnismuseums warten rund 200 Experimentierstationen darauf, erforscht und ausprobiert zu werden.

Die interaktive Ausstellung bietet Experimente zu Physik, Mathematik oder Technik: Roboter Lüdia, die riesige Kugelbahn, Flaschenzugsitze und das größte Kaleidoskop Europas.

Wir verlosen fünf Familienkarten für den Besuch der Phänomenta: siegengewinnspiel (letzte Teilnahmemöglichkeit am 27. Juni).

Heute ist Weidenhausen der angesagteste Bezirk Marburgs. Man braucht kein Auto, ist im Nu in der Stadt und hat doch himmlische Ruhe. Doch dort eine Wohnung zu bekommen, gleicht einem Hauptgewinn im Lotto. Zurück zum Bahnhof ist es nicht mehr weit. Man hat dazu zwei Optionen: Ganz ruhig entlang der Lahn zu gehen oder der ehemaligen Kultkneipe „Schwarzer Walfisch“ am Fuß der Altstadt einen Besuch abzustatten. Vor allem bei Studenten aus dem Siegerland sehr beliebt, weil es hier etwas anderes zu trinken gibt als den heimischen Gerstensaft: Das „Licher Bier“. Doch Vorsicht: Der letzte Zug nach Hause wartet nicht.

Tipps

Den besten Kuchen Marburgs und die netteste Bedienung gibt es im „Café Cappucino“ in der Barfüßer Straße 46.

Wer den steilen Weg zum Schloss scheut, kann auch den Bus nehmen.

Zwei Aufzüge verbinden die Unterstadt von der Straße Pilgrimstein aus mit der Oberstadt.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++

+++Lesen Sie hier:Hilchenbach: Sitzgruppe für alle Generationen in Dahlbruch+++

+++Geisweid: Dr.-Dudziak-Park im Wenscht ist kompett saniert+++