Hilchenbach. Ein Platz für Begegnungen: Hilchenbachs Café Herzstück will den Neuanfang. Dazu wird Geld für den Umbau gebraucht

Das Schild neben dem Schaufenster täuscht. Das Café Herzstück in der Gerbergasse gibt es noch nicht wieder. Der kleine Laden, in dem schon einmal Schmuck, dann Jeans und zuletzt Fahrräder verkauft wurden, hat etwas von einem verlorenen Platz. Innen drin stehen Tische und Stühle, die Kaffeemaschine, Geschirr. Die Zeitung ist vom 26. Oktober 2019, dem letzten Öffnungstag. Auf dem Fenster klebt der Zettel, der ein Wiedersehen im Frühjahr 2020 ankündigt. Ein Lost Place. „Eine Baustelle, die seit zwei Jahren ruht“, sagt Dr. Peter Neuhaus. Egal. Das Herzstück will wiederkommen. „Die Lust ist da“, sagt Jutta Neuhaus, „ich wünsche mir so sehr, dass das klappt.“

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So fing es an

Der lange Sommer 2019. Das war der, in dem Annette Czarski-Nüs und Peter Neuhaus ihren Traum vom eigenen Café verwirklicht haben. „Wir hatten immer wieder mal geguckt“, berichtet sie über das aufmerksame Bummeln durch die Stadt, „auf einmal war es da.“ An vier Nachmittagen in der Woche hat ein großes ehrenamtliches Team von Mai bis Ende Oktober insgesamt um die 700 Gäste bewirtet. Mit Kaffee, Wasser, Saft aus der Produktion der Schülergenossenschaft „Keppels Früchtchen“, selbst gebackenem Kuchen aus der Küche der Klimawelten am Kirchweg.

Ein Lesecafé, sagt Annette Czarski-Nüs. Ein Erzählcafé, sagt Jutta Neuhaus. „Man könnte Seiten füllen mit dem, was sich hier ereignet hat.“ Da war die Männergruppe aus Netphen, die einmal in der Woche mit dem Fahrrad kam. Da waren die Autoren, die bei Bücher buy Eva gastierten – die Buchhandlung von Eva Graß ist im selben Haus und hat ihren Eingang um die Ecke. Da waren die Frauen aus der evangelischen Kirchengemeinde. Und die Bewohner der neuen Siedlung in den Rothenberger Gärten, die zwecks Kennenlernen gleich den ganzen Laden mieteten.

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Probelauf für einen Sommer

Jutta Neuhaus erzählt von den zwei jungen Frauen, die Kopftuch trugen. Ob hier wirklich jeder rein dürfe, fragten sie. Und dann kamen sie auch. Zu ihnen gesellte sich eine andere Frau, die eigentlich gar keine Zeit hatte. Dann aber doch. Jugendliche haben sich hier getroffen, auf einen Kaffee nach der Schule. Berufstätige, auf einen Espresso zum Feierabend. Fremde haben am selben Tisch Platz genommen, sich einfach dazugesetzt. „Das kennt man im Siegerland gar nicht“, erzählt Annette Czarski-Nüs in einem Tonfall, der immer noch ein bisschen erstaunt klingt.

Geschichte

„Schdäängches“ ist der Hausname des Wohnhauses Markt 5, als dessen Eigentümer die Bürgerliste von 1687 Hans Henrich Irle nennt. Das Haus brennt 1689 ab und wird wiederaufgebaut.

Beim zweiten Stadtbrand von 1844 war Bürgermeister Johann Heinrich Reifenrath Eigentümer. Im neu aufgebauten Fachwerkhaus wohnt nun der Leimfabrikant Hugo Holdinghausen, später Stifter des Richard-Martin-Hauses. 1861 wohnt dort auch Liedertafel-Gründer Dr.Hermann Romberg.

Um 1900 wurde hier die Hilchenbacher Zeitung gedruckt. Spätestens ab 1908 hat Metzgermeister Friedrich Wilhelm Weiß dort sein Geschäft.

Das Herzstück von 2019 war unmöglich. Viel zu klein, um wirtschaftlich zu arbeiten. Mit Getränken und Kuchen zum Selbstkostenpreis eher ruinös. Und mit Gästen, die sich auch willkommen fühlten, wenn sie sich viel Zeit für ein Getränk nahmen, sowieso etwas Besonderes. Das ging für einen Sommer, sozusagen für einen Probelauf, mit viel Augenzudrücken der Behörden. Denn das Herzstück hatte noch nicht einmal ein eigenes Klo – da half dann die evangelische Gemeinschaft von gegenüber aus.

So kann es weitergehen

Der Traum ist nicht ausgeträumt. „Immer wieder fragen Leute“, berichtet Peter Neuhaus, „das Herzstück ist nicht in Vergessenheit geraten.“ Der Plan für den Neustart steht: Der Vermieter wird eine Wand durchbrechen und für das Café den Keller unter der Buchhandlung erschließen. Das bekommt dann eine Handvoll Sitzplätze mehr als die jetzt 15, vor allem aber die unabdinglichen sanitären Anlagen. Eines der Schaufenster zur Gerbergasse wird durch eine Schiebetür ersetzt. Gäste können dann drinnen, halbdrinnen, halbdraußen oder draußen sitzen. Vor allem hat das Café dann aber seinen zweiten Fluchtweg, ohne den es keine Baugenehmigung gibt.

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Die Mieter wird kein Problem – das Herzstück kann von dem Leerstands-Förderprogramm profitieren, das es der Stadt ermöglicht, Geschäftsflächen anzumieten und bis zu zwei Jahre für 20 Prozent der Mieter weiterzuvermieten. Personalkosten werden nicht entstehen, abgesehen vielleicht einmal von einem Minijob: Die Ehrenamtlichen stehen bereit. Bleibt der Umbau: Einen Teil schultert der Vermieter, 50.000 Euro aber muss das Herzstück selbst aufbringen. „Über diese Hürde müssen wir springen“, stellt Peter Neuhaus fest.

Im grünen Norden des neuen Marktplatzes

Gesucht werden Geldgeber, die sich für das unmögliche Projekt engagieren wollen. Angesprochen haben die Hilchenbacher die Südwestfalen-Agentur und das NRW-Heimatministerium, möglicherweise findet sich auch ein privater Spender oder eine Stiftung. Ankommen wird es wohl darauf, wie sich das Café als Treffpunkt, mit dem niemand Geld verdienen wird, profiliert: als Knoten eines kleinen Netzwerks, an dem sich auch andere beteiligen könnten, die Gemeinsamkeiten mit dem Herzstück entdecken, fast direkt im künftigen „grünen Norden“, den der Marktplatz bekommen soll. Ein Marktplatz zum Verweilen, zum Sich-Treffen, wie das Herzstück selbst.

„Wir schaffen das“, sagt Peter Neuhaus. Annette Czarski-Nüs ist schon fast wieder drin. Im Café mit den Tischen, auf dem Blumen von Waltraud Menn stehen, der Herzstück-Seniorin aus der Bruchstraße. „Aus dem schönsten Garten Hilchenbachs.“ So viel Opulenz muss sein.

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